Im Sommer 2020 veröffentlichte die Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) die überarbeiteten Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung mit dem Ziel, die Standards in diesen Bereichen EU-weit zu harmonisieren. Erstmals wurden darin auch Anforderungen unter anderem an Technologien, Daten und Entscheidungsmodelle aufgenommen und somit eine Öffnung hinsichtlich der Nutzung statistischer Modelle für die Immobilienbewertung eingeläutet. Das birgt ein enormes Potenzial für die Immobilien- und Finanzwirtschaft und die Herausforderung, diesen sehr traditionsbewussten Bereich in die Digitalisierung zu begleiten.
Kreditvergabe hinkt oft noch hinterher
Automatisierung und Prozess(kosten)optimierung sind die Stichworte der Stunde. Sie haben längst auch den traditionsbewussten Bankensektor erreicht, sind aber noch nicht in alle Bereiche vorgedrungen. Insbesondere die Kreditvergabe und -überwachung wurde bisher weitestgehend mithilfe herkömmlicher Bewertungsverfahren, wie Sachwertverfahren, durch einen Gutachter oder Sachverständigen durchgeführt. Das ist notwendig, wenn es sich um komplexe Immobilien oder nicht wohnwirtschaftlich genutzte Objekte handelt, nicht aber, wenn es um standardisierbare Wohnimmobilien geht.
Immobilienbewertung auch ohne Besichtigung möglich
Schon vor der Herausgabe der Leitlinien durch die EBA war es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, bei Krediten, die unter die Kleindarlehensgrenze von 400.000 Euro fallen, eine Entscheidung von A bis Z vom Schreibtisch aus zu fällen. Ist das möglich, ohne dass jemand die Immobilie vor Ort gesehen hat? Ja, die technologischen Möglichkeiten, die uns heute zur Verfügung stehen, das heißt eine stetig wachsende digital verfügbare Datenmenge, leistungsfähige Prognosealgorithmen und eine durch Cloud-computing unbegrenzte Rechenleistung und Speicherkapazität, ermöglichen es, ein Objekt mithilfe digitaler Bewertungsverfahren so umfassend darzustellen und auszuwerten, dass eine verlässliche Wertermittlung auch ohne Gutachter vor Ort möglich ist.
Operationalisierung der Sicherheitenbewertung im Kreditprozess durch AVMs
Das hat auch die EBA erkannt und zielt mit ihrer Öffnung hinsichtlich statistischer Modelle auf eine Operationalisierung der Sicherheitenbewertung im Kreditprozess ab. Damit wird nicht nur mehr Transparenz geschaffen, sondern kann auch den Anforderungen Rechnung getragen werden, dass die Kreditinstitute fortlaufend aktuell abrufbare Informationen zu den von ihnen finanzierten Immobilien vorhalten müssen. Dafür bedarf es pragmatischer Lösungen, die dank neuer Technologien heute bereits zur Verfügung stehen, sogenannte Automatisierte Bewertungsmodelle (AVMs).
Seite 1 Meilenstein und Herausforderung: Statistische Kreditvergabemodelle
Seite 2 Enormer Sprung in der Leistungsfähigkeit
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