Ein Artikel von Dr. Stefan G. Adams, Geschäftsführer der Dr. Adams & Associates GmbH & Co. KG
Die Konsolidierung im Maklermarkt hat sich auch im Betrachtungszeitraum zweites Halbjahr 2023 und erstes Halbjahr 2024 dynamisch weiterentwickelt. Einerseits haben neue Marktteilnehmer, die wie zahlreiche bekannte Player mit acht- oder neunstelligem Budget ausgestattet sind, ihre ersten Transaktionen abgeschlossen, andererseits haben die Käufer auch Maklerunternehmen erworben, die zuvor nicht im „Beuteschema“ dieser Investoren lagen. Lässt sich die weitere Entwicklung des Konsolidierungsprozesses antizipieren? Zumindest die großen Entwicklungslinien sind erkennbar und werden im Folgenden dargestellt.
Verschiebung beim „Beuteschema“
Die Schwerpunkte im Transaktionsmarkt haben sich in den letzten zwölf Monaten laut Analyse von Dr. Adams & Associates durch eigens realisierte sowie am Markt realisierte Transaktionen deutlich verschoben. Die Anzahl der Transaktionen nimmt zu, das für einen Erwerb notwendige Courtagevolumen nimmt ab und einhergehend mit geringeren Losgrößen werden auch die je Transaktion „eingekauften“ EBITDAs – Gewinne vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen – nominal geringer. Da die Anzahl der im Markt tätigen Maklerunternehmen – die sogenannten potenziellen Targets (ein gerne verwendeter Anglizismus aus der Kriegsrhetorik) – begrenzt ist, nimmt die Wettbewerbsintensität unter den Investorengruppen deutlich zu.
Das Beuteschema der Konsolidierer hat nun auch das Segment von 500.000 Euro bis 1 Mio. Euro Courtage erreicht. Auch hier steigen aufgrund des verschärften Wettbewerbs durch die oben erwähnte höhere Anzahl von kapitalstarken Investoren die Multiplikatoren deutlich an. Dies impliziert aber auch, dass der Wettbewerb in den Courtagegrößenordnungen zwischen 1 und 5 Mio. Euro p. a. noch intensiver geworden ist – mit den entsprechenden Kaufpreisentwicklungen, obwohl immer noch ein hinreichendes Potenzial an Unternehmen in diesem Segment vorhanden ist. Wir gehen davon aus, dass die Konsolidierung in diesem Segment, sofern keine externen Effekte wie deutliche Zinsanhebungen oder geopolitische Entwicklungen zum Rückzug der Investorengruppen führen, noch drei bis fünf Jahre weiterläuft.
Diese Feststellung lässt sich für das Segment 5 bis 20 Mio. Euro wiederkehrender Courtagen nur sehr eingeschränkt treffen. In diesem Segment befindet sich die Konsolidierung bereits in einer sehr späten Phase. Der hohe Durchdringungsgrad der Konsolidierung im Segment der Top-100-Maklerunternehmen lässt eine systematische Bearbeitung dieses Segments nicht mehr sinnvoll erscheinen. Der Verkauf langjährig familiengeführter Unternehmen wird eher von Zufällen abhängig sein und im Einzelfall bei Kaufpreisen jenseits von 100 Mio. Euro keine Signalwirkung für den breiten Markt haben.
Neue kaufpreistreibende Entwicklung
Ein den Versicherungsmaklern bekanntes Verfahren, bei zahlreichen Versicherern Angebote einzuholen, diese zu bewerten und dann das aus Kundensicht beste Angebot auszuwählen, hat nun auch den Konsolidierungsmarkt in allen Unternehmensgrößenordnungen erreicht. Insbesondere die zahlreichen Pressebeiträge zum Konsolidierungsgeschehen – nicht immer erfahrungsunterlegt und gelegentlich mit wenig Einblick in die Realität – haben unter anderem zu diesem preistreibenden Effekt geführt: Der Großteil der Maklerunternehmen des Hauses Dr. Adams & Associates verlangt nach einem strukturierten Angebotsverfahren, um dann im Wettbewerb von mindestens fünf verschiedenen Konsolidierern das für sich qualitativ wie quantitativ beste Angebot zu selektieren. Ein bei 12 bis 15 namhaften konkurrierenden Investorengruppen lohnendes Verfahren, das am Ende zu gelegentlich „außergewöhnlichen“ Kaufpreisgrößenordnungen führt und für Verkäufer eine Jahrhundert-Chance darstellen kann.
Wie weit geht die Reise weiter?
Wie hat sich der Markt der Konsolidierer entwickelt und wohin geht die weitere Reise?
Die ersten Konsolidierer sind 2018/2019 am Markt aufgetreten. Namhafte Maklerunternehmen hatten sich Fremdkapital zu günstigen Konditionen, meist im angelsächsischen Raum gesichert und Maklerunternehmen zu damals sehr anspruchsvollen Preisen erworben. Jahr für Jahr sind seitdem neue hoch kapitalisierte Konsolidierer – zum Teil auch ohne Vorlauf als Versicherungsmakler – am Markt tätig geworden und haben sukzessive größere Maklerunternehmen und im Zeitverlauf auch kleine und mittelständische Maklerhäuser „eingesammelt“. Die Ansprüche der Investoren, die das Kapital zur Verfügung gestellt haben, sind herausfordernd und insbesondere durch die Zinsentwicklung gestiegen. Das Heben von Synergieeffekten, um die zum Teil überteuerten Einkäufe zu rechtfertigen, ist unabdingbar. Dies betrifft die IT, das Personal, die Infrastruktur, die Sachkosten und ganz vorne die Courtageeinnahmen von Versicherern, die sich immer größeren Maklergruppen gegenübersehen und Zugeständnisse bei den Courtagen machen müssen, um kein Geschäft zu verlieren.
Aus Sicht der Konsolidierer schießt „Größe“ Tore. Das heißt, die Synergien auf nahezu allen Ebenen werden über die höheren Courtageeinnahmen realisiert, was bei einem engeren Marktumfeld impliziert, dass alle Marktteilnehmer noch schneller „laufen“ und im Zweifelsfall teurer einkaufen müssen, solange es noch attraktive Zielunternehmen am Markt gibt. Sobald diese Entwicklung mittelfristig keinen betriebswirtschaftlichen Erfolg verspricht, werden sich einige Konsolidierer vom Markt verabschieden und ihr „eingesammeltes“ Unternehmensportfolio an andere Konsolidierer veräußern, um somit wieder ein Größenwachstum – nicht zu verwechseln mit Profitabilität – darstellen zu können. Der Druck zu dieser Entwicklungslinie kommt von den Investoren, die zum Großteil nur für einen beschränkten Zeitraum Kapital zur Verfügung stellen und dann „versilbern“ wollen.
Bei Lichte betrachtet ein Hamsterrad, das wie in anderen Branchen am Ende des Tages eine oligopolistische Marktstruktur mit vielleicht fünf großen Maklergruppen übrig lässt.
Fazit
Die beschriebene Verschiebung beim „Beuteschema“ der Konsolidierer sowie beim Anspruch der Verkäufer bezüglich eines „Angebotsverfahrens“ sind in unserem Tagesgeschäft präsente Entwicklungen, die der Leser als Fakten betrachten kann. Die Antizipation der „Entwicklung der Konsolidierung und der weiteren Reise“ beinhaltet zum Teil spekulative Annahmen, die aufgrund unserer 25-jährigen Marktkenntnis eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit haben. Insbesondere hinsichtlich der letzten Annahme – „Konsolidierungswelle bei Konsolidierern“ erwarten wir aufgrund der uns vorliegenden Informationen in naher Zukunft die ersten Vollzugsmeldungen. Kommt es anders, halten wir es mit John Maynard Keynes: Ändern sich die Fakten, ändere ich meine Meinung.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Gohgah – stock.adobe.com
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