Lebensversicherer müssen den Kundennutzen ihrer Produkte stärker in den Fokus nehmen. So das Credo der BaFin in einer Pressemitteilung im August des vergangenen Jahres. Die BaFin hatte bereits im Mai 2023 ein Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtsrechtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten veröffentlicht und im Anschluss 13 Lebensversicherer einer wohlverhaltensaufsichtsrechtlichen Prüfung unterzogen. Das Ergebnis: Neben formalen Defiziten genügen „manche Versicherer bei Weitem nicht den Vorgaben des BaFin-Merkblatts“. Bei der Jahrestagung der Versicherungsaufsicht 2025 kündigte die Exekutivdirektorin Julia Wiens an, dass sich die BaFin weiter mit dem Thema beschäftigen werde. In einer Studie zu Effektivkosten bei Lebensversicherungen kritisierte die BaFin insbesondere eine zu hohe Kostenbelastung bei Fondspolicen. Besonders im Fokus: Rückvergütungen der Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) an Lebensversicherungsunternehmen und/oder Vermittler.
Kostenstrukturen bei Fondspolicen
Die Gesamtkosten bei Fondspolicen setzen sich aus den Fondskosten und den Versicherungskosten zusammen. Bei Investmentfonds fallen üblicherweise einmalige Kosten (Ausgabeaufschlag) und laufende Kosten an. Laufende Kosten werden aus dem Fondsvermögen des Kunden entnommen und bestehen je nach Fonds aus pauschalen Managementgebühren (z. B. 1% des Fondsvermögens p. a.), Transaktionskosten und ggfs. auch aus an die Wertentwicklung des Fonds gebundenen Gebühren (Performance-Fee). Bei der Versicherung fallen je nach Tarif einmalige Abschluss- und Vertriebskosten (z. B. 2,5% der Beitragssumme), jährliche Verwaltungskosten (in Prozent des Beitrags), Stückkosten (jährliche Verwaltungskosten in Euro) sowie Anlagekosten (jährliche Kosten in Prozent des Fondsguthabens) an. Je nach Fallgestaltung kommt da so einiges zusammen.
Kostenausweis bei Fondspolicen
Damit Verbraucher sich einen Überblick über die Gesamtkosten verschaffen können, sind Versicherer nach § 2 der VVG-Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV) verpflichtet, den Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner Vertragserklärung über die in die Prämie einer Lebensversicherung einkalkulierten Kosten sowie über die durch diese Kosten bedingte Minderung der Wertentwicklung in Prozentpunkten (Effektivkosten) zu informieren.
Produktfreigabeverfahren
Gemäß § 23 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sind Versicherungsunternehmen verpflichtet, ein Produktfreigabeverfahren zu unterhalten, die freigegebenen Produkte regelmäßig zu überprüfen und allen Vertreibern sachgerechte Informationen zur Verfügung stellen. Und gem. § 14 VersVermV müssen Vermittler über alle sachgerechten Informationen zu dem Versicherungsprodukt und dem Produktfreigabeverfahren einschließlich des bestimmten Zielmarkts des Versicherungsprodukts verfügen. Darüber hinaus enthält die Delegierte Verordnung zu den Aufsichts- und Lenkungsanforderungen detaillierte Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren, das dort als „Produktgenehmigungsverfahren“ bezeichnet wird. Sie gelten unmittelbar und haben Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.
Vermeidung von Interessenkonflikten
Versicherer müssen zudem auf Dauer wirksame organisatorische und verwaltungsmäßige Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Interessenkonflikte den Kundeninteressen schaden (§ 48a Abs. 2 VAG). Auch Vermittler von Versicherungsanlageprodukten müssen gem. § 18 VersVermV angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden, die zwischen ihnen und den Versicherungsnehmern oder zwischen den Versicherungsnehmern auftreten können. Darüber hinaus enthält die Delegierte Verordnung zu den Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten detaillierte Vorschriften zum Umgang mit Interessenkonflikten. Sie gelten unmittelbar und haben Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.
Ergebnis der BaFin-Studie
In der Studie hat die BaFin deutsche Lebensversicherer nach den Effektivkosten und weiteren Informationen zur Kostenbelastung von Versicherungsanlageprodukten befragt. Die Effektivkosten der meistverkauften Fondspolicen lagen im Mittel bei 1,9%, teilweise auch deutlich höher bis oberhalb von 4%. Die dem jeweiligen Vertrag zugrunde liegenden Kapitalanlagen müssten also mindesten entsprechend hohe Renditen erzielen, damit die Kunden nicht ins Minus laufen. Insbesondere bei den überdurchschnittlich hohen Effektkosten sieht die BaFin Mängel im Produktfreigabeverfahren und potenzielle Interessenkonflikte im Vertrieb. Der Bund der Versicherten e. V. (BdV) hat ausgerechnet, dass eine Effektivkostenquote von 1,9% rechnerisch einen Abzug von 29,2% auf jeden eingezahlten Betrag bedeutet.
Darüber hinaus zahlen die KVGs bei etwa einem Drittel des Neugeschäfts Rückvergütungen an den jeweiligen Lebensversicherer oder an den Vermittler. Die Höhe der Rückvergütung liegt zwischen 0,3% und über 1,2% des Fondsguthabens. Bei etwa 80% der Versicherer werden die Rückvergütungen in Form spezieller Überschussanteile teilweise oder vollständig an die Versicherungsnehmer weitergegeben. Bei den restlichen 20% werden die Rückvergütungen nur in der versicherungstechnischen Ertragsrechnung verbucht und nur bei einem positiven übrigen Ergebnis auf der kollektiven Ebene des Bestands nach Maßgabe der Mindestzuführungsverordnung berücksichtigt. Bei etwa 19% des Neugeschäfts werden Rückvergütungen direkt an Vermittler gezahlt, im Mittel rund 0,5%.
Die Rückvergütung wird zwar bei der Berechnung der Effektivkosten gem. VVG-InfoV berücksichtigt. Sie zählen aber nicht zu den einkalkulierten Abschlusskosten, die als Gesamtbetrag mitzuteilen sind. Durch diese Intransparenz kann nach Ansicht der BaFin ein falscher Eindruck von der faktischen Gesamthöhe der Abschlusskosten entstehen. Sowohl bei Versicherern wie auch bei Vermittlern können durch die Rückvergütungen Interessenkonflikte entstehen: Bei Versicherern kann die Höhe der Rückvergütung die Fondsauswahl beeinflussen, bei den Vermittlern die Auswahl der Fondspolice.
Fazit
Versicherungsmaklern ist zu empfehlen, sich intensiv mit der Kostenbelastung von Fondspolicen zu befassen. Bei überdurchschnittlichen Kosten wird es im Streitfall schwierig, die Produktempfehlung mit fachlichen Kriterien zu begründen. Policen mit schlanken und transparenten Kostenstrukturen begründen dagegen ein langfristig erfolgreiches Geschäftsmodell. Auf jeden Fall ist zu klären, ob und in welchem Umfang Versicherer Rückvergütungen erhalten. Ist dies der Fall, sollten diese zu 100% an die Kunden weitergeleitet werden. Erhält ein Versicherer keine Rückvergütung, ist der Vermittler auf der sicheren Seite, wenn er darüber eine schriftliche Bestätigung hat. Rückvergütungen an Vermittler indizieren Interessenkonflikte und sollten deshalb gemieden oder zumindest offengelegt und an den Kunden weitergeleitet werden. Vor den genannten Hintergründen ist es auch kontraproduktiv, wenn Pools von Versicherern noch höhere Provisionen verlangen und/oder Geschäftsmodelle anbieten, bei denen für die – nicht regulierte – Vermittlung von Vermögensverwaltungen laufende Provisionen gezahlt werden, die letztlich den Kundennutzen schmälern. Die Aufsicht wird sich darum kümmern.
Über Hans-Ludger Sandkühler
Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.
Lesen Sie auch: Die Bedeutung von Ratings für Makler
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2025 und in unserem ePaper.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können