Die Entwicklung des Konstrukts Kapitalmarkt ist von so vielen Faktoren abhängig, dass es wohl utopisch wäre, diese in nur wenigen Seiten aufzulisten und zu analysieren. Und wenn man ehrlich ist: Die magische Glaskugel, mit der man die Entwicklung vorhersehen kann, wurde auch noch nicht erfunden.
Trotzdem schadet es nicht, gelegentlich Schätzungen zu Rate zu ziehen. Und eine solcher Schätzungen haben nun die Experten der Deutschen Bank veröffentlicht, mit ihrem Kapitalmarktausblick 2024. Der Ausblick gehen auf die wesentlichen Fragestellungen der Finanzwelt ein: Zinssenkungen, Inflation, Geopolitik, Konjunktur und die Renditeerwartungen der verschiedenen Anlageklassen.
Schwache Konjunktur
Die globale Wirtschaftsleistung dürfte im kommenden Jahr weiter ihr Wachstum verlangsamen, erwartet Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research. In der Eurozone erwarte die Deutsche Bank ein kleines Plus, in den USA hält die Deutsche Bank als Basisszenario an einer leichten Rezession im ersten Halbjahr 2024 fest. Das zuletzt stärker als erwartete Wachstum China werde nicht von Dauer sein, so Schneider.
Für 2024 prognostizieren die Experten ein Wachstum der US-Wirtschaft um 0,6%, die in der Eurozone soll um 0,2% wachsen. Und die Wachstumsprognose für Deutschland selbst? Die haben die Volkswirte nach dem Verfassungsgerichtsurteil nach unten korrigiert. Laut Schneider dürfte die wirtschaftspolitische Verunsicherung und Ausgabenkürzung das Wachstum 2024 um rund einen halben Prozentpunkt reduzieren, woraufhin das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr erneut leicht um 0,2% sinken dürfte.
Inflation und Zinsen sinken – allmählich
Noch eine „längere Zeit“ werde laut Deutsche Bank die Inflation von Sorge sein, warnt Schneider. Dauerhaft dürfte sie in den nächsten zwei Jahren nicht unter 2% sinken, trotz des zuletzt deutlichen Rückgangs. Dafür gebe es „viele Gründe“, darunter die langfristigen Folgen der expansiven Finanzpolitik, zu geringe Investitionen, der sich verschärfende Arbeitskräftemangel und die kostenintensive grüne Transformation der Wirtschaft.
Aufgrund der sinkenden Energiepreise gegenüber dem Vorjahr werde es kurzfristig noch Basiseffekte geben, von denen man profitieren könne. Die Deutsche Bank sehe daher die Inflationsrate Ende 2024 bei 1,8% in den USA und je 2,0% in der Eurozone und Deutschland. Und mit Zinssenkungen rechnet die Deutsche Bank etwa ab der Jahresmitte – anders als die Experten beim GDV-Chefökonomen-Talk (AssCompact berichtete: Konjunktur: Top-Ökonomen der Versicherer für 2024 skeptisch). In den USA würde der Leitzins 2024 um 175 Basispunkte von aktuell 5,25 bis 5,50% auf dann 3,50 bis 3,75% sinken, in der Eurozone werden Zinssenkungen um 100 Basispunkte erwartet. Der Einlagenzinssatz läge dann im Dezember 2024 bei 3,0%.
Hoffnung auf Aktien
In einem makroökonomischen Umfeld mit allgemein niedrigem Wirtschaftswachstum, einer sinkenden Inflation und niedrigeren Leitzinsen gehören Aktien zu den Anlageklassen, die 2024 gut laufen sollten, findet die Deutsche Bank. „Wir sehen ein Aufwärtspotenzial von knapp 10%, denn die Gewinne der Unternehmen dürften 2024 anziehen“, sagt Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank. Das Plus bei den Gewinnen dürfte in den USA, Europa und Japan im mittleren bis hohen einstelligen Bereich liegen, in den Schwellenländern sogar bei bis zu 10%. Es gebe aber Gegenwind durch weiter hohe Zinsen, Lohninflation und damit sinkenden Margen.
Neben US-Aktien, die u. a. durch die „Magnificent Seven“ weitere Gewinne versprechen, stehen auch Europa und Japan auf der Kaufliste. Europäische Aktien seien laut Stephan im historischen Vergleich und relativ zu anderen Märkten interessant bewertet. Sie dürften Kursgewinne und Dividenden bieten, die deutlich über den Anleiherenditen liegen. Der Dax im Speziellen dürfte Ende 2024 bei 16.600 Zählern stehen.
Gutes Jahr bei Anleihen voraus
Auch für festverzinsliche Wertpapiere dürfte es ein gutes Jahr werden, findet Stephan. Stabile oder leicht sinkende Zinsen böten attraktive Gesamtrenditeaussichten. „Wir erwarten eine mittlere bis hohe einstellige Rendite am Rentenmarkt. Die Experten der Deutschen Bank bevorzugen weiterhin europäische und amerikanische Unternehmensanleihen mit guter bis sehr guter Bonität („Investment Grade“) gegenüber Hochzinsanleihen („High Yield“) mit schwächerem Rating, deren Ausfallraten steigen dürften.
Geopolitische Krisen könnten derweil dazu führen, dass mehr Kapital in sichere Häfen fließt: „Das könnte bei US-Staats- und Bundesanleihen zu etwas niedrigeren Zinssätzen führen“, so Stephan. Insgesamt dürften die Renditen von Anleihen zurückgehen. Zwei- und zehnjährige Bundesanleihen sollten Ende 2024 mit 2,5% bzw. 2,7% verzinst sein, entsprechende US-Anleihen mit 3,95% und 4,20%. (mki)
Bild: © Supamit – stock.adobe.com
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