Die wirtschaftliche Gesamtlage hellt sich etwas auf. Und das, obwohl in China deutlich gegen das Regime und insbesondere dessen Null-Covid-Politik protestiert wird, die Kämpfe in der Ukraine mit unverminderter Härte weitergehen und die Energieversorgung Europas weiterhin auf wackeligen Beinen steht.
Hoffnung auf Zurückhaltung der Notenbanken
Die Hoffnungen für die konjunkturelle Erholung ruhen zu einem großen Teil auf einem Rückgang der Inflation und der damit verbundenen Hoffnung auf weniger drastisch steigende Leitzinsen der Notenbanken.
Inflation weiterhin zu hoch
François Rimeu, Senior Strategist beim Vermögensverwalter La Française AM, gießt in Bezug auf diese Hoffnung jedoch Wasser in den Wein. Denn auch wenn die Inflation zurückgehe, bleibe sie nach Einschätzung des Asset Managers zu hoch, als dass die Zentralbanken ihre Straffungspolitik einstellen könnten – zumindest in den kommenden Monaten.
Inflationsrückgang muss deutlicher ausfallen
La Française geht vielmehr davon aus, dass sich die finanziellen Bedingungen vorerst weiter verschärfen werden (Zinserhöhungen, quantitative Straffung), solange die Notenbanken keinen deutlichen Rückgang der Inflation oder eine starke Beeinträchtigung des Arbeitsmarktes feststellen.
Globale Rezession 2023 kaum zu vermeiden
Auch der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt, Vanguard, rechnet nicht damit, dass uns die Rezession erspart bleibt. Ganz im Gegenteil. Vanguard hält eine globale Rezession im Jahr 2023 für wahrscheinlich. Einen Jahrhundertabschwung sieht der Fondsriese jedoch nicht auf uns zukommen.
Kein dramatischer Abschwung zu erwarten
Die Arbeitslosenquoten würden voraussichtlich zwar steigen, sollten aber bei Weitem nicht das Niveau der Jahre 2008 und 2020 erreichen, so die Vanguard-Ökonomin Roxane Spitznagel. Der Abbau von Arbeitsplätzen gepaart mit einer rückläufigen Verbrauchernachfrage dürfte die Inflation im Jahr 2023 auch noch weiter sinken lassen.
Europa könnte USA outperformen
Die Musik in puncto Rendite werde in den kommenden Jahren laut Vanguard jedoch zur Abwechslung mal nicht in den USA spielen. Für in den Euroraum investierte Anlagen rechnet der Vermögensverwalter in den kommenden zehn Jahren mit einer Rendite von stolzen 4,9 bis 6,9% pro Jahr. Für globale Aktien abzüglich des Euroraums geht Vanguard hingegen nur von einer Rendite von 3,7 bis 5,7% p.a. aus.
Enttäuschung der Anleger vorprogrammiert
Mark Dowding vom Vermögensverwalter BlueBay AM blickt zweifelnd auf die aktuelle Rallye an den Kapitalmärkten. Seine Sorge bezieht sich darauf, dass der Ausblick auf eine weniger restriktive Geldpolitik verfrüht eingepreist wurde. Die Marktteilnehmer zeigten sich nach den ersten Entspannungssignalen aktuell so optimistisch, dass sie vom weiteren Vorgehen der Federal Reserve enttäuscht werden könnten.
Inflation unter 4% kaum möglich
Insbesondere die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale treibt Marktbeobachter um. So meint beispielsweise Benjamin Melman, der CIO des Vermögensverwalters Edmond de Rothschild AM, dass es schwer werden dürfte, die Inflation in den USA auf unter 4% zu drücken, wenn die Angestelltengehälter gleichzeitig um durchschnittlich 5% stiegen.
Renditeerwartungen mit viel Unsicherheit behaftet
Festzuhalten ist: Die Aussichten bleiben mit hohen Unsicherheiten belastet. Das bedeutet auch, dass das Pendel in beide Richtungen ausschlagen kann. Evan Brown, Leiter Multi-Asset Strategy beim Vermögensverwalter UBS AM, geht beispielsweise davon aus, dass die realen Renditen für ein klassisches 60–40-Portfolio in den nächsten beiden Jahren durchaus im hohen einstelligen Bereich liegen könnten. Gleichzeitig sei es jedoch auch nicht ausgeschlossen, dass sie im Falle einer tiefen Rezession oder Stagflation sogar negativ ausfielen.
Langfristig exzellente Renditeaussichten
Langfristig orientierte Anleger können sich jedoch aktuell zweifelsohne über niedrige Einstiegskurse freuen. Laut J.P. Morgan AM sind die Ertragsaussichten sogar so gut wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr.
7,2% p.a. sind drin
Nach den marktübergreifenden Verwerfungen an den globalen Kapitalmärkten mit der größten Korrektur der Anleihemärkte seit 50 Jahren stimme der mittel- bis langfristige Ausblick wieder hoffnungsvoll. Für ein 60–40-Mischportfolio in Euro prognostiziert J.P. Morgan eine Rendite von 5,1% p.a. Für ein Portfolio in US-Dollar steigt die Prognose des Vermögensverwalters sogar auf beeindruckende 7,2% p.a. (tku)
Bild: © Leo Lintang – stock.adobe.com
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