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8. August 2024
Kfz-Versicherung: BGH entscheidet über Umsatzsteuer bei Wertverlust

Kfz-Versicherung: BGH entscheidet über Umsatzsteuer bei Wertverlust

Umsatzsteuer beim merkantilen Minderwert: Der BGH hat entschieden, dass bei der Berechnung des Wertverlusts eines unfallbeschädigten Fahrzeugs die Nettoverkaufspreise maßgeblich sind. Ein Abzug des „Umsatzsteueranteils“ ist erforderlich, wenn Bruttoverkaufspreise verwendet wurden.

Wer im Segment der Kfz-Versicherung tätig ist, kennt den merkantilen Minderwert. Er besagt den Wertverlust eines Unfallfahrzeugs trotz ordnungsgemäßer Instandsetzung und fachgerechter Reparatur. Denn in den Augen potenzieller Käufer verliert ein solches Unfallfahrzeug häufig an Wert gegenüber einem unfallfreien Fahrzeug. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ist verpflichtet, den merkantilen Minderwert des geschädigten Fahrzeugs zu ersetzen. Doch was ist mit der Umsatzsteuer? Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) Mitte Juli entschieden.

Das Urteil besagt, dass der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs in jedem Fall ausgehend von Netto- und nicht von Bruttoverkaufspreisen zu schätzen ist. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag vom Minderwert abzuziehen.

Ist vom merkantilen Minderwert ein Umsatzsteueranteil abzuziehen?

Worum ging es bei dem Fall? Bei einem Verkehrsunfall wurde ein (geleastes) Fahrzeug erheblich beschädigt. Die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers war unstrittig. Zum Unfall kam es, als der Versicherungsnehmer der Beklagten aus Unachtsamkeit das geparkte Fahrzeug der Klägerseite angefahren hat. Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren und forderte den entsprechenden Schadenersatz vom Versicherer ein. Dabei machte sie unter anderem einen merkantilen Minderwert in Höhe von 1.250 Euro geltend. Der Versicherer zahlte jedoch lediglich 700 Euro. Daraufhin verlangte die Klägerin die Zahlung des Restbetrags an die Leasinggesellschaft. Zwischen den Parteien bestand Uneinigkeit darüber, ob vom merkantilen Minderwert ein „Umsatzsteueranteil“ abzuziehen sei.

Zunächst hat das zuständige Amtsgericht der Klage überwiegend stattgegeben. In der nächsten Instanz hat das Landgericht auf die Berufung des Versicherers das Urteil des Amtsgerichts in Höhe von 300 Euro aufrechterhalten. Es hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und auf dieser Grundlage angenommen, dass ein merkantiler Minderwert von insgesamt 1.000 Euro anzusetzen sei, weshalb die Beklagte weitere 300 Euro zu zahlen habe. Ein „Umsatzsteueranteil“ sei vom Minderwert also nicht abzuziehen, so die Entscheidung. Dagegen ging der Versicherer in Berufung und der Fall ging vor den BGH, wo die Revision des Versicherers Erfolg hatte.

In der Entscheidung heißt es: Der Ersatz des merkantilen Minderwerts als solcher unterliegt nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, da es sich bei dem zu zahlenden Schadenersatz (§ 251 Abs. 1 BGB) nicht um eine Leistung gegen Entgelt handelt.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist vom merkantilen Minderwert für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abzuziehen. Ob das Landgericht im Streitfall den Minderwert ausgehend von Brutto- oder Nettoverkaufspreisen geschätzt hat, stand nicht fest.

Was bedeutet Bezug auf den Nettoverkaufspreis?

Insofern geht der BGH darauf ein, was der Minderwert einerseits ausgehend vom Brutto- und andererseits vom Nettoverkaufspreis bedeutet. Zum Nettoverkaufspreis erklärt der BGH:

Zur Bemessung des Minderwerts wird geschätzt, um wie viel geringer der erzielbare Verkaufspreis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne den Unfall wäre. Diese Wertdifferenz ist unabhängig davon zu ersetzen, ob der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur verkauft oder behält.

Bei der Schätzung des Minderwerts ist aus Rechtsgründen auf die jeweiligen Nettoverkaufspreise abzustellen. Denn wenn es sich bei dem der Schätzung des merkantilen Minderwerts zugrunde zu legenden hypothetischen Verkauf um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung eines Unternehmers handelt, würde der Geschädigte zwar zusätzlich zum Nettoverkaufspreis die darauf entfallende Umsatzsteuer erhalten, müsste sie aber an das Finanzamt abführen. Sie wäre bei ihm nur ein durchlaufender Posten. Unterliegt der gedachte Verkauf hingegen nicht der Umsatzsteuer (beim Verkauf „von privat“), dürfte dem Käufer schon gar keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden.

Was bedeutet der Bezug auf den Bruttoverkaufspreis?

Des Weiteren erläutert der BGH: Wurde der merkantile Minderwert ausgehend von Bruttoverkaufspreisen geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abgezogen wird. Andernfalls käme es zu einer Bereicherung des Geschädigten. Eine andere – nicht rechtliche, sondern tatsächliche – Frage ist es, welche Preise eine Privatperson bei einem Verkauf erzielen würde, insbesondere, ob diese Preise, obwohl es Nettopreise sind, betragsmäßig an die von Unternehmern erzielbaren Bruttopreise heranreichen würden.

Fall geht zurück zum Landgericht

Der Fall muss nun vom Landgericht unter den vom BGH entschiedenen Prämissen neu verhandelt werden. Der BGH weist noch daraufhin, dass er in drei weiteren Verfahren (Az: VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 243/23) in dieser Frage ebenso entschieden hat.

BGH, Urteil vom 16.07.2024 – Az. VI ZR 188/22

Vorinstanzen:

AG Neu-Ulm, Urteil vom 24.03.2021 – Az. 5 C 1111/20

LG Memmingen, Urteil vom 25.05.2022 – 13 S 691/21

 

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