Jedes Jahr veröffentlicht das Marktforschungsinstitut GfK, kurz „Growth from Knowledge“, eine Studie zur zu erwartenden Kaufkraft der deutschen Bundesbürger – so auch für 2023. Die Berichte in den vergangenen Monaten zur sinkenden Kaufkraft, die in den deutschen Haushalten u. a. aufgrund der gestiegenen Energiepreise und der Inflation Einzug hält, würden vermuten lassen, dass sich der Trend 2023 fortsetzt.
Doch der Schein trügt: Auch wenn der Sprung (voraussichtlich) geringer sein wird als 2022, so soll auch in diesem Jahr die Kaufkraft der deutschen Haushalte steigen. Für einen Ausgleich der Inflationsrate werde der Anstieg allerdings, so GfK, nicht reichen.
Kaufkraft in Deutschland steigt
Für 2023 prognostiziert GfK eine Kaufkraftsumme von 2.186,7 Mrd. Euro für Gesamtdeutschland. Pro Kopf entspreche dies, basierend auf der revidierten Vorjahresprognose, nominal 3,3% oder 842 Euro mehr als 2022. Absolut gesehen also: eine durchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft von 26.271 Euro, die den Deutschen 2023 für Konsumausgaben, Wohnen, Freizeit oder Sparen zur Verfügung stehen.
Mit Kaufkraft ist das nominal verfügbare Nettoeinkommen der Bevölkerung inklusive staatlicher Transferzahlungen wie Renten, Arbeitslosen- und Kindergeld. Was jedoch real vom nominalen Kaufkraftzuwachs für die Ausgaben der Bürger übrig bleibt, ist laut GfK nicht in Stein gemeißelt, sondern hängt von der Entwicklung der Verbraucher 2023 ab.
Inflation verpasst Kaufkraft einen Dämpfer
Viel sehen werden die Deutschen aber „nicht wirklich“ etwas im Geldbeutel, sagt Filip Vojtech, GfK-Einzelhandelsexperte im Bereich Geomarketing. Die Verbraucherpreise würden, bedingt durch den Ukraine-Krieg und weiterhin anhaltende Produktions- und Lieferengpässe, weiter steigen. Es sei zu erwarten, dass die Inflationsrate erst ab 2024 langsam wieder auf das von der Europäischen Zentralbank angestrebte Ziel von 2% zurückgehen werde. 2023 werden die Deutschen möglicherweise, so Vojtech, auf größere Anschaffungen verzichten und stattdessen mehr Geld für schlechte Zeiten beiseitelegen.
Regionale Kaufkraftverteilung
Beim Vergleich der Kaufkraft unter den Bundesländern liegt Bayern, wie in den Vorjahren, ganz vorne. Der Freistaat hat eine Pro-Kopf-Kaufkraft von 28.453 Euro vorzuweisen. Damit liegt er 8% über dem Bundesdurchschnitt. Baden-Württemberg schiebt sich erstmals an Hamburg vorbei auf Platz 2. Dort stehen den Menschen 28.125 Euro pro Kopf für ihre Ausgaben und zum Sparen zur Verfügung. Berlin und Saarland tauschen 2023 die Ränge 10 und 11, Sachsen und Bremen die Ränge 12 und 13.
Wie in den Vorjahren sind es auch dieses Jahr wieder nur vier Bundesländer, nämlich Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen, die eine überdurchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft haben. In drei Vierteln der bundesländer ist das Ausgabepotenzial in der landesweiten Betrachtung unterdurchschnittlich. Aber: Vor allem die neuen Bundesländer verzeichnen die größten Kaufkraftzuwächse – die Kaufkraftschere schließt sich also langsam, meldet GfK. Schlusslicht ist wie schon in den Vorjahren Mecklenburg-Vorpommern, wo den Menschen im Schnitt 23.213 Euro und damit etwas mehr als 88% des landesweiten durchschnitts zur Verfügung stehen.
Kaufkraft in den Stadt- und Landkreisen
Die Städte und Landkreise sind passenderweise bayerisch dominiert. Mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 36.866 Euro liegt der Spitzenreiter Landkreis Starnberg mehr als 40% über dem Bundesdurchschnitt. Auf Platz 2 liegt der Landkreis München mit 35.326 Euro pro Person. Neu in den Top 3 ist der Landkreis Ebersberg, der mit einem Ausgabepotenzial von 33.865 Euro pro Kopf zwei Ränge nach oben klettert. Der Stadtkreis München wird um einen Platz nach hinten auf Rang 4 verdrängt, der Landkreis Hochtaunuskreis liegt auf Platz 5.
Neu in diesem Jahr ist der Landkreis Erlangen-Höchstadt mit Platz 9 unter den Top 10 angekommen, der Stadtkreis Erlangen wird auf Platz 12 verdrängt. Schlusslicht des Kaufkraftvergleichs bei den Städten und Landkreisen ist Gelsenkirchen mit einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 20.862 Euro – 20% unter dem Landesdurchschnitt.
Einwohnerstarke Stadtkreise
Die 25 einwohnerstärksten Stadtkreise vereinen mehr als 21% der Gesamtkaufkraft Deutschlands. Das bedeute allerdings nicht, so GfK, dass alle deutschen Großstädte auch ein überdurchschnittliches Kaufkraftniveau aufweisen. Berlin ist mit Abstand die einwohnerstärkste Stadt Deutschlands und belegt den ersten Platz des Rankings nach Kaufkraftsumme. Bei der Pro-Kopf-Kaufkraft allerdings liegt die Hauptstadt 6% unter dem deutschen Durchschnitt.
Auch Leipzig, Dortmund, Bremen, Dresden und Essen gehören zu den Städten mit den meisten Einwohnern, haben aber Pro-Kopf-Werte, die 5 bis 10% unter dem Bundesdurchschnitt liegen. München und Düsseldorf hingegen haben neben einer hohen Kaufkraftsumme auch ein überdurchschnittliches Ausgabepotenzial pro Kopf, das 29 bzw. 15% über dem landesweiten Schnitt liegt.
Kaufkraftdichte: Hohes Potenzial auf kleinem Raum
Die einwohnerstarken Städte und insbesondere die großen Metropolregionen stellen für Dienstleister und Einzelhändler „unverzichtbare Zielmärkte“ dar, wie laut GfK ein Blick auf die Kaufkraftsummen zeigt. In Metropolen wie Berlin, Hamburg und München, aber auch in Nürnberg, im Ruhrgebiet, dem Großraum Stuttgart und Frankfurt/Main sei die Kaufkraftdichte, also die verfügbare Kaufkraftsumme in Millionen Euro je Quadratkilometer, sehr hoch. Für Unternehmen sei sie somit ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl, wo sie mit einer gezielten Kundenansprache auf kleinstem Raum viel Kaufkraftpotenzial mobilisieren können.
Über die Studie
Die GfK Kaufkraft ist definiert als die Summe aller Nettoeinkünfte der Bevölkerung, bezogen auf den Wohnort. Neben dem Nettoeinkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit werden ebenso Kapitaleinkünfte und staatliche Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld und Renten zur Kaufkraft hinzugerechnet. Von diesem verfügbaren Einkommen sind allerdings noch nicht die Ausgaben für Lebenshaltungskosten, Versicherungen, Miete und Nebenkosten wie Gasoder Strom, Bekleidung oder das Sparen abgezogen.
Folglich bedeutet ein nominaler Anstieg der Kaufkraft nicht zwangsläufig, dass jedem Einzelnen realmehr Geld für den Konsum zur Verfügung steht, falls die aufgeführten Ausgaben stärker ansteigen. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass die Kaufkraft einer Region ein Durchschnittswert der dort lebenden Bevölkerung ist und nichts über die Kaufkraft einzelner Individuen, die Kaufkraft je Haushalt oder über die dahinter liegende Einkommensverteilung und damit die Schere zwischen„arm“ und „reich“ aussagt.
Basis der Berechnung sind, neben der Lohn- und Einkommenssteuerstatistik, einschlägige Statistiken zur Berechnung der staatlichen Leistungen sowie Prognosewerte der Wirtschaftsinstitute. GfK stellt die detaillierte Prognose für das neue Jahr jeweils im Januar fertig. Die GfK-Kaufkraftdaten sind ab dann verfügbar für alle deutschen Stadt- und Landkreise sowie alle Gemeinden und Postleitzahlgebiete. Die Kaufkraftdaten auf Ebene der Straßenabschnitte werden in der zweiten Jahreshälfte aktualisiert.
Grafiken: GfK, Studie zur Kaufkraft in Deutschland 2023
Bild: © kunakorn – stock.adobe.com
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