Die sogenannte Aufklärungsobliegenheit verpflichtet Geschädigte, alles zu tun, was der Sachaufklärung und Schadensminderung im Versicherungsfall dienlich ist. Flüchtet ein Unfallverursacher vom Unfallort, kommt er seiner Aufklärungsobliegenheit nicht nach. Da hilft es auch nicht, wenn er behauptet, dass er sich an nichts erinnern kann. So sah dies das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) in einem Urteil.
Unfall mit vollkaskoversichertem Auto
In dem Rechtsstreit ging es um die Eintrittspflicht eines Versicherers aus einer Fahrzeug-Vollkaskoversicherung. Der Kläger erlitt mit seinem versicherten Fahrzeug einen Unfall. Im Rahmen des gegen ihn wegen des Verdachts der Unfallflucht und der Gefährdung des Straßenverkehrs eingeleiteten Strafverfahrens wurde festgestellt, dass der Kläger aufgrund unangepasster Geschwindigkeit und ungenügenden Sicherheitsabstandes auf ein Fahrzeug aufgefahren war, die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und mit der Mittelleitplanke kollidierte, wo sein Fahrzeug erheblich beschädigt zum Stehen kam.
Leere Bierkästen und Tablettenpackungen am Unfallort
Der Kläger verließ die Unfallstelle nach dem Unfall und wurde weder von den Geschädigten noch von der Polizei dort angetroffen. Im Fahrzeug des Klägers wurden ein leerer Bierkasten und eine leere Tablettenpackung im Fußraum aufgefunden, im Bereich der Mittelleitplanke ein weiterer leerer Bierkasten und darin die Geldbörse des Klägers. Am anderen Morgen ging der Mann zu einem Arzt und gab an, dass er am Vorabend wohl in einen Unfall verwickelt war, „panikartig aus dem Fahrzeug geflüchtet und querfeldein gelaufen“ sei. An mehr könne er sich nicht erinnern. Der Arzt diagnostizierte einen „posttraumatischen psychischen Schock mit Erinnerungslücken“ und ein paar Prellungen.
Da der Unfallverursacher eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hatte, verlangte er von seinem Versicherer die Erstattung des Fahrzeugschadens in Höhe von knapp 10.000 Euro. Diese wollte der Versicherer nicht übernehmen, da der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit und unzureichendem Sicherheitsabstand gefahren sei. Außerdem hat sie sich in Ansehung der geltend gemachten Zahlungsansprüche auf ihre Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher und arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen. Der Mann habe den Unfallort verlassen und nichts zur Aufklärung des Falls beigetragen. Daraufhin reichte der Autofahrer Klage ein und bekam tatsächlich Unterstützung vom Landgericht. Im Berufungsverfahren sah dies das Saarländische OLG aber anders.
Verstoß gegen vertragliche Aufklärungsobliegenheit
Der Kläger habe – unzweifelhaft – gegen seine vertragliche Aufklärungsobliegenheit verstoßen, indem er sich unmittelbar nach Eintritt des Versicherungsfalles vom Unfallort entfernte, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Zudem sah das Gericht die vom Kläger behauptete fehlende Zurechnungsfähigkeit nicht als bewiesen an. Es war nicht überzeugt, dass der Kläger beim Verlassen der Unfallstelle nicht einsichts- und schuldfähig gewesen sei. Der Befund des Arztes eines posttraumatischen Schocks basiere nur auf den Schilderungen des Fahrers.
Die Masche des Fahrers der „Null Erinnerung“ hat bei dem Berufungsgericht also nicht gezogen. Der Versicherer musste in dem Fall folglich nicht leisten.
Saarländisches OLG, Urteil vom 31.07.2024 – Az: 5 U 102/23
Vorinstanz: LG Saarbrücken, Urteil vom 08.09.2023 – Az: 14 O 402/20
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