Betriebsbedingte Kündigungen sind für Arbeitgeber eine heikle Angelegenheit. Dabei muss der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers nämlich soziale Gesichtspunkte als Entscheidungskriterium heranziehen. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Sozialauswahl. Kriterien der Sozialauswahl sind zum Beispiel die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung. Doch wie sieht aus mit der Rentennähe eines Arbeitnehmers als Auswahlkriterium? Damit hat sich nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigt.
Klägerin ist wegen zeitnaher Altersrente nur wenig schutzwürdig
Geklagt hatte eine im Jahr 1957 geborene Frau, welcher der Insolvenzverwalter ihres Arbeitgebers unter anderem wegen ihrer Rentennähe gekündigt hatte. Sie gehörte zu 61 von 396 Beschäftigten, die auf einer Namensliste zu kündigender Arbeitnehmer standen. Der beklagte Insolvenzverwalter vertrat allerdings die Ansicht, die Frau sei in ihrer Vergleichsgruppe sozial am wenigsten schutzwürdig. Sie hätte nämlich die Möglichkeit, zeitnah im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis eine Altersrente für besonders langjährig Beschäftigte zu beziehen. Die Klägerin hingegen hielt die Kündigung für unwirksam und reichte Klage ein. Vor dem erstinstanzlichen Arbeitsgericht sowie auch vor dem Landesarbeitsgericht Hamm hatte die Frau mit ihrer Kündigungsschutzklage Erfolg. Daraufhin legte die Gegenseite Revision beim BAG ein.
BAG: Lebensalter ist ein ambivalentes Kriterium
Und das BAG entschied zugunsten des beklagten Insolvenzverwalters. Nach Auffassung der Richter sei das Auswahlkriterium „Lebensalter“ ambivalent. Zwar nehme die soziale Schutzbedürftigkeit zunächst mit steigendem Lebensalter zu, weil lebensältere Arbeitnehmer nach wie vor typischerweise schlechtere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Sie falle aber wieder ab, wenn der Arbeitnehmer entweder spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Rente wegen Alters verfügen könne oder über ein solches bereits verfüge, weil er eine abschlagsfreie Rente wegen Alters beziehe. Diese Umstände können der Arbeitgeber bzw. die Betriebsparteien bei dem Auswahlkriterium „Lebensalter“ zum Nachteil des Arbeitnehmers also berücksichtigen. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen dürfe nicht berücksichtigt werden, so die Richter am BAG. (as)
BAG, Urteil vom 08.12.2022, Az. 6 AZR 31/22
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