Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg
Das Landgericht (LG) Bremen hatte über einen Fall (vgl. LG Bremen vom 11.07.2023, Az. 9 O 1081/22) zu entscheiden, bei dem ein Versicherungsmakler auf seiner Website als Anlageberater, Versicherungsmakler mit Erlaubnis nach §§ 34c, 34d und 34f Gewerbeordnung (GewO) sowie dem Angebot bundesweiter und produktunabhängiger Beratung warb. Das LG Köln und nachfolgend das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatten über einen Sachverhalt (LG Köln vom 15.06.2023, Az. 33 O 15/23; OLG Köln, Az. 6 U 103/23) zu entscheiden, bei dem der verklagte Versicherungsmakler auf seiner Website sowohl eine Versicherungsvermittlung als auch eine Versicherungsberatung anbot, ohne aber wohl über die gewerberechtliche Erlaubnis eines Versicherungsberaters zu verfügen.
Das LG Bremen vertrat die Rechtsauffassung, unter Berücksichtigung des sich aus § 94 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ergebenden Rechtsgedankens könne eine „Unabhängigkeit“ nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO nur im Falle des Honorar-Anlageberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden. Nur dieser könne sich auch als unabhängig bezeichnen. Unabhängigkeit aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bedeute, dass der Vermittler nicht in einer vertraglichen Beziehung zu den Anbietern der Anlagen bzw. Versicherungen stehe. Der angesprochene Verkehr von Anlegern habe die Erwartung, dass derjenige, der produktunabhängig bzw. unabhängig berate, dies unabhängig von etwaigen Provisionen oder anderen Zuwendungen der Anbieter erledige.
Das OLG Köln führt in seinem Urteil wiederum aus, der Versicherungsmakler sei zwar im Einzelfall für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter anzusehen und insoweit mit sonstigen Beratern zu vergleichen, generiere sein Einkommen aber in erster Linie über Zahlungen der Versicherer. Er sei „grundsätzlich mit der Versicherungswirtschaft finanziell verflochten“. Der Versicherungsvermittler dürfe sich daher nicht als unabhängiger Berater vorstellen. Wer sich für den Beruf des Versicherungsvermittlers in Form des Versicherungsmaklers entscheide, dürfe nicht auch Leistungen als Versicherungsberater anbieten.
Differenzierungen und Missverständnisse
Dem OLG Köln ist insoweit zuzustimmen, als das in der Gewerbeordnung und § 59 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zum Ausdruck kommende Polarisationsprinzip nicht nur einer Vermischung der Vermittlertypen Versicherungsvertreter/Versicherungsmakler entgegensteht, sondern auch der Vermischung zwischen einem Versicherungsvermittler einerseits und einem Versicherungsberater andererseits. Auch wenn sich aus Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 ergibt, dass auch die reine Beratung ohne Vermittlung unter den Begriff der Versicherungsvermittlung fällt, bleibt festzuhalten, dass jedenfalls der deutsche Gesetzgeber zwischen dem Versicherungsvermittler und dem Versicherungsberater in §§ 34d Abs. 1 und 2 GewO, 59 Abs. 1 und Abs. 4 VVG unterscheidet. Vor diesem Hintergrund muss sich der Gewerbetreibende in der Tat auch im Außenverhältnis entscheiden, ob er als Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater tätig sein will, und seine Tätigkeit entsprechend der so getroffenen Entscheidung bewerben.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Versicherungsmakler im Rahmen seiner Tätigkeit auch beratend tätig sein darf bzw. sogar muss und ob er sich als unabhängiger Versicherungsmakler bezeichnen darf.
Hier scheinen das LG Bremen und das OLG Köln die Auffassung zu vertreten, wer auf Courtagebasis vermittle, berate nicht unabhängig. Der Versicherungsmakler sei sogar wirtschaftlich mit der Versicherungswirtschaft „verflochten“, was immer das heißen soll. Dies überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Zum einen ist zwischen der Ungebundenheit eines Versicherungsmaklers und dessen Unabhängigkeit zu unterscheiden. Es ist außerdem durchaus diskutabel, ob der Nachfrager von Versicherungsschutz mit dem Begriff der Unabhängigkeit tatsächlich die Vorstellung verbindet, dass der Versicherungsmakler keinerlei Vergütung vom Versicherer erhält, zumal sehr viele Versicherungsmakler ihre Kunden darauf hinweisen, dass sie in Form einer Courtage durch den Versicherer vergütet werden, die wirtschaftlich über die Versicherungsprämie vom Versicherungsnehmer zu zahlen ist.
Auf Basis welcher tatsächlichen Feststellungen die Landgerichte in Bremen und Köln zu der Feststellung gelangt sind, dass der Versicherungsnehmer den Begriff der Unabhängigkeit stets mit der Frage der Vergütung verknüpft und nicht etwa mit der Frage des Gebundenseins an einen oder mehrere Versicherer, bleibt unklar. Wahrscheinlicher ist wohl, dass der Nachfrager von Versicherungsschutz die „Unabhängigkeit“ eher mit einer „Ungebundenheit“ verbindet und für ihn entscheidend ist, ob der Versicherungsvermittler aufgrund vertraglicher Bemühenspflichten durch einen Versicherer gesteuert wird. Auch schwingt bei der Verknüpfung der Vergütungsform mit der „Unabhängigkeit“ immer der nicht offen ausgesprochene Vorwurf mit, der Versicherungsmakler werde sich in seiner Vermittlungsentscheidung primär oder gar ausschließlich von seinem Vergütungsinteresse leiten lassen. Belege hierfür fehlen nach wie vor.
Herausforderungen für Versicherungsmakler
Der Erhalt einer Courtage durch den Versicherer, die wirtschaftlich ohnehin vom Versicherungsnehmer zu tragen ist, steht somit der Unabhängigkeit eines Versicherungsmaklers keineswegs entgegen, wenn dieser tatsächlich ungebunden ist. Gleichwohl werden sich Versicherungsmakler darauf einzustellen haben, dass die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche bei Werbung mit dem Begriff „unabhängig“ auch in Zukunft droht. Es wird vor diesem Hintergrund erforderlich sein, zum einen das eigene Geschäftsmodell daraufhin zu überprüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit auch den gewerberechtlichen Anforderungen standhält, die an den Versicherungsmakler gestellt werden. Zum anderen sollte überprüft werden, ob das Werben mit der Ungebundenheit möglicherweise streitvermeidender ist als das Werben mit der Unabhängigkeit, zumal auch Mehrfachvertreter zum Teil mit ihrer Unabhängigkeit werben.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Jeanette Dietl – stock.adobe.com
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