Zu den größten Verlierern im DAX zählte 2022 der Immobilienriese Vonovia. Die Aktie sank in etwas über einem Jahr von circa 50 Euro auf zeitweise unter 16 Euro und hat sich bei 18 Euro eingependelt. Damit steht Vonovia als besonders drastisches Beispiel für das Schicksal, das die meisten Immobilienaktien gerade durchstehen: Die Kurse sind überproportional stark zur Gesamtmarktperformance gefallen.
Der Grund ist naheliegend: Immobilieninvestments sind kapitalintensive Unterfangen, die Abhängigkeit von Finanzierungen ist entsprechend hoch. Auch wenn sich nichts an den Geschäftsmodellen der Immobilienkonzerne geändert hat, tragen die Leitzinserhöhungen ihre Früchte: Die Kursverläufe von Immobilienaktien sind quasi invers zum Anstieg der Zinsen. Auch wenn Vonovia das Extrembeispiel für diese Entwicklung ist, ergeht es anderen Branchenteilnehmern ähnlich. Die erhöhten Finanzierungskosten setzen den Immobiliensektor unter Druck, insbesondere Projektentwickler leiden am Zinsumfeld. Hinzu kommt der durch die Zinsen implizierte Abwertungsdruck im gewerblichen Bereich.
Immobilienfonds weisen niedrigere Abwertungen auf
Vergleicht man die Situation von Immobilienaktien mit der von offenen Immobilienfonds, fällt auf, dass auch hier die Fondsanteile Kurskorrekturen durchlebt haben, wenn auch ungleich geringere als bei den Immobilienaktien. Betrachtet man etwa den hausInvest von der Commerzbank-Tochter Commerz Real, einen der größten offenen Immobilienpublikumsfonds in Deutschland, fielen die Anteile deutlich weniger stark als die Aktien der Vonovia AG. Lediglich um etwa 7% Prozent seit Jahresanfang ging der Kurs des hausInvest an der Börse zurück. Der offizielle Rücknahmekurs ist dagegen in den vergangenen anderthalb Jahren sogar um fast 4% gestiegen. Wie kann das sein?
Wie der Zufall so will: 7% beträgt auch der Abschlag des unbereinigten, offiziell berichteten Inventarwerts der Vonovia in den fünf Quartalen zum 31.03.2023. 7% ist allerdings nicht der Rückgang des Vonovia-Aktienkurses. Zieht man wieder die Zinssteigerungen als Erklärung heran, und die sind für Vonovia tatsächlich eine Herausforderung, muss das Bochumer Unternehmen in den kommenden acht Jahren im Schnitt fast 4 Mrd. Euro pro Jahr refinanzieren. Was zunächst astronomisch anmutet, relativiert sich sehr schnell: Steigen die Zinsen in einem angenommenen Szenario in jeder Refinanzierungsrunde um vier Prozentpunkte, belaufen sich die Mehrkosten auf 160 Mio. Euro pro Jahr – oder 20 Euro-Cent je Aktie. Nur zum Vergleich: Abzüglich der Verbindlichkeiten beläuft sich der Verkehrswert des Immobilienbestands auf ziemlich genau 60 Euro je Aktie – mehr als das Dreifache des aktuellen Kurses.
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