Quantitative Argumente für eine Koexistenz von Provision und Honorar
Prof. Ruß und sein Team haben also im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater e. V. eine Studie angefertigt, um zu untersuchen, für welche Typen von Verbrauchern welche Form der Beratungsvergütung kostengünstiger ist. Hierzu wurden quantitative Analysen anhand verschiedener Vergütungsmodelle durchgeführt und jeweils die Beitragshöhe ermittelt, unterhalb der eine provisionsbasierte Beratung günstiger ist als eine Honorarberatung.
Hier habe sich deutlich ergeben, dass für Verbraucher, die regelmäßig eher kleine Summen sparen (die also im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie besondere Beachtung erhalten müssten) provisionsbasierte Modelle meist kostengünstiger seien als Honorarmodelle. Bei monatlichen Sparraten von unter 100 Euro schneide ein Verbraucher stets günstiger ab. Bei in der Altersvorsorge typischen Vertragslaufzeiten von 20 bzw. 30 Jahren sei das Provisionsmodell sogar bis zu einem monatlichen Beitrag von 186 bzw. 129 Euro günstiger.
Es sei also erstrebenswert, dass Provisionsberatung und Honorarberatung miteinander existieren, finden die Studienautoren – selbst wenn man ausschließlich mit Kosten der Beratung argumentiere und alle anderen Argumente außer Acht lässt. Die Behauptung, dass ein Modell stets dem anderen Modell überlegen sei, sei „schlicht unsinnig“.
Die Studie Provisionsverbot und Kleinanlegerstrategie auf der Website des ifa Ulm frei zum Download verfügbar.
Zeidler und Schwintowski appellieren zum Schulterschluss
Auch die beiden Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski und Prof. Dr. Hans-Wilhelm Zeidler wandten sich in einem offenen Brief an die Branche. Für sie sei ein vollständiger Systemwechsel von der freien Wahl zwischen Honorar und Provision hin zum Zwang zur Honorarberatung eine Entmündigung der Verbraucher. Nicht nur würde solch ein Wechsel viele Kollateralschäden bringen, sondern er wäre auch überflüssig. Denn die in den letzten Jahren entstandenen DIN-Normen für eine unternehmensübergreifende, objektive und neutrale Finanzanalyse von Privathaushalten und zur Risikoprofilierung von Privatanlegern seien bestens geeignet, Fehlanreize und Interessenkonflikte weitestgehend aus der Finanzberatung zu eliminieren.
So stelle zum Beispiel die DIN-Norm 77230 "Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte" die kundenindividuell als relevant ermittelten Finanzthemen in eine feste, wissenschaftlich fundierte und nicht von Vertrieben oder Beratern manipulierbare Rangfolge. Aktuell sei diese Norm auf dem Weg von einer deutschen zur europäischen Norm. Ein Provisionsverbot wäre dann in absehbarer Zeit auch für die anderen europäischen Staaten obsolet, so Zeidler und Schwintewski. Sie appellieren daher, den Schulterschluss aller beratend Tätigen zu suchen und auf Mitgliedsunternehmen und Mitarbeitende einzuwirken, dass sie sich durch die aktive Umsetzung der vorhandenen DIN-Normen für Verlässlichkeit und konsequente Kundenorientierung und damit gegen Fehlanreize in der Finanzberatung positionieren und so ein starkes Signal gegen die Sinnhaftigkeit eines Provisionsverbots setzen können. (mki)
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