Ein Interview mit Franziska Geusen, Geschäftsführerin der Hans John Versicherungsmakler GmbH
Hallo, Franziska. Dein Unternehmen, die Hans John Versicherungsmakler GmbH, ist ein Spezialmakler für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (VSH). Für welche Fehler im Maklerbüro muss die VSH denn am häufigsten einspringen?
Wir müssen hier differenzieren zwischen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlung. Bei Finanzanlagen werden die Makler in Anspruch genommen, wenn die Anlage nicht das hält, was der Kunde sich erhofft hat. Die höchste Schadenfrequenz gibt es tatsächlich bei den Skandalen, die man kennt: P&R, PIM Gold etc. Die Kunden versuchen in derartigen Situationen, ihr Geld mit allen Mitteln zurückzubekommen, und oft gerät dann leider auch der Vermittler ins Visier – ob dieser in dem konkreten Fall gut beraten hat oder nicht, steht dann zunächst gar nicht mehr im Fokus.
In der Versicherungsvermittlung sind die Schadenszenarien sehr unterschiedlich. Häufig geht es darum, dass etwas nicht richtig versichert wurde. Zum Beispiel ein Wohngebäude, das unterversichert ist oder gegen eine typische Gefahr wie Überschwemmung nicht abgesichert wurde. Was sich bei den Immobiliardarlehensvermittlern derzeit stark häuft, sind vermeintliche Fehler bei der Beantragung von Förderungen, beispielsweise KfW-Förderungen.
Und wie sieht es da jeweils mit den Schadensummen aus? Wie stark variieren die?
Bei den Anlagenvermittlern kommt es immer auf die Anlagesumme an. Im niedrigen Bereich liegt sie erfahrungsgemäß bei 10.000 bis 15.000 Euro, bei Wohnanlagen können dann auch mal Beträge von 150.000 Euro im Raum stehen.
Bei den Versicherungsmaklern ist die Bandbreite der Schadensumme extrem. Hier gibt es sehr viele Schadenfälle, die unter 10.000 Euro liegen. Bei vielen wird ein Vergleich geschlossen und der Makler zahlt seinen Selbstbehalt, wenn es denn einen gibt. Aber natürlich gibt es auch extreme Schadenfälle im Millionenbereich, zum Beispiel bei Personenschäden oder wenn, wie zuvor angedeutet, Gebäude unterversichert sind. Ich denke hier auch an einen Fall, in dem ein Makler seiner Kundin keine Fahrerschutzversicherung angeboten hatte.
Hat eure gemeinschaftliche Excedentendeckung für Versicherungsvermittler in Höhe von 25 Mio. Euro schon einmal nicht ausgereicht?
Nein. Man muss aber bedenken: Wenn ich von Millionenschäden spreche, sind das immer erst einmal die Inanspruchnahmen. Bei derartig großen Schäden wird häufig ein Vergleich geschlossen, der dann deutlich unter der Summe der Inanspruchnahme liegt. Aber nein, bei uns gab es noch nie einen Schadenfall, bei dem die 25 Mio. Euro nicht ausgereicht haben. Das liegt aber auch daran, dass unsere Kunden glücklicherweise häufig höhere Versicherungssummen als die Pflichtsumme wählen. Die teilweise sehr geringen Prämienzuschläge für zum Beispiel 5 Mio. Euro Versicherungssumme bezahlen sie für den umfangreichen Schutz gerne.
Ihr zählt auf eurer Website auch die Honorarberatung zu den versicherten Tätigkeiten. Ergeben sich für ein honorarbasiertes Vergütungsmodell andere Haftungsfragen als bei der Versicherungsvermittlung auf Provisionsbasis?
Die Frage, ob die Honorarberatung versichert ist, wird regelmäßig an uns herangetragen, weshalb wir diesen Punkt auch auf der Website erwähnen. Üblicherweise stützen sich die Kunden bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf eine Falschberatung. Ob die Beratung über eine Courtage abgegolten ist oder der Makler ein Honorar erhält, ist für die Frage der Haftung in diesem Zusammenhang unerheblich. Für den Versicherungsschutz kommt es nicht auf die Art der Vergütung an, entscheidend ist nur, dass es sich um eine rechtlich zulässige Tätigkeit handelt.
Immer wieder ist zu hören, dass die Spezialmakler in der VSH den Maklern zu viel Angst vor Haftungsfragen machen. Siehst du das auch so?
Wenn wir eine Schulung konzipieren, versuchen wir die Makler einerseits präventiv zu unterstützen: Was kann ich machen, damit ich nicht in Haftung genommen werden kann? Andererseits geht es aber auch um vergangene Schadenfälle, die veranschaulichen sollen, wo die Haftungsrisiken liegen. Und bei dieser Betrachtung liegt es dann letztlich in der Natur der Sache, dass man sich darauf konzentriert, was alles schiefgehen kann. Angst wollen wir damit auf keinen Fall verbreiten, lediglich sensibilisieren. Ein Makler wird oftmals nie oder vielleicht nur einmal in seiner Karriere für einen Schaden in Anspruch genommen werden. Uns werden jedoch jährlich einige hundert – auch potenzielle – Schadenfälle angezeigt. Deshalb haben wir eine andere Sicht auf die Dinge.
Auch wenn ihr keine Rechtsberatung leisten dürft, müsst ihr ja fit in vielen rechtlichen Themen sein. Wie sorgt ihr dafür, dass ihr im Hinblick auf neue Gesetze immer up to date seid?
Wir sind in einem Bereich unterwegs, der sehr spezialisiert ist. Das heißt, wir versuchen tatsächlich, uns aktuelle und geplante Gesetze bereits frühzeitig sehr detailliert anzusehen und herauszuarbeiten, was das für die Vermittler bedeutet. Relevant war beispielsweise zuletzt das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG). Da schauen wir uns den Gesetzestext an und fragen uns: Was hat das für Auswirkungen auf die VSH der Vermittler? Im nächsten Schritt sprechen wir mit den Versicherern. Manchmal haben wir das Thema dann auch aufgrund unserer Verbandstätigkeit früher auf dem Schirm als die Gesellschaften, sodass es vorkommt, dass diese mit der Bitte um eine erste Einschätzung auf uns zukommen. Das ist aber bei Spezialmaklern nichts Außergewöhnliches, da werden viele unserer Kollegen ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Befindet ihr euch zu diesen Themen im Austausch mit mehreren Rechtsanwaltskanzleien?
Beim Austausch mit Fachanwaltskanzleien aus unserem Netzwerk, mit denen wir mitunter auch freundschaftlich eng verbunden sind, geht es thematisch eher um laufende Schadenfälle oder jüngste Rechtsprechung und meist nicht um aktuelle Gesetzesvorhaben. Wir tauschen uns zu diesen Themen viel enger mit den Fachabteilungen und Produktverantwortlichen der Versicherer aus – meist im Rahmen von Verhandlungen zu unseren Konzepten.
Und innerhalb eures Teams habt ihr euch dann auf verschiedene Themenfelder spezialisiert?
Genau. Wir haben ein Team aus Spezialisten, die im Hinblick auf verschiedene Themenschwerpunkte die Verantwortung, zum Beispiel für gesetzliche Neuerungen haben. Wenn es beispielsweise Änderungen gibt, die Kanzleien betreffen, dann schaue ich mir das schwerpunktmäßig an und stimme mich mit unseren Juristen ab.
Wie machst du das in der Beratung, wenn du aufgrund deines Fachwissens eine rechtliche Einschätzung abgeben möchtest, das aber überhaupt nicht darfst?
In so einem Fall verweise ich den Kunden darauf, dass er diesen speziellen Punkt lieber mit seinem Rechtsanwalt besprechen soll. Man kann dem Kunden aber durchaus mit auf den Weg geben, welche Fragen er seinem Anwalt stellen soll. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, auf einschlägige Urteile zu verweisen.
Gehst du davon aus, dass durch die EU-Offenlegungsverordnung neue Haftungsfragen auf die Vermittler zukommen werden?
Also, das einzuschätzen ist echt schwierig. Wir haben tatsächlich in unserer Vermittlerfortbildung 2019 schon das erste Mal auf dieses Thema hingewiesen und gesagt: Leute, das kommt! Hier bleibt es spannend.
Nachhaltigkeit wird eines der wichtigsten Themen im Jahr 2022. Üblicherweise treten Schadenfälle erst mit deutlicher Verzögerung von einigen Jahren auf, sodass wir uns später nochmals unterhalten sollten. Aber ja: Das Nachhaltigkeitsthema wird für Versicherungsmakler – Stand jetzt – ab dem 22.08.2022 zur Bringschuld. Denn Makler müssen künftig bei der Vermittlung entsprechender „Finanzprodukte“ ihre Kunden befragen, ob und, wenn ja, welche Nachhaltigkeitspräferenzen sie haben. Das Ganze wird also Teil der Geeignetheitsprüfung werden. Wie das genau funktionieren soll, bleibt noch unklar. Klar ist aber: Immer dann, wenn den Makler Pflichten treffen, können die auch verletzt werden und Inanspruchnahmen entstehen.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2022, S. 110 f., und in unserem ePaper.
Bild: © alphaspirit – stock.adobe.com
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