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21. September 2023
The heat is on: Übernahmefieber im Maklermarkt (Teil 3)
The heat is on: Übernahmefieber im Maklermarkt (Teil 3)

The heat is on: Übernahmefieber im Maklermarkt (Teil 3)

Eine dreiteilige Serie beleuchtet die Übernahmeaktivitäten im Bereich der Gewerbe- und Industriemakler. Im letzten Teil erfolgen Einschätzungen, wie sich die Konsolidierung bei den Versicherern einerseits und in der Maklerlandschaft andererseits auswirkt – und wie es mit dem M&A-Trend weitergehen könnte.

Ein Artikel von Klaus-Jürgen Baum, Geschäftsführer der VeDaTa VertriebsDatenServices GmbH, Anbieter der Anwendung MaklerRadar©
Verschiebung der Kräfteverhältnisse

„Wir haben als fünftgrößtes Maklerunternehmen einfach mehr Gewicht bei den Versicherern, also mehr Einkaufsmacht“, so äußerte sich Tobias Warweg, CEO der GGW Group, schon Anfang 2021. Unverkennbar zielen die neuen Maklerriesen auf eine Margenverschiebung zu ihren Gunsten, denn size matters.

Gleichzeitig ist bei den großen nationalen Maklergruppen der verstärkte Auf- und Ausbau von Assekuradeuren zu beobachten. Sie übernehmen so noch höhere Anteile der Wertschöpfung im unternehmerischen Risikomanagement, schneiden Versicherer vom Direktkontakt mit Unternehmenskunden ab und reduzieren sie auf die bloße Risikoträgerschaft. Und sie könnten sich als Türöffner für neue ausländische Wettbewerber für die etablierten Versicherer im deutschen Markt erweisen.

Zwei Lager aufseiten der Versicherer

Zwar ist die Aussicht auf steigende Provisionsaufwendungen aus Versicherersicht generell wenig erfreulich. Dennoch gibt es dort mindestens zwei Lager, deren Wahrnehmung des aktuellen Konsolidierungstrends auf der Maklerseite tendenziell unterschiedlich ausfallen dürfte:

Für die großen Anbieter mit internationalem Geschäft ist die Strukturveränderung im deutschen Maklervertrieb keine wirkliche Überraschung. Sie kennen die Spielregeln höher konzentrierter Maklermärkte bereits – vor allem aus dem angelsächsischen Raum. Für sie könnte die Entwicklung sogar positive Effekte haben: Die heranwachsenden nationalen Champions haben in Teilen des internationalen Geschäfts das Potenzial, sich zu einer Alternative zum Nadelöhr der wenigen globalen Maklerkonzerne zu entwickeln. Auch dürften sie sich eher als Gewinner der erwartbaren Bestandsumdeckungen seitens der neuen Großmaklergruppen sehen, was die Geschäftsverteuerung zumindest teilweise kompensieren sollte.

Die kleineren und mittleren, stärker national geprägten Versicherer – vor allem solche ohne klare Wettbewerbsvorteile („Me-too-Player“) – dürften die Konzentrationsbewegung dagegen wesentlich skeptischer betrachten: Ihre Verhandlungspositionen gegenüber den erstarkenden Maklergruppen droht überproportional zu erodieren, und sie laufen stärker Gefahr, zu den Verlierern bei „Sortimentsbereinigungen“ auf der Maklerseite zu gehören.

Zusätzlich besteht gerade in dieser Anbietergruppe zum Teil erheblicher organisatorischer Anpassungsbedarf: Etwa im Vertrieb, wo oftmals noch primär regional organisierte Maklerbetreuungsteams durch regionenübergreifende Key-Account-Strukturen zu ergänzen sind. Erfahrungsgemäß geschieht das gerade in der Übergangsphase nicht ohne Friktionen und internes Kompetenzgerangel. Begleitend sind Verzielungs- und Vergütungssysteme anzupassen, Mitarbeiterqualifikationen und Entscheidungskompetenzen müssen auf- und ausgebaut werden – zugeschnitten auf die ver­änderten Erwartungen deutlich größerer und selbstbewussterer Maklergruppen. All das verlangt in aller Regel langwierige Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern.

Auch im Maklerservice werden die Anforderungen steigen und bei Versicherern zusätzliche Investitionen erfordern: Zwar sind die Notwendigkeit zur Erhöhung des Digitalisierungsgrades – von der Angebotserstellung bis zur Schadenabwicklung – und die stärkere Integration von Prozessen und Systemen mit wichtigen Maklerhäusern seit geraumer Zeit zentrale Themen in vielen Vorstandsetagen. Die neuen Großmaklergruppen dürften hier aber als Katalysator wirken und einen neuen Takt vorgeben. Ob dabei für einen Versicherer die Chancen oder die Risiken überwiegen, hängt nicht zuletzt von der Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit der eigenen Organisation ab – ganz besonders in der IT.

Makler zwischen Versuchung und Druck

Bei Maklern, die aufgrund von Mindestgröße und Geschäftsausrichtung „im Fadenkreuz“ stehen und damit nolens volens Teil des aktuellen Geschehens sind, dürften sich die Empfindungen und Reaktionen vor allem mit „Versuchung“ und „Druck“ beschreiben lassen.

Einerseits steigt die Versuchung, auf der Verkäuferseite mitzumachen: Neben attraktiven Bewertungen und Beteiligungsangeboten locken einige Konsolidierer mit dem Versprechen, die unternehmerische Eigenständigkeit der übernommenen Maklerhäuser weitgehend zu erhalten – getreu dem Motto: so viel Freiheit wie möglich, so viel Gemeinsamkeit wie nötig.

Makler, die einen Verkauf in Erwägung ziehen, sich danach aber nicht komplett zur Ruhe setzen wollen, sollten sich gleichwohl bewusst machen, dass ein Damoklesschwert über ihnen schwebt: Heute partnerschaftlich bzw. verbundartig geprägte Strukturen könnten sich mittel- bis langfristig in straffere konzernartige Organisationen verwandeln. Das dürfte bei den aktuell besonders übernahmeaktiven Gruppen mit Private-Equity-Hintergrund von der Entwicklung der Eigentümerverhältnisse abhängen. Veränderungen sind hier früher oder später zu erwarten. Denn letztlich besteht im Kauf und Weiterverkauf von Portfoliounternehmen das Geschäftsmodell von Beteiligungsgesellschaften.

Folgeerwerber werden die Renditepotenziale kaum dauerhaft ignorieren können, die in der Hebung von Synergien auf der Kostenseite liegen – bei Standorten, Personal, Infrastruktur, Markenführung und Rechtseinheiten. Nur so können sie die höheren Eintrittspreise gegenüber ihren eigenen Kapitalgebern rechtfertigen.

Ob dagegen die wenigen verbliebenen familiengeführten Großmaklergruppen unter den Top 20 der Branche „sicherere Häfen“ für anschlussbereite Mittelständler sind, wird sich erst noch zeigen. Sie sind als Plattform-Deals von besonderer Attraktivität für Finanzinvestoren und kommen mit zunehmendem Größenwachstum ihrer direkten Konkurrenten selbst unter Zugzwang.

Andererseits nimmt der (gefühlte) Druck zu. Die großen und anorganisch weiter rasant wachsenden Maklergruppen werden den Wettbewerb um attraktive Unternehmenskunden verschärfen: Ob Einkaufskonditionen, Zugang zu Zeichnungskapazitäten, Individualisierung von Versicherungsbedingungen – sie werden die größere Einkaufsmacht nutzen, um ihre ambitionierten Wachstumsziele zu erreichen und die Erwartungen ihrer Investoren zu erfüllen. Zugleich verfügen Sie über größere Ressourcen und bessere Voraussetzungen, um die Branchenherausforderungen wie Digitalisierung, Regulatorik und Talentgewinnung zu bewältigen.

Wer als mittelständischer Makler in diesem Marktumfeld dauerhaft seine Unabhängigkeit bewahren will, wird nicht umhinkommen, die eigene Unternehmensstrategie zu schärfen. Klare Positionierung, „kritische Masse“, nachhaltige Profitabilität und moderne Infrastruktur sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren.

Dabei sollten zukunftsorien­tierte Mittelstandsmakler auch eine eigene anorganische Wachstumsstrategie in Erwägung ziehen. An Kaufgelegenheiten unter kleineren Maklern wird es mit Blick auf die Maklerdemografie und den nochmals höheren (Wettbewerbs-)Druck in diesem Marktsegment nicht mangeln.

Geht dem Markt bald die Luft aus?

Aufgrund der rasanten Entwicklung seit 2020 ist bereits eine nennenswerte Anzahl von Maklerhäusern in neue Hände gekommen (siehe Teil 1 der Artikelserie; Ausgabe Juli). Dennoch dürfte dem Markt die Luft bis auf Weiteres nicht ausgehen: Noch gibt es ausreichend attraktive Targets – gerade unter den mittelständischen eher regionalen Maklerhäusern und O Spezialisten mit Umsätzen in der Spanne von 1,0 bis 2,5 Mio. Euro.

Im ohnehin kleinen Top-Segment der unabhängigen inhabergeführten Maklerhäuser mit zweistelligen Millionenumsätzen dürfte es dagegen bald noch enger werden. Denn zum einen zielen einige der neuen Spieler unter den finanzstarken Konsolidierern explizit auf „Plattform-Deals“; dabei bildet der übernommene Großmakler den Nukleus für einen sukzessiven Ausbau der Gruppe. Zum anderen finden sich dort Unternehmen wie etwa die ARTUS-Gruppe, die ihr Kampfgewicht als ausreichend ansehen, um dauerhaft unabhängig zu bleiben und eine eigene selektive Übernahmestrategie zu verfolgen.

Bewertungen schon über den Zenit hinaus?

Über Geld spricht man nicht, lautet eine landläufige Redewendung. Das gilt ganz besonders für die Kaufpreise bei M&A-Transaktionen, über die die Beteiligten in der Vergangenheit stets Stillschweigen vereinbart haben.

Als verbreitete Einschätzung gilt, dass die Bewertungen für Top-Targets sich in der Spitze bei mehr als dem zehnfachen EBITDA bewegten, bei gehobenen Mittelständlern immer noch im oberen einstelligen Bereich. Im Segment unter 1,0 Mio. Euro Gesamtumsatz war der Preisanstieg geringer, da sich insbesondere die zahlungskräftigen Finanzinvestoren bislang eher weniger mit dieser Größenklasse beschäftigt haben. Hier könnte es auf der Käuferseite nun zu einem verstärkten Trade-off zwischen größerer Verfügbarkeit und vergleichsweise moderaten Bewertungen einerseits, dafür höheren Transaktions- und Integrationskosten andererseits kommen.

Wichtigster Dämpfer für die Bewertung künftiger Deals dürften unzweifelhaft die drastisch gestiegenen Zinsen sein – vor allem für Übernehmer, die mit erhöhtem Fremdkapitaleinsatz agieren. Denn steigende Finanzierungskosten führen zu längeren Amortisationsdauern von Investments, was in aller Regel den Preisspielraum begrenzt.

Dem stehen allerdings auch stabilisierende Faktoren gegenüber: Die hohen Inflationsraten treiben die Versicherungsprämien, was für steigende Provisionseinnahmen bei den Maklern sorgt. Und die „Nachzügler“ unter den Konsolidierern werden Expresszuschläge in Kauf nehmen (müssen), um zu den „Pionieren“ aufzuschließen.

Übernahmewelle rollt weiter

Die Konsolidierung unter den deutschen Gewerbe- und Industriemaklern hat seit 2020 eine Dynamik erreicht, die zuvor kaum vorstellbar erschien. Die Mehrheit der Marktteilnehmer und Experten geht davon aus, dass sich diese Entwicklung noch eine ganze Weile unvermindert fortsetzen wird. Den Hauptgrund dafür nennt Jochen Körner, CEO der Ecclesia-Gruppe: „Das Versicherungsmaklergeschäft ist aus Sicht der Investoren sehr lukrativ. Sie brauchten lange, um es zu verstehen. Jetzt haben sie es verstanden, haben Angst, es zu verpassen und laufen hinterher.“

Auch Thilo Schumacher, Deutschlandchef der AXA, scheint das ähnlich zu sehen: „Im angelsächsischen Raum gab es schon eine sehr starke Konsolidierung, hier ist noch viel denkbar.“

Nachtrag zu den vorangegangenen Teilen der Serie:

Seit der Veröffentlichung der Teile 1 und 2 dieser Artikelreihe kam es zu einigen weiteren beachtenswerten Transaktionen:

Die Ecclesia hat sich mit Nachdruck im M&A-Geschehen zurückgemeldet und im Juli gleich zwei wichtige Zukäufe verkündet: Zum einen wurde das Klinikrente Versorgungswerk erworben. Der größte deutsche Versicherungsmakler für Firmen und Institutionen baut damit sein Leistungsportfolio für Kunden aus dem Gesundheitswesen weiter aus. Zum anderen wurde die Pension Solutions Group übernommen, mit der bereits eine langjährige Kooperation bestand. Die PS Group zählt mit 120 Mitarbeitern zu den führenden Dienstleistern im Bereich Corporate Employee Benefits. Erklärtes Ziel ist es, zusammen größter und servicestärkster Vorsorgemakler für Kundenunternehmen in der D-A-CH-Region zu werden.

Die ARTUS Gruppe hat die MaCo-Gruppe gekauft, die acht Firmen mit insgesamt 25 Mit­arbeitern umfasst. Damit baut ARTUS die Präsenz in der Fläche aus und schließt die Lücke in der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main. Der Außenauftritt der MaCo-Unternehmen soll schrittweise gemäß der Corporate Identity der ARTUS Gruppe geändert werden. Außerdem setzt die ARTUS Gruppe mit der Übernahme der Allcons AG auch in der Schweiz auf weiteres Wachstum.

Lesen Sie auch:

The heat is on: Übernahmefieber im Maklermarkt (Teil 2)

The heat is on: Übernahmefieber unter Gewerbe- und Industriemaklern (Teil 1)

Bild: © terovesalainen – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Klaus-Jürgen Baum