Ein Artikel von Christoph Müller, Geschäftsführer Sirius Campus
In einer Welt, in der die Auswahl an Produkten und Dienstleistungen immer größer wird und die Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Verbraucher eine immer knapper werdende Ressource darstellt, sind neutrale Gütesiegel längst ein unverzichtbarer Bestandteil der Unternehmens- und Produktkommunikation geworden. So auch im Versicherungsmarkt.
Seit 1998 untersucht der Sirius Campus Kundenmonitor Assekuranz in regelmäßigen Abständen die Bekanntheit von und das Vertrauen in Gütesiegel. Zuletzt wurden im Juni/Juli 2023 mehr als 2.000 Entscheider und Mitentscheider in Versicherungsangelegenheiten zwischen 18 und 69 Jahren dazu befragt. Dass Gütesiegel immer relevanter werden, zeigt schon die bloße Anzahl der untersuchten Gütesiegel. 1998 waren es 15 Siegel, 2012 gerade mal drei Siegel mehr. 2016 fanden bereits 25 Siegel Eingang in die Untersuchung und im vergangenen Jahr waren es ganze 38 verschiedene Siegel.
Die immer bessere Auffindbarkeit im Internet sorgt dafür, dass Menschen seltener zufällig auf Produkttests und Gütesiegel stoßen, sondern aktiv danach suchen. Mittlerweile geben 30% an, konkret nach unabhängigen Bewertungen von Versicherern zu suchen. 2016 waren es noch 22%, 2012 13% und 2008 sogar nur 5%.
Der Vermittler bleibt dabei ein wichtiger Hinweisgeber: 23% haben Hinweise auf Testergebnisse direkt vom Vermittler erhalten. Dass bei dieser Vorgehensweise die Neutralität der Tests nur noch bedingt gegeben ist, spielt für die Verbraucher kaum eine Rolle: Jeweils rund 60% fühlen sich in Bezug auf ihre Versicherungen bestätigt, egal ob sie selbst nach den Testergebnissen gesucht haben oder ob sie von ihrem Vermittler darauf hingewiesen wurden.
Für Versicherungsmakler wichtige Ratings bei Privatkunden praktisch unbekannt
Ein Blick auf die untersuchten Gütesiegel zeigt, dass die bekanntesten nach wie vor diejenigen der beiden großen Testzeitschriften Finanztest (63%) und Ökotest (59%) sind. Während Finanztest im Vergleich zu 2016 etwas an Bekanntheit verloren hat (–6 Prozentpunkte), konnte das Ökotest-Siegel zuletzt seine Bekanntheit deutlich steigern (+12 Prozentpunkte). Mit großem Abstand folgen mit jeweils rund 45% Bekanntheit zwei Siegel, die ausschließlich auf Online-Kundenbewertungen beruhen und vor sieben Jahren noch kaum bekannt waren: Trustpilot und Trusted Shops. Mit CHECK24- und Google-Rezensionen folgen zwei weitere Online-Kundenbewertungssiegel auf den Plätzen 5 und 6 (jeweils rund 30%). Erst danach finden sich wieder klassische Siegel wie das TÜV-Siegel (TÜV Service tested) sowie die Siegel von FOCUS MONEY und DISQ – das Deutsche Institut für Servicequalität (jeweils rund 25%).
Auszeichnungen durch klassische Printmedien wie z. B. Capital, Auto Bild, WirtschaftsWoche, Handelsblatt und Die Welt sind weniger bekannt. Die für Versicherungsmakler wichtigen Ratings von z. B. Ascore, AssCompact, Assekurata, Fitch, Franke und Bornberg, MORGEN & MORGEN sowie Standard&Poors sind bei Privatkunden praktisch unbekannt.
Bekanntheit ist jedoch die wichtigste Voraussetzung für Vertrauen in Gütesiegel. Aber auch darüber hinaus gibt es Einflussfaktoren, die darüber entscheiden, ob ein Siegel als mehr oder weniger vertrauensvoll wahrgenommen wird. Jüngere vertrauen Gütesiegeln mehr als Ältere. Frauen vertrauen mehr als Männer – insbesondere den bekannten Siegeln. Und auch die Art der Betreuung ist relevant: Online-Kunden vertrauen in besonderem Maße den besonders bekannten Siegeln, während Makler- und Bankkunden auch unbekanntere Siegel anerkennen.
Zu viele Siegel machen Verbraucher skeptisch
Grafik: Welchen Formulierungen Verbrauchern bei Gütesiegeln am meisten vertrauen
Die grundsätzliche Einstellung zu Gütesiegeln hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Die Mehrheit ist eher skeptisch (54%), insbesondere wenn ein Versicherer mit besonders vielen Siegeln wirbt (57%), und hat Zweifel an der Unabhängigkeit der vergebenden Institutionen (69%). Doch zum einen gibt es einzelne Siegel mit sehr hohen Vertrauenswerten – weit über 50%. Und zum anderen wirken auch weniger vertrauenswürdige Siegel, was in unserer Untersuchung anhand eines Experiments nachgewiesen werden konnte. Darin wurden verschiedene Versicherungsangebote zur Auswahl gestellt, in günstigen (Small), mittleren (Medium) und hochpreisigen Varianten (Large), jeweils ohne oder mit wechselnden Siegeln. Die Ergebnisse sind eindeutig: Im Schnitt steigt die Kaufwahrscheinlichkeit durch den Einsatz eines Gütesiegels um 23%, in Kombination mit einem niedrigpreisigen Angebot sogar um 57%. Der Einsatz in Kombination mit der Large-Variante kann dagegen sogar leicht kontraproduktiv sein. Ein hochpreisiges Angebot wirkt vor allem durch seinen Leistungsumfang und seine Hochwertigkeit – Gütesiegel können da unter Umständen sogar Misstrauen an der Seriosität des Anbieters auslösen.
Ein vielfach unterschätzter Faktor für das Vertrauen in ein Gütesiegel ist der konkrete Text bzw. die konkrete Benennung der Note. Am klarsten verständlich und daher auch besonders vertrauenswürdig sind die Auszeichnungen „Testsieger“ und „1. Platz / 1. Rang“. Jeder versteht sofort, dass diese Versicherung besser ist als alle anderen – zumindest als alle anderen getesteten. Wenn eine Siegerauszeichnung nicht möglich ist, orientieren sich Kunden meist an der klassischen Schulnotenskala – d. h. „sehr gut“ ist die beste Note. Andere – deutlich besser gemeinte – Auszeichnungen wie „ausgezeichnet“, „hervorragend“ oder „exzellent“ verblassen hinter einem eindeutigen „sehr gut“.
Handlungsempfehlungen
Zusammenfassend lassen sich die folgenden Handlungsempfehlungen geben:
- Auch wenn Kunden Gütesiegel vielleicht skeptisch sehen, sollte ihr Einsatz nicht gescheut werden. Ihre Wirkung ist meistens positiv und selten negativ.
- Eine Vielzahl von Gütesiegeln weckt beim Kunden eher Misstrauen.
- Gütesiegel sollten vor allem in Zusammenhang mit niedrigpreisigen Angeboten eingesetzt werden – bei hochpreisigen Angeboten steht die Qualität in der Regel nicht infrage.
- Gütesiegel sind besonders bei jüngeren Kunden hilfreich.
- Der Text der Auszeichnung ist wichtig – am besten wirken „Testsieger“, „1. Platz / 1. Rang“ und „sehr gut“.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © tomertu – stock.adobe.com; Grafik: © Sirius Campus
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