Verletzung der Beratungspflicht?
Diesen Beweis konnten Versicherung und Vertreter allerdings nicht führen, weil die Angaben des beklagten Versicherungsvertreters zum Umfang der Beratung zu pauschal und teilweise auch nicht ganz schlüssig waren. Das OLG stellte zunächst klar, dass ein Hinweis darauf, dass das in eine Rürup-Rente eingezahlte Kapital bis zum Rentenbeginn gebunden ist, „wesentlich und erforderlich“ sei. Ein solcher Hinweis hat somit immer zu erfolgen und ist zu dokumentieren. Interessant ist aber der ergänzende Hinweis des OLG, dass die vermittelte Rürup-Rente unter den gegebenen Umständen kein geeignetes Produkt für den Versicherungsnehmer war. Das OLG bemängelte nicht nur den fehlenden Hinweis auf die Kapitalbindung, sondern auch, dass im konkreten Fall des Versicherungsnehmers eine Rürup-Rente schon dem Grunde nach nicht geeignet war. Selbst in der elektronisch erstellten Beratungsdokumentation war kein Hinweis zum Bedarf und zu den Wünschen des Versicherungsnehmers enthalten. Dieser befand sich nach dem Ende einer Privatinsolvenz gerade im Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit, die ihm im ersten Versicherungsjahr lediglich ein Einkommen von ca. 10.000 Euro sicherte. Daher meinte das OLG, dass es für den Kläger eher ratsam war, sich für die Zukunft im Hinblick auf mögliche Wechselfälle des Lebens eine gewisse Flexibilität zu bewahren, die eine Rürup-Rente nicht gewährleisten konnte.
Schlussfolgerungen
Im Ergebnis zeigt das Urteil des OLG die Risiken auf, die bei einer unzureichenden Beratungsdokumentation drohen. Häufig finden Gespräche unter vier Augen statt und es verliert derjenige den Schadensersatzprozess, der die für ihn günstigen Tatsachen nicht beweisen kann. Genauso erging es in diesem Fall den Beklagten, sodass sie letzten Endes für den Schaden aufkommen mussten. Wichtig ist daher, dass nicht nur eine ordnungsgemäße Beratungsdokumentation erstellt wird, sondern diese auch vor Abschluss des Versicherungsvertrages nachweislich dem Kunden zugegangen ist. Wegen § 59 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 6a Abs. 1 Nr. 1 VVG muss die Beratungsdokumentation sogar auf Papier übergeben werden, wenn mit dem Kunden keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden. Außerdem zeigen die Wertungen des OLG, dass der Bedarf und die Wünsche eines Kunden vom Versicherungsvermittler zu erfragen sind und sich die Beratung daran auszurichten hat. Auch dies gehört in eine Dokumentation.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2022, S. 124 f., und in unserem ePaper.
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