Wenn Versicherungsmakler neue Geschäftsmodelle planen oder eine eigene Applikation, zum Beispiel zum Mitarbeitertraining, entwickeln lassen wollen, dann stellt sich oft die Frage: Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld?
Hier ist aus dem Bereich der öffentlichen Förderungen eine Vielzahl von Förderprogrammen möglich. Je nach Investitionsvorhaben oder Investitionshöhe stehen viele hundert Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Eine davon ist die steuerliche Forschungsförderung. Das Wort „Forschungsförderung“ schreckt viele ab und deswegen hier ein Beispiel aus der Praxis: Das Projekt könnte den Arbeitstitel „Entwicklung der Makler-XY-App für digitalisierte Schulungen und Steigerung des Wissens und der Mitarbeitererfahrung“ tragen. Es wäre also eine App-Entwicklung zur Mitarbeiterschulung und -bindung, die auf neue Mitarbeiter ausgerichtet ist, die einen Onboarding-Prozess benötigen. Somit muss kein unbekannter Sachverhalt in der Wissenschaft erforscht werden, sondern es geht hier um einen Praxisfall im Bereich Softwareentwicklung zum Anlernen von Mitarbeitern!
Ablauf der Antragstellung
Nach einer Rohplanung, was die neue Makler-XY-App leisten soll, ist die Investitionsliste aufzustellen. Beschreibung und Funktion erläutern der Förderstelle das geplante Projekt. Die erste Anlaufstelle (online) ist die „BSFZ“. Das ist die Bescheinigungsstelle Forschungszulage, ein Bereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Klingt komplex, ist aber wirklich einfach. Der Vorgang wird online durchgeführt. Das Onlineverfahren dort führt im positiven Entscheidungsfall zur „Bescheinigung über die Begünstigungsfähigkeit“. Die Bescheinigungsstelle beurteilt nicht, in welchem Umfang die Aufwendungen Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Forschungszulage sind. Im Wortlaut der Bescheinigung heißt es dann „Bescheid über den Antrag auf Bescheinigung vom [Datum] nach § 6 Forschungszulagengesetz (FZulG) über Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (FuE-Vorhaben)“. Dies bedeutet, dass das Vorhaben steuerlich gefördert wird. In der Bescheinigung sind die Projekt-Grunddaten fixiert. Diese haben Einfluss auf alles Weitere an Förderung und die weitere Projektumsetzung (siehe: https://www.bescheinigung-forschungszulage.de/).
Mit einer positiven Bescheinigung kann anschließend ein Antrag auf Forschungszulage beim zuständigen Finanzamt gestellt werden.
Ziel der Investition in Verbindung mit Innovation
Praxisfall: Das Projekt könnte in unserem Beispiel folgendes Ziel haben und würde im Antrag wie folgt bezeichnet: „Die Makler-XY-App ist ein digitaler, systematischer und kontaktloser Kommunikationskanal für Unternehmen und deren Mitarbeiter ohne digitale Arbeitsplätze oder E-Mail-Zugänge und schützt durch Abgrenzung privater Inhalte die Privatsphäre. Der Eins-zu-eins-Kontakt führt zu Echtzeithandlungsanweisungen ohne Informationsverlust. Die regelbasierte Makler-XY-App als Bildungssystem beschleunigt das Onboarding neuer Mitarbeiter um 50%. Schulungen erfolgen statt nur einmal nun viermal jährlich und in wöchentlichen Mikrolerneinheiten mit Soft-Skill-Training. Die im Vorhaben entwickelte Plattform integriert zum ersten Mal einen selbstlernenden Algorithmus, der die Inhalte automatisiert auf die individuellen Bedürfnisse adaptiert. Zudem steigern übermittelte positive Emotionen (direkte Online-Kommunikation zwischen den App-Nutzern) die Mitarbeiterzufriedenheit um 90%, was die Mitarbeiter stärker bindet.“
Anforderung 1: Neuartigkeit muss erfüllt sein
Das Kriterium der Neuartigkeit setzt voraus, dass die Arbeiten darauf abzielen, neue Kenntnisse und Fertigkeiten zu gewinnen oder vorhandene wissenschaftliche, technische, wirtschaftliche oder sonstige einschlägige Erkenntnisse und Fertigkeiten, Konzepte, Strategien, Methoden oder Technologien (Stand der Technik) in neuer Weise zu nutzen. Dies erfolgt mit dem Ziel, neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln oder wesentliche Verbesserungen bei bestehenden Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen bzw. die Erschließung neuer Geschäftsmodelle und/oder Methoden herbeizuführen. Das Kriterium der Neuartigkeit ist auch dann erfüllt, wenn es sich um experimentelle oder theoretische Arbeiten handelt, die in erster Linie dem Erwerb neuen Grundlagenwissens ohne erkennbare direkte kommerzielle Anwendungsmöglichkeiten dienen. Merke: Es kann in der Theorie geplant werden mit dem Ziel, etwas Neues zu erschaffen.
Anforderung 2: Risiko und Unwägbarkeiten müssen vorhanden sein
Das Kriterium Risiko bzw. Unwägbarkeit ist dann erfüllt, wenn wissenschaftliche und/oder technische Hemmnisse, Risiken oder Herausforderungen bestehen, die die Zielerreichung gefährden und/oder im Extremfall zum Scheitern des Vorhabens führen könnten. Merke: Es geht hier im Vordergrund also nicht um ein „sicheres“ Projekt. Somit ist es nicht vergleichbar mit einer Bankfinanzierung.
Anforderung 3: Planmäßigkeit muss vorhanden sein
Das Kriterium Planmäßigkeit erfordert die Erläuterung eines Zeit- bzw. Arbeitsplans mit Ressourcen- und Personalplanung, Arbeitspaketen und Meilensteinen oder dass die Umsetzung der einzelnen Verfahrensschritte und die jeweiligen (Zwischen-)Ergebnisse dokumentiert werden.
Beispielkalkulation: Die hier als Beispiel genannte Makler-XY-App könnte eine Entwicklungssumme von ca. 160.000 Euro haben. Davon rund 118.000 Euro Personal- und rund 42.000 Euro Auftragskosten (für die externe Entwicklung). Die entstandenen Investitionen schaffen etwa 29.500 Euro Zulage aus den Personalkosten und etwa 6.300 Euro aus der Auftragsvergabe. Die Summe der steuerlichen Förderung beträgt somit ca. 35.800 Euro als Anrechnung auf die Steuerlast bei der nächsten Steuererklärung – je nach Prüfung des Finanzamts.
Maßnahmenbeginn ist zu beachten
Diese Förderung kann nur genutzt werden, wenn vor der geplanten Investition der Antrag auf steuerliche Forschungsförderung online gestellt wird. Es gibt auch hier keine Rückwärtsförderung nicht beantragter Investitionen. Zuerst ist der Antrag bei der vorgenannten Bescheinigungsstelle zu dieser Förderung zu stellen.
Geplante Investitionen von Unternehmen können auf weitere Förderprogramme getestet werden. Einfach auf die Website foerdermittel-testen.de gehen und die Investitionspositionen und ergänzende Angaben eingeben. Das Team von feder consulting analysiert dann die infrage kommenden Förderprogramme.
Über den Autor
Kai Schimmelfeder (kaischimmelfeder.de) ist Fördermittel-Experte und begleitet mit seinem Team Unternehmen in der Fördermittelbeantragung. Er ist Buchautor und Sachverständiger für öffentliche Fördermittel und Zuschüsse. In der Fernsehsendung „KAI SCHIMMELFEDER EXKLUSIV – Das Fördermittel Magazin“ bietet er wöchentlich neue Impulse für Unternehmen.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2022, S. 98 f., und in unserem ePaper.
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Bild: © momius – stock.adobe.com
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