Wie hat sich die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) im vergangenen Jahr entwickelt? Das hat das Analysehaus Franke und Bornberg zum Start ins neue Jahr untersucht. Laut den Experten war das Jahr 2024 geprägt von kontroversen Produktinnovationen. Insbesondere die Einführung des Verzichts auf die konkrete Verweisung vonseiten der HDI und der Bayerischen hat den Experten sauer aufgestoßen. „Diese Neuerungen bergen das Risiko, die Balance zwischen Versicherbarkeit und Solidarität zu beeinträchtigen“, so Franke und Bornberg.
Experten kritisieren Verzicht auf konkrete Verweisung
Was hat es damit auf sich? Durch die konkrete Verweisung muss der Versicherer nicht zahlen, wenn der Versicherte in der Lage ist, eine Tätigkeit auszuüben, die sozial und finanziell vergleichbar mit seiner bisherigen Arbeit ist. Der Verzicht auf die konkrete Verweisung bedeutet, dass der Versicherer in einem solchen Fall trotzdem weiterzahlen würde. Der Gründer und Geschäftsführer von Franke und Bornberg, Michael Franke, äußerte sich bereits in einem Interview mit AssCompact Mitte vergangenen Jahres kritisch über die Entwicklungen. Der Verzicht auf die konkrete Verweisung könnte dazu führen, dass das Versicherungsprinzip auf den Kopf gestellt wird, sagte Franke im AssCompact Interview. Im Rückblick formuliert das Analysehaus seine Position zu der Entwicklung noch etwas deutlicher: Die Entwicklung übertrete die „Linie zwischen Versicherungsschutz und sinnlosen Geschenken an einzelne Versicherte“.
Keine Zeitenwende eingetreten
Erfreut zeigen sich die Analysten, dass die vom Analysehaus befürchtete „Zeitenwende“ nicht eingetreten ist, denn: Bislang ist kein weiterer Versicherer dem Beispiel gefolgt. „Die Entscheidung, an der konkreten Verweisung festzuhalten, unterstreicht die Bedeutung von Stabilität und Risikobewusstsein im Markt“, kommentiert Franke.
Steigender Höchstrechnungszins hat Einfluss auf BU-Verträge
Eine wichtige Veränderung, die im laufenden Jahr Einfluss auf BU-Verträge haben wird, ist der Anstieg des Höchstrechnungszinses von 0,25% auf 1,0%. Die Änderung ist zum Jahreswechsel erfolgt und viele Versicherer haben ihre Produkte entsprechend angepasst. In der Regel führt die Anhebung des Rechnungszinses zu einer proportionalen Reduzierung der Überschussbeteiligungen von 0,75%, was wiederum Auswirkungen auf die BU-Rente im Leistungsfall hat, erklären die Experten. Franke und Bornberg verweist auf positive Beispiele, bei denen Versicherer die Überschussbeteiligung moderater gestaltet haben, etwa die uniVersa (-0,25 Prozentpunkte), die Hannoversche (-0,45 Prozentpunkte) und die ERGO Vorsorge (-0,30 Prozentpunkte).
Weitere „Trends“ in der BU im Jahr 2025
Neben diesem „Trend“ beobachtet Franke und Bornberg noch weitere Entwicklungen in der BU. So heben immer mehr Versicherer die Grenze für den Verzicht auf die Prüfung der Umorganisation in Kleinbetrieben von fünf auf zehn Mitarbeiter an. Bei Selbstständigen verzichten mehr Versicherer auf die Prüfung von Umorganisation, wenn mindestens 90% der Arbeitszeit auf kaufmännische oder organisatorische Tätigkeiten entfällt. In der Vergangenheit war dies meist nur für Akademiker vorgesehen, wird aber nun auf eine breitere Zielgruppe ausgeweitet.
Als Verbesserung sehen die Analysten auch die vereinfachte Anerkenntnis der BU bei Vorliegen einer Erwerbsminderung an. „Dabei wird eine Berufsunfähigkeit automatisch anerkannt, wenn eine (volle) Erwerbsminderung durch die gesetzliche Rentenversicherung festgestellt wurde, was nicht selten der Fall ist“, schreibt Franke und Bornberg. Das verkürzt die Leistungsprüfung erheblich, was dazu führt, dass Versicherte einfacher und schneller ihre Leistungen erhalten. Immer mehr Versicherer nehmen dies in ihren Leistungskatalog auf. Erst im Dezember 2024 hat Franke und Bornberg die Ergebnisse seines Leistungspraxisratings in der BU veröffentlicht, wo die Analysten die Leistungspraxis von zehn deutschen BU-Versicherern untersucht hat. Durchschnittlich dauerte die Regulierung eines BU-Antrags im Jahr 2023 knapp 182 Tage, also fast ein halbes Jahr.
BU bleibt zuverlässiger Schutz im Bereich AKS
2024 war ein herausforderndes Jahr für die BU, resümiert Franke und Bornberg, die Marktstabilität konnte jedoch gewahrt werden. Mit einem verantwortungsvollen Umfang der Versicherer und gezielten Produktanpassungen bleibt die BU ein zuverlässiger Schutz vor existenziellen Risiken, prophezeien die Experten. (js)
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