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20. Juli 2021
Flutkatastrophe: Debatte um Elementarschadenschutz als Pflicht
Flood Wave Water Disaster. Rushing Dirty Flood Water Closeup Photo. State of Emergency.

Flutkatastrophe: Debatte um Elementarschadenschutz als Pflicht

Das Ausmaß der Schäden infolge der Flutkatastrophe ist noch kaum absehbar. Mit einer aktuellen Schadenschätzung sei laut GDV noch in dieser Woche zu rechnen. Politiker fordern die Pflicht zur Elementarschadenversicherung, einen anderen Weg schlagen Verbraucherschützer vor.

Deutschland kämpft gegen die Folgen der Unwetter, noch ist das Ausmaß der Schäden nicht abzusehen. „Die schrecklichen Folgen von Starkregen und Hochwasser in weiten Teilen Deutschlands berühren mich tief, sind erschütternd und in ihrem Ausmaß nur schwer zu ertragen“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e.V., Jörg Asmussen, in einem Statement. „Meine Gedanken sind bei den Betroffenen; bei denen, die Angehörige und Freunde verloren haben und denen, die um Ihr Haus sowie Hab und Gut bangen.“ Die Versicherungsbranche werde alles tun, um pragmatisch und effizient zu helfen.

Schadenschätzung voraussichtlich noch in dieser Woche

Der GDV geht davon aus, dass sich das Jahr 2021 mit Stürmen, Überschwemmung, Starkregen und Hagel zu einem der schadenträchtigsten seit 2013 entwickeln könnte. Bereits im Juni hätten Starkregen und Hagel für einen geschätzten versicherten Schaden von 1,7 Mrd. Euro gesorgt, so Asmussen. Noch ist das gesamte Ausmaß der Schäden der Flutkatastrophe nicht abzusehen. Mit einer aktuellen Schadenschätzung sei laut GDV voraussichtlich noch in dieser Woche zu rechnen. Auf die Versicherer dürften immense Belastungen zukommen. Bereits jetzt ist in Medienberichten die Rede davon, dass die Flutkatastrophe im Westen der Republik zu den teuersten Naturkatastrophen der vergangenen 20 Jahre in Deutschland zählen könnte.

Umdenken erforderlich: Bauvorschriften an Klimafolgen anpassen

Zugleich ruft der GDV zum Umdenken auf, denn eine Klimafolgenanpassung komme vielerorts zu kurz. Die Versicherer fordern, das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht entsprechend anzupassen, um künftige Schäden zu verhindern. Der überwiegende Teil der Bebauungspläne sei zu einer Zeit beschlossen worden, als viele wissenschaftliche Erkenntnisse zu Extremwetterlagen und Klimawandel noch nicht vorlagen. „Hier gilt es umzusteuern, sonst setzt sich eine Spirale aus weiteren Katastrophen und steigenden Schäden in Gang, die erst teuer und irgendwann unbezahlbar wird“, warnt Asmussen.

Versicherer fordern von Politik mehr Unterstützung bei der Aufklärung

Zugleich bekräftigte der GDV die hohe Bedeutung von Aufklärung und Prävention, um Elementarrisiken auch künftig versichern zu können. Die Versicherer würden alles dafür tun, um Menschen über Gefahren von Extremwetterereignissen zu informieren. An die Bundesregierung adressiert ist die Forderung nach einem bundes­weiten Online-Naturgefahrenportal, in dem entsprechende Informationen gebündelt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, sowie nach begleitenden Informationskampagnen.

Rufe nach einer Pflichtversicherung

Immer wieder wurde in der Vergangenheit über eine Pflicht zur Elementarschadenversicherung diskutiert. So werden auch jetzt die Rufe wieder laut. Gegenüber MDR AKTUELL kündigte Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach, der auch Vorsitzender der Justizministerkonferenz der Länder ist, an, er wolle sich bundesweit für eine Pflichtversicherung stark machen. Für die nächste Sitzung der Justizminister im November wolle er einen entsprechenden Vorschlag vorbringen. Wie Malu Dreyer, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, mitteilte, hätten die Ministerpräsidenten auf ihrer Konferenz beschlossen, die Frage zu prüfen, ob und unter welchen rechtlichen Bedingungen eine verpflichtende Elementarschadenversicherung möglich sei. Der Sachverhalt sei „rechtlich kompliziert“.

Verbraucherschützer mit Bedenken und anderem Vorschlag

Zum Thema Elementarschadenversicherung hat sich aktuell auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zu Wort gemeldet und politische Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe gefordert. In einem Statement von Klaus Müller, Vorstand des vzbv, heißt es: „Das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe führt erneut vor Augen, wie sehr die Schäden durch den Klimawandel für Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmen. Als Schutzmaßnahme gegen Unwetter empfiehlt der vzbv eine Elementarschadenversicherung. Eine unmittelbare Pflichtversicherung wäre allerdings ein hoher Eingriff in die Grundrechte.“ Stattdessen plädiert der vzbv dafür, das Prinzip einer Allgefahrendeckung nach dem Beispiel Großbritanniens im Gesetz zu verankern. „Damit hätten Verbraucher das Recht, dass beispielsweise ihre Häuser zunächst gegen alle Risiken abgesichert wären. Sie können aber auch einzelne Risiken abwählen“, so Müller weiter.

Die Versicherer sehen die Verbraucherschützer somit in der Pflicht, bezahlbaren Versicherungsschutz anzubieten. Führt dieser Weg aber innerhalb von zwei Jahren nicht zum gewünschten Ergebnis einer höheren Verbreitung der Elementarschadenversicherung, halten auch die Verbraucherzentralen die Einführung der Pflicht notwendig.

Insolvenzverwalter: Insolvenzantragspflichten für Flutopfer aussetzen

Derweil hat der Berufsverband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) auf die schwierige insolvenzrechtliche Situation durch die jüngste Flutkatastrophe hingewiesen. Für Unternehmen stelle sich die Frage der Insolvenzantragspflicht, wenn die Geschäftstätigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Als Lösung spricht sich der VID für eine temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aus. Der Verband schlägt eine vergleichbare gesetzliche Regelung vor wie bei der Flutkatastrophe im Jahr 2016.

„Das Letzte, was Unternehmen und Unternehmer jetzt gebrauchen können, ist eine Diskussion um bestehende Insolvenzantragspflichten. Daher sollte der Gesetzgeber, trotz der parlamentarischen Sommerpause, die Insolvenzantragspflicht so schnell wie möglich aussetzen“, erklärt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des VID. „Wichtig ist nicht nur, dass die staatlichen Hilfen so schnell wie möglich bei den betroffenen Unternehmen ankommen, sondern, dass die Unternehmer auch, frei von etwaigen insolvenzrechtlichen Haftungsrisiken, einen Versuch des Neustarts planen können“, so Niering weiter. (tk)

Bild: © Tomasz Zajda – stock.adobe.com

 

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