Ein Jahr nach der schadenreichsten Naturkatastrophe in Deutschland hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. nun eine Zwischenbilanz gezogen. Knapp drei Viertel aller Versicherungsfälle infolge der Flutkatastrophe an Ahr und Erft haben die deutschen Versicherer trotz vieler Verzögerungen im Wiederaufbau abschließen können. „Für die Schadenregulierung ziehen wir insgesamt eine positive Bilanz, doch jetzt hängt die Regulierung am Tempo des Wiederaufbaus“, sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Allerdings würden in jedem vierten Versicherungsfall der Wiederaufbau und die Instandsetzung noch andauern, schreibt der GDV. Insgesamt stünden in diesen Fällen noch Zahlungen in Höhe von 3,5 Mrd. Euro – und damit rund 40% des geschätzten Gesamtschadens – aus. Als Gründe dafür nannte der GDV Materialmängel beim Wiederaufbau, aber auch ausgelastete Handwerksbetriebe und fehlende Fachkräfte.
Größter Einzelschaden bei einem Einfamilienhaus erreichte fast eine Million Euro
Insgesamt verzeichneten die Versicherer 213.000 Schadenfälle, davon 40.000 beschädigte Kfz, 54.000 Versicherungsfälle in der Hausratversicherung, 91.000 beschädigte Wohngebäude und 28.000 Firmen, die durch die starken Regenfälle ab dem 14.07.2021 Sachschäden und Betriebsunterbrechungen meldeten, heißt es in der GDV-Bilanz. So war beispielsweise im Landkreis Euskirchen jedes vierte Haus beschädigt.
Auch die durchschnittliche Schadenhöhe stieß in neue Dimensionen vor. So mussten in den Katastrophengebieten über 2.000 Einfamilienhäuser mit versicherten Schäden jenseits der 100.000 Euro wieder in Stand gesetzt werden. Im Landkreis Ahrweiler lag der Durchschnittsschaden sogar bei 210.000 Euro pro Wohngebäude, was einen höchsten jemals gemessenen Schadendurchschnitt bei Wohngebäuden bedeutete. Der größte Einzelschaden an einem Einfamilienhaus betrug laut GDV 960.000 Euro. „Die Hochwasserkatastrophe war auch für uns Versicherer eine enorme Herausforderung“, sagte Sabine Krummenerl, Vorsitzende des GDV-Ausschusses Privatkunden. „Wir hatten gleich in den ersten Wochen aus ganz Deutschland 16.000 interne und rund 2.500 externe Kräfte wie Gutachter im Einsatz und konnten so schnell helfen: finanziell, psychologisch und praktisch. Die Hochwasserkatastrophe hat für besonders viele, besonders teure und besonders komplexe Schäden gesorgt.“
Konsequenzen für die Zukunft
Und was bedeutet dieses Schadenereignis für die Zukunft? Als Konsequenz der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen fordern die Versicherer größere Anstrengungen zur Schadenvermeidung: „Eine Pflichtversicherung allein verhindert keinen Schaden. Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung vernachlässigen, wird der Klimawandel eine Spirale aus steigenden Schäden und steigenden Prämien in Gang setzen“, betont Asmussen. Deshalb hat der Verband ein Gesamtkonzept vorgestellt, dass neben einer Ergänzung aller Gebäudeversicherungsverträge mit der sogenannten Elementarschadenversicherung auch Neubauverbote in hochwassergefährdeten Lagen, bessere bauliche Anpassungen und weniger Versiegelung vorschlägt (AssCompact berichtete bereits). „Manchmal reicht es, wenn Gebäude nicht ebenerdig, sondern auf einem kleinen Sockel gebaut werden. Den Menschen ist nur langfristig geholfen, wenn Prävention konsequent mitgedacht wird“, erklärt Asmussen. Allerdings besitzen nach aktuellen GDV-Angaben weiterhin nur rund 50% aller Gebäude in Deutschland einen Versicherungsschutz gegen Elementargefahren. (as)
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