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29. Mai 2024
Finanzcoaching: „Es geht um eine neue Betrachtung von Geld“
Finanzcoaching: „Es geht um eine neue Betrachtung von Geld“

Finanzcoaching: „Es geht um eine neue Betrachtung von Geld“

Monika Müller ist Gründerin von FCM Finanz Coaching, das Menschen dabei unterstützt, ihren Umgang mit Geld neu zu definieren. Im Interview verrät sie, wo der Unterschied zur Finanzberatung liegt, wie Menschen sich im Coaching verändern und auch, welche Chancen die Ausbildung zum Finanzcoach Beratern bietet.

Interview mit Dipl.-Psych. Monika Müller, Geschäftsleitung FCM Finanz Coaching
Frau Müller, sprechen wir zunächst über die Dienstleistung „Finanzcoaching“. Wie darf man sich so ein Coaching mit Privatkunden bei Ihnen vorstellen?

Das ist ein Prozess, der einige immer wiederkehrende Schritte hat: Der Kunde nimmt mit uns Kontakt auf und dann gibt es als Erstes eine Auftragsklärung. Da finde ich heraus: Ist das Anliegen des Kunden ein Finanzcoachingthema oder ist es ein Thema für eine andere Dienstleistung? Wenn es ein Finanzcoachingthema ist, besprechen wir gemeinsam, welches Design, welche Schritte für diesen Kunden passen. Meistens ist es bei Privatkunden so, dass wir mit dem Besuch eines Seminars bzw. eines Coachings in der Gruppe starten, weil dort neues Wissen und Bewusstsein zu Geld und Risiko in der Gruppe vermittelt werden. Das ist aus meiner Erfahrung ein wertvoller Prozess, da die Menschen sich gerne miteinander austauschen, aber in der Gruppe auch eine Tiefe entstehen kann, wo Ruhe und Zeit da sind.

Es geht um eine neue Betrachtung von Geld: Was löst es in mir aus? Woher kommt meine Beziehung zu Geld? Danach findet, wenn nötig, ein Einzelcoaching statt. Dieses Vorgehen ist dahingehend speziell, dass in dieser Gruppenkonstellation etwas passiert, was in einem klassischen Coachinggespräch nicht so intensiv stattfindet, nämlich Pausen. Es braucht viel Raum zum Denken und Sackenlassen. Danach geht es in alle Richtungen, ­z. B., dass ich jemanden mehrere Jahre begleite.

Was ist der Unterschied zur Beratung?

In der Beratung geht ein Kunde raus, wie er reingekommen ist. Er kommt mit seinem Geld und bekommt, wenn es eine gute Beratung ist, eine passende Lösung für sich – und ein Produkt. Im Coaching geht der Kunde in der Regel mit einem anderen Bewusstsein heraus, z. B. einer anderen Einstellung zu Risiko, zu Geld und einem anderen Umgang mit Gefühlen. Das kann sogar die Ziele des Menschen verändern. Aber die Lösung entsteht dann aus dieser Veränderung des Kunden, aus seiner neuen Haltung, seinem neuen Wissen, gepaart mit einem Coaching, das auf Fragen aufbaut wie: Mit dieser neuen Einstellung, wie können Sie jetzt Ihr Ziel erreichen? Was haben Sie für Ideen? Welchen Experten brauchen Sie dazu?

Welche Themen kommen im Finanzcoaching denn häufig von Kundenseite?

Klassische Herausforderung: Finanzentscheidung in der Lebenskrise, z. B. Scheidung. In der Rolle der verlassenen Person, ob Ehefrau oder Ehemann, fühlt man sich schwach und einsam. Die Person muss aber mit dem Partner Finanzentscheidungen treffen, etwa wenn sie gemeinsames Vermögen haben, Kinder haben. Im Finanzcoaching ist dann ein ganz wichtiger Schritt, dass die Finanzcoaches diese Person in ihrer Rolle als Finanzentscheider ansprechen und nicht in der Rolle als verlassene Ehefrau oder Ehemann. Ich muss den Menschen auf Augenhöhe begegnen: „Gehen Sie mal zurück an die Stelle, wo Sie die letzte Finanzentscheidung getroffen haben, die wichtig für Sie war. Wie haben Sie das gemacht? Was haben Sie da für Ressourcen aktiviert? Wie ist es Ihnen gelungen?“ Und in dem Moment entsteht im Coaching dieser Shift, dass jemand mit der Rolle reinkam, mit der er oder sie in dem Moment am meisten berührt ist, aber wir schnell an dem Punkt sind, wo die Ressourcen dieser Person trotzdem auch in einer schwierigen Situation angesprochen werden. Darauf können wir aufbauen, denn die meisten Menschen haben schon sehr gute Entscheidungen getroffen in anderen Situationen oder in einer anderen Rolle.

Anderes Beispiel: Ein vermögender Mensch, der bereits häufig selbst Finanzentscheidungen trifft und parallel noch einen Vermögensverwalter hat, ist nach seinen Entscheidungen immer unruhig, fühlt sich nicht richtig wohl. Mit dieser Person mache ich zwei Dinge: Ich schaue mir an, ist vielleicht die Anlage, die Vermögensstruktur, die sie gewählt hat, unpassend? Ist sie weniger risikobereit als gedacht? Wenn das so ist, kann sie es reallokieren, z. B. mit etwas weniger Aktien und mehr Anleihen, und so eine neue Struktur finden, damit das Risiko besser zu ihr passt. Wenn aber das Risiko schon gut passt, dann schauen wir eine Stufe tiefer: Was löst denn diese Geldentscheidung in ihr aus? Gab es vielleicht mal eine biografische Begebenheit, in der dieser Mensch gelernt hat: „Ich kann das nicht“? Und das ist wieder klassisch Finanzcoaching, wir fragen: Wie kann die Person lernen, sich ihrer Rolle und ihrer Ressourcen als Finanzentscheider bewusster zu werden?

Was sollte man von einem Finanzcoaching dann nicht erwarten?

Ich bin Psychologin und Finanzcoach und habe keine Erlaubnispflicht für produktbezogene Finanzberatung oder Vermittlung oder Vermögensverwaltung. Das bedeutet, bei uns gibt es keine Produkte. Der Kunde trifft unabhängige Entscheidungen und wählt seine Kapitalanlage eigenständig. Oder er verwaltet sein Vermögen über einen Berater. Wir kooperieren zu diesem Zweck auch mit ausgewählten Beratern.

Verhalten sich aus psychologischer Sicht die Geschlechter in Sachen Finanzen verschieden? Können Sie da etwas feststellen oder sind das Klischees?

Jein. Es ist wichtig, dass wir da mit Vorurteilen aufräumen. Finanzentscheider, egal welchen Geschlechts, sind erst mal Persönlichkeiten und Persönlichkeitsmerkmale sind normal verteilt. Das bedeutet, wir finden unter Männern und Frauen risikoscheue, risiko­mittelbereite und risikofreudige Menschen. Der Unterschied der Risikobereitschaft zwischen Männern und Frauen ist sehr viel geringer, als die meisten Berater bisher glauben. Frauen werden im Beratungsprozess aber häufig als risikoscheuer vorausgesetzt, und dementsprechend bekommen sie weniger Risikokommunikation, weniger Risikoangebot, weniger Risikoauswahl. Natürlich sind Frauen auch sozialisiert, in diesen Gesprächen sich selber als nicht sehr risikobereit wahrzunehmen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem alle Beteiligten aussteigen sollten. Was sich unterscheidet, ist dann das Verhalten in bestimmter Umgebung: Frauen haben in der Regel eine geringere Risikokapazität. Sie haben weniger Vermögen und weniger Gehalt. Das ist aber keine unverrückbare Grenze. Die Risikokapazität kann auch bewusst ausgebaut werden. Sie muss beim Risiko­profiling berücksichtigt werden, darf aber den Entscheidungsprozess nicht dominieren.

Und gibt es bei Ihnen dann spezielles Coaching für Frauen oder machen Sie das bewusst nicht?

Das gibt es bei mir im Einzelcoaching nicht. Auch in den offenen Seminaren lade ich nicht nur Frauen ein, das ist ein ganz offenes Geschehen. Ich weiß, das ist gegen den Trend. Aber das ist unser Weg bei FCM, wie wir versuchen Vorurteile gegenüber Frauen und die Genderthematik zu überwinden. Wenn ich mich mit Coaching intensiv beschäftige, dann bin ich so individuell und so nahe an dem Coachee dran, da sollte es vollkommen egal sein, welches Geschlecht die Person hat. Da geht es wirklich um den Fingerabdruck der einzelnen Person und ihre Biografie, ihre Erfahrung und ihre Ziele bezüglich Geld. Coaching ist immer ein sehr maßgeschneiderter Prozess, da bleibe ich bei der Person, Persönlichkeit, bei dem Menschen, der vor mir sitzt. Der muss sich gemeint fühlen, und dem muss ich helfen, sich selbst besser kennen zu lernen. Es geht auch gar nicht darum, dass ich so viel über die Coachees weiß. Der Klient muss sich selbst besser kennen lernen, damit er oder sie auf Basis der ganz persönlichen Ressourcen eine Lösung aufbauen kann.

Die Stimmen werden lauter, dass schon junge Menschen „finanzgebildet“ werden sollten, z. B. bereits in der Schule. Wie stehen Sie dazu?

Da bin ich sehr dafür – mit einem großen Unterschied zur traditionellen Finanzbildung, die sicherlich wichtig ist, aber die viel wirkungsvoller sein wird, wenn wir mit den Kindern auch schon in Kindergarten, Schule, Gymnasium, Berufsschule die emotionale Seite von Geld vermitteln, sie erleben lassen, wie Geld auf sie wirkt. Denn selbst Kinder in Kindergarten, Grundschule haben schon eine eigene Geschichte mit Geld in ihrer Familie. Sie haben schon eigene negative und positive Erfahrungen gemacht.

Wenn wir es den Kindern ermöglichen, über diese Erfahrungen mit einer erwachsenen, professionellen Person nachzudenken, dann haben wir eine Riesenchance, den Kindern zu helfen, aus diesen erlernten Mustern schon frühzeitig wieder auszusteigen. Dadurch werden sie offener . Das macht ihren Handlungsspielraum sehr viel breiter und vergrößert auch die Bereitschaft, zu lernen und Wissen zu erwerben und das auch umzusetzen.

Sie bieten neben Beratung auch Aus- und Weiterbildungen an, z. B. für Finanzberater oder Finanzdienstleister. Wer kommt da und was lernen die Teilnehmenden?

Häufig ist es so, dass Berater erleben, dass die Kunden die Lösung, die sie anbieten, nicht annehmen können, sich dafür nicht entscheiden können. Und dann kommen Berater an ihre Grenzen. Sie kommen zu uns und sagen: „Ich brauche was anderes als das, was ich bisher gelernt habe.“ Sie möchten auch die Beziehung zu Menschen ganz besonders intensiv pflegen, den Kunden persönlichkeitsorientiert begleiten. Ich habe Berater, die sind 30 und kommen in die Ausbildung, und es gibt welche, die sind 50 und 55, die sagen: „Das mit den Produkten mache ich jetzt schon 10, 20, 25 Jahre. Es ist auch für mich als Profi interessant, noch mal eine beruflich neue Rolle kennenzulernen, die mich fordert, die auch in mir ungenutzte Ressourcen aktiviert.“ Oft sind sie überrascht, wie groß der Unterschied zwischen Beratung und Coaching ist. Beratung baut nämlich auf auf Fachwissen basierender Sicherheit auf. Im Coaching muss ich alles loslassen, was ich weiß. Als Coach stelle ich Fragen und der Kunde kommt ins Denken. Und solange der Kunde denkt, ist Stille. Mit dieser Stille hat der eine oder andere Berater schon eine Herausforderung, weil es ihn verun­sichert. Aber aus diesem leeren Raum, aus diesem Nichtwissen, entstehen diese wunderbaren, tragfähigen, nachhaltigen Lösungen, die der Kunde selbst entdeckt und zu denen der Berater dann auch am Ende, wenn er wieder in die andere Rolle schlüpft, ein sehr passendes Produkt finden kann.

Und welchen Mehrwert hat diese Ausbildung für einen Berater? Wie kann die Ausbildung seine Tätigkeit bereichern und welche Kompetenzen erwirbt er?

Die, die ich ausgebildet habe, sagen z. B.: „Ich habe gelernt, neu und richtig Fragen zu stellen, Menschen zum Nachdenken anzuregen. Ich habe gelernt, offener zuzuhören, dass Gesagte wertfrei auf- und anzunehmen. Ich merke, dass mein Interesse am Kunden ganz neu und viel größer geworden ist, dass Menschen sich dadurch noch sehr viel wohler in der Beratung oder im Coaching fühlen. Durch die Coachingausbildung sind meine Gespräche tiefgründiger geworden.“ Ganz wichtig: nicht länger, da wir sogar viel schneller an den Punkt kommen, wenn wir näher an den Kunden rankommen und ihm helfen, seine Gedanken zu formulieren.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Monika Müller, FCM Finanz Coaching

 
Ein Interview mit
Monika Müller