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29. Mai 2024
Finanzcoaching: „Es geht um eine neue Betrachtung von Geld“

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Finanzcoaching: „Es geht um eine neue Betrachtung von Geld“

Was sollte man von einem Finanzcoaching dann nicht erwarten?

Ich bin Psychologin und Finanzcoach und habe keine Erlaubnispflicht für produktbezogene Finanzberatung oder Vermittlung oder Vermögensverwaltung. Das bedeutet, bei uns gibt es keine Produkte. Der Kunde trifft unabhängige Entscheidungen und wählt seine Kapitalanlage eigenständig. Oder er verwaltet sein Vermögen über einen Berater. Wir kooperieren zu diesem Zweck auch mit ausgewählten Beratern.

Verhalten sich aus psychologischer Sicht die Geschlechter in Sachen Finanzen verschieden? Können Sie da etwas feststellen oder sind das Klischees?

Jein. Es ist wichtig, dass wir da mit Vorurteilen aufräumen. Finanzentscheider, egal welchen Geschlechts, sind erst mal Persönlichkeiten und Persönlichkeitsmerkmale sind normal verteilt. Das bedeutet, wir finden unter Männern und Frauen risikoscheue, risiko­mittelbereite und risikofreudige Menschen. Der Unterschied der Risikobereitschaft zwischen Männern und Frauen ist sehr viel geringer, als die meisten Berater bisher glauben. Frauen werden im Beratungsprozess aber häufig als risikoscheuer vorausgesetzt, und dementsprechend bekommen sie weniger Risikokommunikation, weniger Risikoangebot, weniger Risikoauswahl. Natürlich sind Frauen auch sozialisiert, in diesen Gesprächen sich selber als nicht sehr risikobereit wahrzunehmen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem alle Beteiligten aussteigen sollten. Was sich unterscheidet, ist dann das Verhalten in bestimmter Umgebung: Frauen haben in der Regel eine geringere Risikokapazität. Sie haben weniger Vermögen und weniger Gehalt. Das ist aber keine unverrückbare Grenze. Die Risikokapazität kann auch bewusst ausgebaut werden. Sie muss beim Risiko­profiling berücksichtigt werden, darf aber den Entscheidungsprozess nicht dominieren.

Und gibt es bei Ihnen dann spezielles Coaching für Frauen oder machen Sie das bewusst nicht?

Das gibt es bei mir im Einzelcoaching nicht. Auch in den offenen Seminaren lade ich nicht nur Frauen ein, das ist ein ganz offenes Geschehen. Ich weiß, das ist gegen den Trend. Aber das ist unser Weg bei FCM, wie wir versuchen Vorurteile gegenüber Frauen und die Genderthematik zu überwinden. Wenn ich mich mit Coaching intensiv beschäftige, dann bin ich so individuell und so nahe an dem Coachee dran, da sollte es vollkommen egal sein, welches Geschlecht die Person hat. Da geht es wirklich um den Fingerabdruck der einzelnen Person und ihre Biografie, ihre Erfahrung und ihre Ziele bezüglich Geld. Coaching ist immer ein sehr maßgeschneiderter Prozess, da bleibe ich bei der Person, Persönlichkeit, bei dem Menschen, der vor mir sitzt. Der muss sich gemeint fühlen, und dem muss ich helfen, sich selbst besser kennen zu lernen. Es geht auch gar nicht darum, dass ich so viel über die Coachees weiß. Der Klient muss sich selbst besser kennen lernen, damit er oder sie auf Basis der ganz persönlichen Ressourcen eine Lösung aufbauen kann.

Die Stimmen werden lauter, dass schon junge Menschen „finanzgebildet“ werden sollten, z. B. bereits in der Schule. Wie stehen Sie dazu?

Da bin ich sehr dafür – mit einem großen Unterschied zur traditionellen Finanzbildung, die sicherlich wichtig ist, aber die viel wirkungsvoller sein wird, wenn wir mit den Kindern auch schon in Kindergarten, Schule, Gymnasium, Berufsschule die emotionale Seite von Geld vermitteln, sie erleben lassen, wie Geld auf sie wirkt. Denn selbst Kinder in Kindergarten, Grundschule haben schon eine eigene Geschichte mit Geld in ihrer Familie. Sie haben schon eigene negative und positive Erfahrungen gemacht.

Wenn wir es den Kindern ermöglichen, über diese Erfahrungen mit einer erwachsenen, professionellen Person nachzudenken, dann haben wir eine Riesenchance, den Kindern zu helfen, aus diesen erlernten Mustern schon frühzeitig wieder auszusteigen. Dadurch werden sie offener . Das macht ihren Handlungsspielraum sehr viel breiter und vergrößert auch die Bereitschaft, zu lernen und Wissen zu erwerben und das auch umzusetzen.

Sie bieten neben Beratung auch Aus- und Weiterbildungen an, z. B. für Finanzberater oder Finanzdienstleister. Wer kommt da und was lernen die Teilnehmenden?

Häufig ist es so, dass Berater erleben, dass die Kunden die Lösung, die sie anbieten, nicht annehmen können, sich dafür nicht entscheiden können. Und dann kommen Berater an ihre Grenzen. Sie kommen zu uns und sagen: „Ich brauche was anderes als das, was ich bisher gelernt habe.“ Sie möchten auch die Beziehung zu Menschen ganz besonders intensiv pflegen, den Kunden persönlichkeitsorientiert begleiten. Ich habe Berater, die sind 30 und kommen in die Ausbildung, und es gibt welche, die sind 50 und 55, die sagen: „Das mit den Produkten mache ich jetzt schon 10, 20, 25 Jahre. Es ist auch für mich als Profi interessant, noch mal eine beruflich neue Rolle kennenzulernen, die mich fordert, die auch in mir ungenutzte Ressourcen aktiviert.“ Oft sind sie überrascht, wie groß der Unterschied zwischen Beratung und Coaching ist. Beratung baut nämlich auf auf Fachwissen basierender Sicherheit auf. Im Coaching muss ich alles loslassen, was ich weiß. Als Coach stelle ich Fragen und der Kunde kommt ins Denken. Und solange der Kunde denkt, ist Stille. Mit dieser Stille hat der eine oder andere Berater schon eine Herausforderung, weil es ihn verun­sichert. Aber aus diesem leeren Raum, aus diesem Nichtwissen, entstehen diese wunderbaren, tragfähigen, nachhaltigen Lösungen, die der Kunde selbst entdeckt und zu denen der Berater dann auch am Ende, wenn er wieder in die andere Rolle schlüpft, ein sehr passendes Produkt finden kann.

Und welchen Mehrwert hat diese Ausbildung für einen Berater? Wie kann die Ausbildung seine Tätigkeit bereichern und welche Kompetenzen erwirbt er?

Die, die ich ausgebildet habe, sagen z. B.: „Ich habe gelernt, neu und richtig Fragen zu stellen, Menschen zum Nachdenken anzuregen. Ich habe gelernt, offener zuzuhören, dass Gesagte wertfrei auf- und anzunehmen. Ich merke, dass mein Interesse am Kunden ganz neu und viel größer geworden ist, dass Menschen sich dadurch noch sehr viel wohler in der Beratung oder im Coaching fühlen. Durch die Coachingausbildung sind meine Gespräche tiefgründiger geworden.“ Ganz wichtig: nicht länger, da wir sogar viel schneller an den Punkt kommen, wenn wir näher an den Kunden rankommen und ihm helfen, seine Gedanken zu formulieren.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Monika Müller, FCM Finanz Coaching

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Ein Interview mit
Monika Müller