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9. April 2025
Fachkräftemangel? Nein, Führungskräftemangel!
Fachkräftemangel? Nein, Führungskräftemangel!

Fachkräftemangel? Nein, Führungskräftemangel!

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde – doch das eigentliche Problem liegt tiefer. Es mangelt nicht nur an qualifizierten Mitarbeitern, sondern vor allem an Führungskräften, die verstanden haben, dass sich die Spielregeln verändert haben. Zeit umzudenken, meint Andreas Wollermann.

Ein Artikel von Andreas Wollermann, Berater und Trainer für Versicherer und Finanzdienstleister unter der Wortmarke GENsurance®

Wenn in Unternehmen über den Fachkräftemangel gesprochen wird, geht es fast immer um die gleichen Fragen: Wo finden wir neue Talente? Wie gewinnen wir junge Mitarbeiter? Welche Benefits müssen wir bieten, um attraktiv zu sein?

Doch das eigentliche Problem liegt viel tiefer. Wir haben nicht nur einen Mangel an Fachkräften, wir haben einen Mangel an Führungskräften, die verstanden haben, dass sich die Spielregeln der Führung grundlegend verändern werden. Während Unternehmen händeringend nach neuen Mitarbeitern suchen, treiben sie die bestehenden oft mit veralteten Führungsmethoden in die Flucht. Kontrolle, starre Strukturen und reine Zielvorgaben? Das zieht nicht mehr.

Das alte Führungsmodell funktioniert nicht mehr

Die Zeiten, in denen Menschen einen Job ausschließlich für das Gehalt oder die Sicherheit gemacht haben, sind vorbei. Junge Talente wollen mehr als nur eine gute Bezahlung und 30 Urlaubstage, sie wollen Sinn, Eigenverantwortung und Entwicklung. Dies und vieles mehr ist kein „Nice-to-have“, kein Luxusproblem, das man mit ein paar Benefits lösen kann. Das ist die neue Realität auf dem Arbeitsmarkt. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur eine hohe Fluktuation, sondern gefährdet langfristig die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens.

Denn während einige Unternehmen immer noch nach dem Motto „Jeder ist ersetzbar“ handeln, haben Talente längst verstanden, dass „auch Arbeitgeber ersetzbar“ sind. Und genau deshalb entscheiden sich immer mehr Fachkräfte bewusst gegen Unternehmen mit veralteten Führungsstrukturen und für Arbeitgeber, die moderne Führung leben.

Was heißt das für Führungskräfte?

Die Anforderungen an Führung haben sich verändert. Wir brauchen weniger Manager, die Prozesse verwalten und Hierarchien dienen, sondern mehr Leader, die Menschen inspirieren.

Erfolgreiche Führungskräfte von heute wissen, dass Talente nicht mehr einfach nur geführt, sondern begeistert werden müssen. Sie beschränken sich nicht auf das bloße Erteilen von Anweisungen, sondern vermitteln eine klare und inspirierende Vision. Statt Kontrolle auszubauen, setzen sie darauf, Verantwortung abzugeben und damit Vertrauen und Eigeninitiative zu fördern. Der Wandel beginnt nicht bei den Mitarbeitern, sondern bei den Führungskräften. Um den Unterschied zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf zwei grundlegende Führungsstile:

  • die transaktionale Führung: Kontrolle und Belohnung oder „Führung von früher“ sowie
  • die transformationale Führung: Inspiration und Eigenverant­wortung.
Transaktionale Führung erstickt Motivation

Der transaktionale Führungsstil basiert auf klaren Regeln, Zielvorgaben und einem Belohnungs- bzw. Bestrafungssystem. Wer Leistung bringt, wird belohnt, und wer Erwartungen nicht erfüllt, bekommt Druck. Die Herausforderung?

Ein striktes Kontrollsystem führt dazu, dass Mitarbeiter nur noch „Dienst nach Vorschrift“ leisten – sie erledigen genau das, was verlangt wird, aber nicht mehr. Zudem bremst es Innovation, denn kreative Lösungen entstehen nicht durch starre Vorgaben, sondern durch Eigenverantwortung und den Mut, Fehler zu machen. Gleichzeitig sinkt die intrinsische Motivation, da Mitarbeiter nicht aus eigener Überzeugung arbeiten, sondern weil sie es müssen.

Ein transaktionaler Führungsstil mag in standardisierten Umfeldern funktionieren, aber nicht in einer Welt, die von Innovation, Wandel, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit lebt.

Transformationale Führung: Sinn und Vertrauen machen den Unterschied

Transformationale Führung setzt stattdessen auf Motivation durch Sinnhaftigkeit, individuelle Förderung und Vorbildfunktion. Führungskräfte, die nach diesem Prinzip arbeiten, schaffen eine Kultur, in der Mitarbeiter gerne Verantwortung übernehmen, weil sie sich gesehen, wertgeschätzt und inspiriert fühlen. Die Chancen transformationaler Führung:

  1. Vision & Inspiration: Mitarbeiter verstehen das „Warum“ hinter ihrer Arbeit und fühlen sich mit dem Unternehmen verbunden.
  2. Individuelle Förderung: Jeder bekommt die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und über sich hinauszuwachsen. Fehler werden nicht bestraft. Das hieraus Gelernte steht im Vordergrund.
  3. Vorbildfunktion: Führungskräfte gehen selbst mit gutem Beispiel voran und leben die Werte, die sie erwarten. „Nur wer selber brennt, kann das Feuer in anderen entfachen!“ (Augustinus von Hippo)
  4. Wandel & Eigenverantwortung: Statt Kontrolle gibt es Vertrauen und damit Raum für Kreativität und Innovation.
Wie wird man zur transformationalen Führungskraft?

Viele Führungskräfte stecken noch in alten Mustern fest, nicht aus bösem Willen, sondern weil sie es einfach nicht anders gelernt haben. Doch Führung ist nichts Statisches. Jeder kann lernen, ein inspirierender Leader zu sein. Dafür braucht es vor allem drei Dinge:

Selbstreflexion: Bin ich noch ein „alter“ Chef?

Die erste Frage, die sich jede Führungskraft stellen darf: Wie führe ich heute und wie will ich führen? Erwarte ich von meinen Mitarbeitern, dass sie einfach nur funktionieren? Kontrolliere ich mehr, als dass ich vertraue? Kommuniziere ich eine Vision, also ein Zielbild der Zukunft, oder nur Vorgaben? Wer sich selbst ehrlich reflektiert, erkennt oft schnell, wo Veränderung notwendig ist.

Vertrauen geben, statt nur fordern

Viele Führungskräfte haben Angst davor, Kontrolle abzugeben. Doch genau das ist entscheidend. Mitarbeiter, die Vertrauen spüren, übernehmen Verantwortung: Weniger Mikromanagement, mehr Selbstorganisation, weniger starre Vorgaben, mehr kreative Freiheit, weniger „Warum hast du das so gemacht?“, mehr „Was ist/war deine Idee dazu?“

Die eigene Rolle neu denken

In der neuen Arbeitswelt ist eine Führungskraft kein Kontrolleur, sondern ein Coach. Ein Coach fördert, statt nur zu fordern. Ein Coach gibt Feedback, statt nur zu bewerten. Ein Coach schafft eine Umgebung, in der Menschen sich entwickeln können. Transformationale Führung bedeutet nicht, die Zügel aus der Hand zu geben, sondern eine Kultur zu schaffen, in der sich Mitarbeiter selbst entfalten können.

Fazit

Unternehmen, die an alten Führungsmethoden festhalten, werden auf Dauer verlieren. Nicht nur im Wettbewerb um junge Talente, sondern auch in ihrer Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit. Die gute Nachricht? Führung kann sich verändern. Führungskräfte können sich verändern. Und genau das ist heute wichtiger denn je. Zeit, umzudenken.

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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Andreas Wollermann