Nun ist es offiziell: Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins über zwei Jahre schrittweise erhöht hatte, kommt es nun zur Zäsur. Die letzte Leitzinserhöhung gab es im September 2023. Seitdem stand der Leitzins bei 4,5%. Nun erfolgt erstmals wieder eine Senkung um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25%. Der Einlagenzins für Banken sinkt um den gleichen Wert.
Mit diesem Schritt reagiert die EZB auf den Rückgang der Inflation von in der Spitze 10,6% auf zuletzt 2,6%. Auf Grundlage einer aktualisierten Einschätzung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission sei es nun angemessen, den Grad der geldpolitischen Restriktionen abzumildern, wie es in der Pressemitteilung der EZB dazu heißt. Die Inflationsaussichten hätten sich deutlich verbessert.
Wie geht es weiter? EZB will von Sitzung zu Sitzung entscheiden
Wie der EZB-Rat weiter mitteilt, will man dafür sorgen, dass die Inflation zeitnah wieder ihr mittelfristiges Ziel von 2% erreicht. Deshalb wollen die Währungshüter die Leitzinsen so lange wie nötig ausreichend restriktiv halten. Bei der Festlegung des Ausmaßes und der Dauer der Restriktion werde man weiterhin einen datenabhängigen Ansatz verfolgen. Über den weiteren Kurs will die EZB von Sitzung zu Sitzung entscheiden.
Die Experten erwarten für 2024 eine Gesamtinflation von durchschnittlich 2,5%, im Jahr 2025 von 2,2 % und im Jahr 2026 von 1,9%. Für die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel prognostizieren die Fachleute einen Durchschnitt von 2,8% im Jahr 2024, 2,2% im Jahr 2025 und 2,0% im Jahr 2026.
Stimmen aus der Finanzwelt
Die Entscheidung der EZB war in der Finanzwelt mit Spannung erwartet worden, wie AssCompact berichtete. Kurz nach der Verkündung gab es erste Stimmen dazu. So sagte etwa Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa beim Vermögensverwalter DWS: „Wie von uns erwartet, legte sich die EZB auf keinen Zinssenkungspfad fest. Ihre Datenabhängigkeit bleibt groß. Gleichzeitig deutet die Aufwärtsrevision der Inflationsprognosen besonders für 2025 daraufhin, dass es nun doch länger dauern könnte, bis das Inflationsziel erreicht ist. Diese Aussage ist deutlich restriktiver als erwartet und legt weiter nur sehr graduelle Zinssenkungen nahe.“
Nächste Zinssenkung im September?
Kastens rechnet mit einer Pause von Zinsschritten im Juli und weiteren Zinssenkungen im September und Dezember. Auch Dr. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, hält eine weitere Zinssenkung im September für realistisch. „Der Zinsschritt wirkt angesichts der aktuellen Daten zu Inflation und Konjunktur verfrüht. Er war von der Notenbank jedoch angekündigt und ein Verzicht hätte die Märkte in Unruhe versetzt.“ „Der Autopilot für Zinssenkungen – frei nach Nagel – bleibt ausgeschaltet. Allenfalls eine weitere Zinssenkung im September ist realistisch“, so Heise weiter. Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich der ING, erwartet im weiteren Verlauf des Jahres kaum weitere Zinssenkungen. „Die Gefahr einer Rückkehr der Inflation ist immer noch zu hoch.“
Der Bankenverband weist ebenfalls daraufhin, dass weitere EZB-Zinssenkungen kein Automatismus seien. Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, bezeichnet die Zinssenkung als „gut so“, denn die europäischen Währungshüter seien bei der Bekämpfung der Inflationsgefahren noch lange nicht am Ziel. „Preistreiber bleiben die überdurchschnittlich steigenden Löhne im Dienstleistungssektor. Und perspektivisch könnte auch ein fallender Euro-Wechselkurs für steigende Inflation sorgen“, so Herkenhoff weiter. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, dass die EZB erst gar nicht die Erwartung einer dichten Abfolge von Zinssenkungen aufkommen lasse.
Was heißt Zinssenkung für die Baufinanzierungszinsen?
Welche Auswirkungen hat die Ankündigung der EZB auf die Baufinanzierungszinsen? Dazu erklärt Mirjam Mohr, Vertriebsvorständin des Vermittlers privater Baufinanzierungen Interhyp: „Unserer Meinung nach wird die Leitzinssenkung der EZB keine spürbaren Auswirkungen auf die langfristigen Kreditzinsen haben, weil die Finanzmärkte bereits bis zu drei Zinssenkungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte in diesem Jahr eingepreist haben.“ (tik)
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Bild: © Peter Stein – stock.adobe.com
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