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20. Juni 2018
Expertentalk: Die Lehren aus dem P+R Skandal

Expertentalk: Die Lehren aus dem P+R Skandal

Die Pleite der Containerinvestments von P+R beschäftigt nicht nur betroffene Vermittler und Anleger. Auch Rechtsexperten setzen sich mit dem Fall auseinander. Beim Thementag Geldanlage „Welche Lehren sind aus dem P+R Skandal zu ziehen?“ von Verbraucherfinanzen-Deutschland.de diskutierten sie die Folgen des Skandals.

Rund 40 Jahre ist alles gut gegangen. Das war wohl das größte Kauf- und Verkaufsargument für die Containerinvestments der Firma P+R. Aus dem langjährigen Vorzeigeunternehmen im sogenannten „grauen Kapitalmarkt“ ist jetzt aber der größte Anlegerskandal Deutschlands und ein enormer Imageschaden für eine ganze Branche entstanden. Waren die Zeichen nicht zu erkennen? Haben über 54.000 Anleger nur blauäugig investiert? Wie konnte das passieren und welche Lehren sind hieraus zu ziehen? Darüber diskutierten renommierte Referenten und Diskussionsteilnehmer beim Thementag Geldanlage „Welche Lehren sind aus dem P+R Skandal zu ziehen?“ von Verbraucherfinanzen-Deutschland.de am 14.06.2018 im municon am Münchener Flughafen.

Mehrere Experten vor Ort

Neben Moderator Friedrich Andreas Wanschka nahmen an der Veranstaltung Stefan Loipfinger, der freie Fachjournalisten der bereits seit Jahren vor Ungereimtheiten bei P+R gewarnt hatte, Peter Mattil, Fachanwalt bei Mattil & Kollegen und aktuell im Gläubiger-Ausschuss bei P+R, Dr. Wolfgang Schirp, Fachanwalt bei Schirp und Partner, der die BaFin in diesem Fall verklagt, Herr Wolfgang Wittmann, Fachanwalt der auf das Thema Anfechtungsklausel aufmerksam machte, und Dr. Thorsten Voß, Fachanwalt und früher bei der BaFin tätig, teil.

1 Million Container fehlen

Die Experten stellten noch einmal fest, dass rund 1 Million Container fehlen, die von Anlegern bezahlt wurden. Laut Stefan Loipfinger wurden auch Gebrauchtcontainer als Neucontainer den Anlegern verkauft. Der vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Michael Jaffé verwies zudem darauf, dass sich das Firmengeflecht über viele Länder zieht. Mit der Insolvenzeröffnung rechnet der Experte im Sommer 2018. Anlegeranwalt Mattil wies darauf hin, dass die Container in der Schweiz vermietet wurden und dort der deutsche Insolvenzverwalter keinen Zugang hat. Das Verfahren beziehe sich somit auf mindestens zwei Länder bezieht. Der Experte befürchtet zudem lange Laufzeiten für die Anleger. Zudem sei fraglich was die Eigentumszertifikate wirklich wert sind, da keine physische Übergabe der Container an die Anleger stattgefunden hat.

Drohender Totalverlust

Ein weiteres Damoklesschwert für Anleger zeigte Fachanwalt Wittmann auf: die Anfechtungsklage. Demnach könnte der Insolvenzverwalter Ausschüttungen an die Anleger aus den letzten vier Jahren zurückfordern. Dies wäre der Super-GAU, wie anwesende Anleger befürchten. Neben einer wahrscheinlich niedrigen Quote von 20–25%, wie Stefan Loipfinger errechnete, würde das bei einer jährlichen Ausschüttung von rund 5% auf vier Jahre, zu einem endgültigen Totalverlust der Anleger führen.

Besonders alte Menschen betroffen

Rechtsanwalt Mattil wies darauf hin, dass viele seiner Mandanten ein hohes Alter haben. Dies sei speziell gewesen bei P+R, da die guten Erfahrungen in der Vergangenheit besonders innerhalb von Familien zu ständig revolvierenden Anlagen in P+R geführt hätten. Sebastian Brunner, Pressesprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters Jaffe, wiegelte die Thematik ab. Eine Anfechtungsklage sei sehr schwer durchzufechten und nicht im vorrangigen Interesse eines Insolvenzanwaltes.

Klage gegen die BaFin

Worin sich die Referenten alle einig waren, dass sich die BaFin in diesem Fall viel zu stark herausgehalten hat. Rechtsanwalt Dr. Schirp will deshalb auch die BaFin über den EuGh innerhalb der nächsten drei Wochen verklagen. Inwieweit diese Klage durchsetzungsfähig sein wird, lässt sich heute noch nicht beantworten, so die Meinung der anwesenden Juristen. Fassungslos machte auch die Bewertung im Falle P+R. Wer hat hier eigentlich was geprüft? Wenn nichts vorhanden war, was ist dann geprüft worden von den Analysten und Vermittlern? Ist bei den Vermittlern was für Anleger zu holen? Wenn es Banken oder Sparkassen waren, dann schon, meinten anwesende Juristen.

Nur noch nach KAGB zulassen

Am Nachmittag der Veranstaltung wurde dann über Verbesserungen diskutiert, um solche Skandale in der Zukunft zu vermeiden. Hier sei ganz klar auch die Politik gefragt, die sich aktuell auch sehr zurückhält. Rechtsanwalt Dr. Voß, früher für die BaFin tätig, empfahl künftig keine Vermögensanlagen mehr zu genehmigen. Stattdessen sollten nur noch Anlagen nach dem KAGB zugelassen werden. (mh)