In den vergangenen Jahren waren Lebensversicherer mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Die Unsicherheiten durch volatile Zinsmärkte und wirtschaftliche Entwicklungen erschweren es, Kunden langfristig an Vorsorgeprodukte zu binden. Wie kann die deutsche Lebensversicherungsbranche ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern? Dieser Frage hat sich das Strategie- und Managementberatungsunternehmen zeb in seiner aktuellen Lebensversicherungsstudie angenommen.
Die historisch von Kontinuität und Beständigkeit geprägte Lebensversicherungsbranche durchlebt derzeit „fundamentale Umbrüche, die über die historischen Herausforderungen aus der Regulatorik deutlich hinausgehen“, schreiben die Studienautoren. Versicherer, groß wie klein, stehen unter hohem Transformationsdruck. Etablierte Geschäftsmodelle, die über viele Jahre lang funktioniert haben, stehen infrage. Die Studie identifiziert die dringlichsten Herausforderungen, denen sich die Unternehmen stellen müssen, darunter Fachkräftemangel, ein hoher technischer Erneuerungsbedarf, veränderte Kundenbedürfnisse und steigende regulatorische Anforderungen.
Kunden wollen Flexibilität, Innovation
So schrumpft mit dem demografischen Wandel die klassische Kernzielgruppe der Lebensversicherer in der Altersklasse 20– bis 60-Jährige bis zum Jahr 2040 um mehr als 6 Millionen. Seit dem Jahr 2019 tritt die Branche sozusagen auf der Stelle, schreiben die Studienautoren. Durchschnittlich um 2,7% pro Jahr sind seitdem die Bruttobeiträge laut Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) geschrumpft. Besonders im Einmalgeschäft tun sich die Versicherer schwer. Rund 13% jährlich sind die Einmalbeiträge im Zeitraum von 2020 bis 2023 geschrumpft.
Diese Entwicklung sei ein Indiz dafür, dass sich Kunden verstärkt nach Alternativen zur klassischen Lebensversicherung umsehen, schreiben die Autoren. Aktien und Investmentfonds gewinnen zunehmend an Beliebtheit, was wiederum bedeutet, dass Unternehmen flexiblere und anpassungsfähigere Produkte anbieten müssen, um wettbewerbsfähig gegenüber branchenfremden Anbietern zu bleiben. Vor allem jüngere Kunden erwarten dabei ein nahtloses digitales Kundenerlebnis, sowohl beim Produkt selbst als auch bei deren Vertrieb und Verwaltung.
Massive Investitionen in IT-Systeme benötigt
Um dies leisten zu können, müssen Unternehmen massive Investitionen rund um die Modernisierung der IT-Systeme tätigen, so die Autoren. Laut dem GDV sind die IT-Ausgaben der Branche im Jahr 2022 auf einen Rekordwert von 5,9 Mrd. Euro gestiegen – im Jahr 2013 waren es noch rund 4 Mrd. Euro, die die Versicherer in ihre IT gesteckt haben. Diese Investitionen versprechen zwar langfristige Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen, treiben aber kurzfristig erst einmal die Ausgaben kräftig in die Höhe. Denn mit 2,5% liegt die Verwaltungskostenquote auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren. Neben den massiven Ausgaben im Bereich IT sind auch steigende Personalkosten mit für den Anstieg der Verwaltungskostenquote verantwortlich.
Fokussierung bleibt Erfolgsfaktor
Die Studie analysiert die vier vorwiegenden Geschäftsmodelle, die den deutschen Lebensversicherungsmarkt beherrschen – die sogenannten „European Giants“, Vollsortimenter, Bestandsversicherer und Versicherer mit Fokus auf Lebensversicherungsprodukte – und kommen zu dem Schluss, dass spezialisierte Versicherer mit klarem Fokus auf Lebensversicherungsprodukte derzeit am erfolgreichsten am Markt agieren. Mit einem Fünfjahreswachstum von durchschnittlich 1,1% per annum liegen sie deutlich über dem Marktdurchschnitt von 2,7% – das liegt vor allem an dem erfolgreichen Neugeschäft im Bereich der fondsgebundenen Lebensversicherung.
Dennoch bleibt die Rentabilität eine Herausforderung. Das Geschäft bleibt zwar profitabel, jedoch sinkt die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen laut GDV-Erhebung von 3,59% im Jahr 2018 auf nur noch 2,27% im Jahr 2023. Kooperationen und Fusionen können daher vor allem für kleinere Anbieter eine Lösung sein, um Skaleneffekte zu nutzen und Kosten zu senken.
bAV als Wachstumstreiber
Mit Blick auf die Zukunft müssen die Lebensversicherer ihre Produkte innovativ gestalten und optimieren, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben und sich nicht von branchenfremden Anbietern mit technologischen Vorteilen und attraktiven Renditen aus dem Markt drängen zu lassen, schreiben die Studienautoren. Neben der Flexibilität gilt es allerdings gleichzeitig, traditionelle Stärken wie garantierte Renten hervorzuheben.
Die verstärkte Investition in digitale Services und zeitgemäße Kundenansprache müssen ebenso sichergestellt werden wie die eine hohe Beratungsqualität. Hier muss die Branche einen Mittelweg finden, ihre traditionellen Vertriebsstärken mit digitalen Innovationen zu verknüpfen.
Ein weiterer Hoffnungsträger der Sparte ist die betriebliche Altersversorgung (bAV). Einen wesentlichen Vorteil sieht die Studie dabei für Lebensversicherer darin, dass es in diesem Segment kaum externe Konkurrenz gibt, da versicherungsfremde oder innovative Sparprodukte hier nicht greifen.
Flexibilität wird Relevanz der Lebensversicherer sicherstellen
Die Studie unterstreicht, dass die Lebensversicherung als Ganzes betrachtet „ihre systemrelevante Rolle in der Altersvorsorge auch zukünftig beibehalten wird“. Mit der notwendigen Flexibilität wird es möglich sein, Vorsorgeprodukte erfolgreich am Markt zu positionieren. Eine Bereitschaft zur Veränderung und Weiterentwicklung wird hier entscheidend sein. So müssen die Anbieter nicht nur die Vorteile der Digitalisierung nutzen, sondern auch den Spagat zwischen Vorsorge und Liquidität meistern, so die Studie. Entscheidend sei es dabei, die Produkte nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit Vertriebsstrategien, Partnerplattformen und Alleinstellungsmerkmalen zu betrachten. (js)
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Leserkommentare
Comments
Zukunftsfest???
Aktuell besteht keine Chance die Lebensversicherung zukunftsfest zu machen. Im Gegenteil, ohne positive Rendite hilft keine Flexibilität-auch keine Förderung.
Wenn man aber die Innovation für hohe sichere Rendite blockt, SEIT 7 JAHREN bereit zur Umsetzung, bleibt alles so wie es ist. Ich nenne es das German Digital, Plattform und Autosyndrom. Aussitzen……
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