Die Europäische Kommission möchte mithilfe der EU-Taxonomie bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten als nachhaltig klassifizieren. Ziel ist die Mobilisierung privaten Kapitals, um die Nachhaltigkeitswende in Wirtschaft und Gesellschaft auf eine breite Finanzierungsbasis stellen zu können. Für mehrere Monate klammerte die EU-Kommission allerdings die zentrale Frage aus, ob Energie aus Atom- und Erdgaskraftwerken ebenfalls als nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zählen. Erst am Silvestertag des vergangenen Jahres legte die EU-Kommission offen, dass beide Formen der Energieerzeugung in die EU-Taxonomie integriert werden und damit Investitionsobjekt von nachhaltigen Fonds darstellen können. In ihrer Stellungnahme hat sich die Bundesregierung nun klar gegen Atomkraft, aber doch für Erdgas ausgesprochen.
Ein entschiedenes „Nein“ bei der Atomkraft
Der Aufnahme von Atomkraft in die Taxonomie widerspricht die Bundesregierung entschieden. In ihrer Stellungnahme an die EU-Kommission heißt es: „Aus Sicht der Bundesregierung ist Atomenergie nicht nachhaltig. Deshalb lehnen wir eine Aufnahme in den delegierten Rechtsakt unter der Taxonomie-VO ab. Schwere Unfälle mit großflächigen, grenzüberschreitenden und langfristigen Gefährdungen von Mensch und Umwelt können nicht ausgeschlossen werden (sogenanntes Restrisiko). Atomenergie ist teuer und die Endlagerfrage ist nicht gelöst.“ Als weitere Gegenargumente formuliert die Bundesregierung die Trägheit von Atomkraftwerken, sodass sie im Vergleich zu Gaskraftwerken im Bedarfsfall nicht flexibel und schnell genug hochgefahren werden könnten, sowie ihre jahrzehntelangen Genehmigungsprozesse. Ein Neubau von Atomkraftwerken sei daher keine kurzfristige Möglichkeit zum Ausstieg aus dem besonders CO2-intensiven Energieträger Kohle, wie es in dem Regierungspapier weiter heißt.
Befürwortung von Gas als Brückentechnologie
Bei Gaskraftwerken fällt die Stellungnahme seitens der Bundesregierung dann deutlich nachsichtiger aus. Für die Bundesregierung bildet der Brennstoff fossiles Gas in hochmodernen und effizienten Gaskraftwerken für einen begrenzten Übergangszeitraum – bis zur Umstellung auf einen auf erneuerbaren Energien beruhenden Energiesektor – eine Brücke, um den schnellen Kohleausstieg zu ermöglichen, dadurch kurzfristig CO2-Einsparungen zu erreichen und den Hochlauf der erneuerbaren Energien zu begleiten. Diese Befürwortung verknüpft die Bundesregierung in dem dreiseitigen Schreiben sogar mit einer Forderung nach weniger strikten Klimaauflagen als es die EU-Kommission verlangt. Die EU-Anforderungen beim Umbau von alten auf neue Gaskraftwerke etwa seien zu streng, heißt es in der Stellungnahme. Allerdings: Entsprechend des Schreibens ist die Nutzung von Erdgas langfristig wiederum auch nicht nachhaltig.
Folgen für die Fondswirtschaft
Die Folgen einer Aufnahme von Atom und Gas in das EU-Regelwerk bleiben für die Fondswirtschaft im Kundengeschäft wahrscheinlich begrenzt. Sicherlich können Ökofonds künftig Aktien von Betreiberfirmen im Atom- und Gaskraftwerkmarkt kaufen und ihre Fonds trotzdem als nachhaltig bezeichnen. Allerdings will die EU-Kommission durch eine Gesetzesänderung bei den Offenlegungspflichten erreichen, dass diese Fonds dann künftig die Anleger klar und deutlich darüber informieren, ob sie Wertpapiere von Gas- und Atomkraftfirmen halten. Abschließend entscheiden also die Anleger, welche Fonds sie kaufen und ob dadurch auch Atom oder Gas von ihrer nachhaltigen Klassifizierung überhaupt profitieren.
Hürden für Änderungen am Beschluss sind hoch
Indes sind etwaige Änderungen am Beschluss der EU-Kommission nahezu ausgeschlossen. Im EU-Ministerrat müssten 20 von 27 Regierungen eine Blockade fordern, was angesichts vieler Atom-Befürworter unter den EU-Staaten unrealistisch ist. Im Europaparlament würde dagegen eine Mehrheit der Abgeordneten genügen. Allerdings wird sich diese bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen nach Erwartung der Kommission nicht finden. (as)
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