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28. April 2023
EU-Kommission verzichtet auf Provisionsverbot – vorerst
EU-Kommission verzichtet auf Provisionsverbot – vorerst

EU-Kommission verzichtet auf Provisionsverbot – vorerst

Paukenschlag für die Finanzbranche: Die Finanzkommissarin der EU-Kommission Mairead McGuinness verkündete auf einer Finanzkonferenz in Stockholm, dass vorerst kein EU-weites Provisionsverbot für Finanzberater etabliert werde. AfW, BDVM und BVK haben sich gegenüber AssCompact geäußert.

Im April geht es drunter und drüber beim Thema Provision. Die Uni Regensburg behauptet, dass die Renditen in Ländern mit Provisionsverbot in der Finanzberatung höher sind als in denen ohne, das ifa Ulm erteilt der EU-Kleinanlegerstudie, die für weite Teile der Provisionsdebatte auf politischer Ebene wegweisend war, einen deutlichen Laufpass und auch der potenzielle Entscheidungstermin der Debatte wurde um drei Wochen auf Ende Mai verschoben (AssCompact berichtete: Würde ein Provisionsverbot eine höhere Rendite einbringen?, Ifa kritisiert EU-Kleinanlegerstudie zu Provisionsverbot, EU-Provisionsverbot: Mehr Klarheit ab Ende Mai).

Doch EU-Kommissarin Mairead McGuinness verkündete am Donnerstag, 27.04.2023, beim Eurofi Highlevel Seminar in Stockholm eine für viele Finanzberater wohl erfreuliche Nachricht. Nämlich, dass – zumindest vorerst – auf ein EU-weites Provisionsverbot in der Finanzberatung verzichtet wird. Das meldete das Handelsblatt in der Nacht auf Freitag.

McGuinness verkündet: vorerst kein Provisionsverbot

„Wir haben denen zugehört, die uns sagen, dass ein vollständiges Provisionsverbot zu diesem Zeitpunkt disruptiv sein könnte“, wird McGuinness beim Handelsblatt zitiert. Stattdessen erwäge man nun andere Maßnahmen wie mehr Transparenzpflichten. Auch aus Deutschland gab es mehrere Stimmen, die ein EU-weites Provisionsverbot für eine stark problematische Regelung hielten – sowohl für die Berater als auch für die Kundschaft.

In der oben genannten ifa-Studie beispielsweise befürchten die Autoren, dass insbesondere Menschen mit geringerem Einkommen benachteiligt würden, wenn Honorarberatung das exklusive Geschäftsmodell der Finanzberatung wäre, weswegen sie für eine Koexistenz von Honorar- und Provisionsberatung plädieren. Die Verbraucherverbände sehen in der Provisionsberatung dagegen ein zu hohes Potenzial für Interessenkonflikte und sind überzeugt, dass Kunden dadurch schwer benachteiligt werden.

Thema Provisionsverbot noch nicht vom Tisch

Bislang war der Tenor von EU-Finanzkommissarin McGuinness durchgehend ein anderer. Laut Handelsblatt habe sie auch deutlich gemacht, dass das Thema Provisionsverbot noch nicht zu Ende diskutiert ist. Ihrer Meinung nach sei ein Berater, der auf Provision arbeitet, eigentlich ein Verkäufer und der habe daher ein eigenes finanzielles Interesse daran, dem Kunden ein möglichst teures Produkt zu verkaufen: „Kleinanlegern werden selten die günstigsten Produkte angeboten, obwohl diese häufig genauso gut sind wie die teuren“, sagte sie auf der Konferenz in der schwedischen Hauptstadt.

Das soll am 24. Mai entschieden werden

Auch wenn jetzt nicht gehandelt werde, bedeute dies „keinen Freifahrtschein für den Finanzsektor“. Um einen „faireren Deal“ für die Verbraucher zu liefern, müssten manche in der Branche ihr Geschäftsmodell überdenken, so McGuinness, die die Vorschriften in der Provisionsberatung in Zukunft verschärfen will. Bei „execution only“- Geschäften, also Geschäften, bei denen eine Finanzfirma nur eine Order ausführt und keine Beratungsleistung liefert, sollen Provisionen verboten werden.

Auch solle es eine bessere Auflistung der Kosten geben, um Verbrauchern einen Vergleich zwischen den Optionen besser zu ermöglichen. Am 24.05.2023 sollen diese Regulierungen vor dem Hintergrund der „Kleinanlegerstrategie“ dargelegt werden. Ebenfalls enthalten werde der Gesetzesentwurf eine Revisionsklausel, die es McGuinness ermöglicht, ein vollständiges Provisionsverbot zu einem späteren Zeitpunkt durchzusetzen, „falls es nötig sein sollte“.

AfW äußert sich zum Verzicht

Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung AfW e. V., hat sich auf Nachfrage von AssCompact mit einem ersten Statement zur Entscheidung der EU-Finanzkommissarin geäußert: „Die richtigen Argumente haben dann doch überzeugt. […] Für die vom Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e. V. vertretenen Versicherungsmaklerinnen und -makler und Finanzberaterinnen und -berater, aber ganz besonders die Verbraucher, welche ansonsten auf qualifizierte Beratung hätte verzichten müssen, ist das eine gute Nachricht.“

In einer offiziellen Mitteilung des AfW heißt es außerdem, dass McGuinness einen "Runden Tisch" unter anderem mit Vertretern der Branche und des Verbraucherschutzes einrichten möchte. Auch werden weitere geplante Maßnahmen der EU-Finanzkommissarin bei der Provisionsberatung genannt, so zum Beispiel die Sicherstellung eines besseren Preis-Leistungs-Verhältnisses, verstärkte Kontrollen der Aufsichtsbehörden und eine Verschärfung der Bedingungen, unter denen Vergütungsanreize zulässig sind.

BVK freut sich, dass Argumente "gehört wurden"

Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat sich mit einem Statement an die Presse gewandt. Darin begrüßt der BVK die Ankündigung von McGuinness, von der Einführung eines Provisionsverbots Abstand zu nehmen. "Wir begrüßen diesen richtigen Schritt und werden den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eng begleiten. Im Moment überwiegt jedoch zunächst die Erleichterung, dass sich unsere intensiven Bemühungen in Zusammenarbeit mit unserem europäischen Dachverband der Vermittler BIPAR (European Federation of Insurance Intermediaries) in den letzten Wochen gelohnt haben und unsere Argumente gehört wurden", freut sich BVK-Präsident Michael H. Heinz.

Ein Provisionsverbot hätte das Aus für rund 190.000 Versicherungsvermittler in Deutschland bedeuten können, so der BVK. Die Forderung nach weiteren Offenlegungspflichten sehe der Verband dagegen als Chance für die Branche. Im Sinne eines sinnvollen Verbraucherschutzes müsse man hier im weiteren Dialog eine ausgewogene Lösung finden.

BDVM begrüßt die Entscheidung der EU-Kommission

Auf Nachfrage von AssCompact kommentiert auch Dr. Bernhard Gause, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler e. V. (BDVM) die Ankündigung der EU-Kommissarin: "Der BDVM begrüßt die Entscheidung der EU-Kommission und wird sich auch im weiteren Verfahren für die Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Blick auf die Vergütung der Vermittlung von Versicherungsprodukten einsetzen. Der provisionsbasierte Vertrieb stellt die Beratung für die Bevölkerung in der Breite sicher. Und über die gesetzlichen Vorgaben hinaus hat der BDVM in seinem Code of Conduct klar formuliert: Das Kundeninteresse und nicht das wirtschaftliche Eigeninteresse des Versicherungsmaklers bestimmt die Auswahlentscheidung des Versicherungsmaklers." (mki)

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