Ein Beitrag von Christian Crain, Co-Geschäftsführer der PriceHubble Deutschland GmbH
Ethisch, ökologisch und sozial – so sollen die Immobilien der Zukunft gebaut oder renoviert werden. Diese europäische Fokussierung auf ESG ist ein wichtiger Meilenstein, um das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen. So müssen in Zukunft alle (Immobilien-)Anlagen klare Standards in Sachen Nachhaltigkeit einhalten und nachweisen. Dieser politische und gesellschaftliche Druck, insbesondere auf die Immobilienwirtschaft, ist nachvollziehbar, sieht man sich einige Zahlen an: In der Europäischen Union sind Wohn- und Gewerbegebäude zusammen für etwa 40% des Energieverbrauchs und für 36% der CO2-Emissionen verantwortlich.
Um die europäischen Klimaziele umzusetzen, muss also auch die Immobilienbranche um- und weiterdenken. In der EU-Verordnung zur Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte, der „Sustainable Finance Disclosure Regulation“ (SFDR), müssen Kunden, Anleger und Investoren darüber informiert werden, welche Nachhaltigkeitsrisiken es gibt und welche Folgen diese Risiken für die finanziellen Ergebnisse haben können. Denn eine fehlende Solaranlage oder vergleichbare regenerative Energiequelle, eine fehlende Lademöglichkeit für E-Autos oder die fehlende Nutzung von Regenwasser als Brauchwasser können in Zukunft den Wiederverkaufswert einer Immobilie erheblich beeinflussen. Um solche Faktoren strukturiert aufzubereiten und in der Immobilienbewertung zu berücksichtigen, braucht es Big-Data- basierte Bewertungsmodelle und künstliche Intelligenz (KI).
Die grüne Bilanz des Lebenszyklus Wohnimmobilie
Zunächst aber müssen sich Immobilienentwickler und Immobilienunternehmen selbst in die Lage versetzen, die Fragen nach Energieeffizienz, Energieverbrauch und Emissionen ihrer Gebäude zu beantworten. Die Angriffspunkte für das Thema ESG sind vor allem im Wohnimmobilienmarkt mannigfaltig und beginnen schon im Bau. Projektentwickler und Investoren sollen und müssen sich mehr mit der CO2-Bilanz von Baumaterialien auseinandersetzen. Der Ausspruch „wie Sand am Meer“ suggeriert eine unendliche Quelle, doch Sand, ein Hauptbestandteil von Beton, ist nach Wasser die zweitwichtigste Ressource und genauso knapp. Es gilt also schon jetzt, sich nach alternativen Baumaterialien und Bauarten umzusehen. Darüber hinaus werden auch soziale Themen wie die Einhaltung von Standards im Bereich Arbeitsschutz und -bedingungen künftig einen höheren Stellenwert erlangen und unter anderem bei der Auswahl von Baufirmen oder auch bei der Kreditvergabe berücksichtigt.
Energieverbrauch im Fokus
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Auseinandersetzung mit der Energiebilanz während der Nutzung von Wohngebäuden. Energieausweise sind schon heute Pflicht für jedes Gebäude und diese Daten werden bereits flächendeckend bereitgestellt. Eine umfassende Datenbasis zur CO2-Bilanz eines Gebäudes von der Errichtung bis zur Nutzung ist noch Zukunftsmusik, doch wenn es einmal möglich ist, zentral für jedes Wohngebäude eine Datenbasis bereitzustellen, wird es auch möglich sein, diese in der Immobilienbewertung entsprechend zu berücksichtigen.
ESG-Faktoren als Einflussgröße in der Immobilienbewertung
Sowohl beim Neubau als auch bei Modernisierungen wird es zum nachhaltigen Werterhalt künftig immer wichtiger, nicht nur heutige ESG-Standards zu erfüllen, sondern gesetzliche Vorgaben und gesellschaftliche Erwartungen über die Lebenszyklen von Gebäuden zu antizipieren. Wie weit man dabei geht, hängt natürlich auch vom Einfluss dieses Erfüllungsgrads auf die Wertentwicklung ab. Trotz hoher Korrelation mit dem Baujahr lässt sich aus Marktdaten heute bereits ableiten, dass Gebäude mit besserem Energiestandard höhere Preise erzielen, auch im Vergleich mit Gebäuden ähnlichen Alters und Zustands. Dies muss der Investor ins Verhältnis zu seinen Kosten setzen.
Seite 1 ESG: Neue Dimension der Nachhaltigkeit in der Immobilienbewertung
Seite 2 Daten müssen zentral bereitgestellt werden
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