Die Baubranche befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Der deutliche Rückgang der Bauaktivitäten, steigende Materialkosten, Lieferengpässe, Fachkräftemangel und bürokratische Hürden setzen etlichen Unternehmen zu. Entsprechend erwartet der Kreditversicherer Atradius mit mehr Firmenpleiten im laufenden Jahr. „Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Anstieg der Insolvenzen in der Baubranche zwischen 10 und 15% gegenüber dem Vorjahr“, erklärt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central and East Europe bei Atradius.
Getrieben werde die negative Stimmung in der Baubranche insbesondere durch die aktuelle Lage im Wohnungsbau, aber auch im gewerblichen Hochbau. Es fehlt an neuen Aufträgen und Arbeitskräften, die Baupreise und Finanzierungskosten sind gestiegen und das Ausfallrisiko der Bauträger und Projektentwickler hat sich erhöht.
KMU derzeit am stärksten betroffen
Im Jahr 2023 legte die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe gegenüber dem Vorjahr um rund 21% zu auf 2.900 Unternehmenspleiten. Damit wurde das Vor-Corona-Niveau um einen mittleren einstelligen Prozentbereich übertroffen – im Jahr 2019 lag die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe bei 2.770. „Bestehende Auftragsüberhänge wurden 2023 abgearbeitet und es mangelt an neuen Aufträgen“, so Michael Karrenberg. Aktuell am stärksten betroffen seien kleine und mittelständische Firmen, da diese über geringere finanziellen Mitteln verfügen.
Erschwerend kommt laut Atradius hinzu, dass das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, den Wohnungsmangel durch den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen zu bekämpfen, bei Weitem nicht erreicht werde. Im vergangenen Jahr wurden nach bisherigen Angaben lediglich rund 245.000 Wohnungen fertiggestellt. „Auch für dieses und nächstes Jahr dürften sich daran wenig ändern. Ich fürchte, dass sich die Pleitewelle in der Folge erst in diesem Jahr richtig zeigen wird“, so die Einschätzung von Michael Karrenberg. Von der abnehmenden Nachfrage werden schließlich auch nachgelagerte Branchen wie Baustoffhändler, Küchenbauer, Handwerker oder Sanitäranlagenhersteller mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung betroffen sein.
Dennoch positive Aussichten für die Baubranche
Aufgrund des steigenden Bedarfs an Wohnraum, dem Ausbau der Energieinfrastruktur und der Mobilitätswende sind die Perspektiven der Baubranche dennoch weiterhin positiv. „Wir brauchen für die Zukunft eine funktionierende und gut aufgestellt Baubranche“, betont Karrenberg. Die aktuelle Marktbereinigung sei nicht gesund, da die Branche aufgrund der bestehenden Herausforderungen zahlreiche Unternehmen verliere, die mittel- und langfristig eigentlich benötigt würden. (tik)
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