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20. Dezember 2022
Erbschaftsteuererhöhung – ganz heimlich, still und leise?
Erbschaftsteuererhöhung – ganz heimlich still und leise?

Erbschaftsteuererhöhung – ganz heimlich, still und leise?

Bundestag und Bundesrat haben grünes Licht für eine Gesetzesänderung bei der Immobilienbewertung gegeben. Damit ändert sich der im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer anzusetzende Wert einer Immobilie. Welche Folgen das für die Steuerbelastung hat, erläutert eine Rechtsexpertin.

Ein Beitrag von Ulrike Specht, Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Paluka Rechtsanwälte Loibl Specht PartmbB

Weder die Steuerklassen noch die Steuersätze noch die persönlichen Freibeträge wurden durch das Jahressteuergesetz 2022 geändert. Dennoch ist von einer Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Rede. Denn mit dem Jahressteuergesetz 2022, dem nach dem Bundestag nun auch der Bundesrat am 16.12.2022 in seiner letzten Sitzung dieses Jahres zugestimmt hat, werden zahlreiche Vorschriften des Bewertungsgesetzes geändert, um eine Anpassung an die seit 2021 geltende Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) zu erreichen. Damit ändert sich auch der im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer anzusetzende Wert einer Immobilie mit dem Ziel einer Annäherung der Werte an den tatsächlichen Verkehrswert. Die Anpassung ist aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zwingend zu erfüllen, um eine Besserstellung von Erbschaften, die Immobilien enthalten gegenüber Erbschaften mit im Wesentlichen Geld- oder Wertpapiervermögen, zu vermeiden.

Die Änderung der Steuerbelastung ist von vielen Faktoren abhängig

Seit einigen Wochen wird nun heftig diskutiert, ob diese Gesetzesänderung in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer drastischen Erhöhung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer führt. Zuletzt war daher auch die Erhöhung der persönlichen Freibeträge in die Debatte einbezogen, jedoch nicht umgesetzt worden. Ob eine Erbschaft oder eine lebzeitige Schenkung aufgrund der mit dem Jahressteuergesetz 2022 verbundenen Gesetzesänderung tatsächlich zu einer höheren Steuerbelastung führt, hängt von vielen Faktoren ab. So kommt es zunächst darauf an, welches Bewertungsverfahren zur Anwendung gelangt. Das wiederum hängt von der Art der Immobilie ab.

Vergleichsverfahren vs. Sachwertverfahren

Dem Vergleichsverfahren unterliegen grundsätzlich das Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser. Mietwohngrundstücke oder Geschäftsgrundstücke dagegen sowie gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, unterliegen dem Ertragswertverfahren. Dem Sachwertverfahren unterliegen schließlich Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich keine auf dem örtlichen Grundstücksmarkt übliche Miete ermitteln lässt sowie alle sonstigen bebauten Grundstücke. Zudem kommt das Sachwertverfahren auch für Wohnungseigentum und Ein- und Zweifamilienhäuser zur Anwendung, wenn kein Vergleichswert vorliegt.

Änderungen haben Folgen für Restnutzungsdauer

Sowohl beim Ertragswertverfahren als auch beim Sachwertverfahren schlagen sich die Änderungen bezüglich der Restnutzungsdauer nieder. Für die Bestimmung des Alters eines Gebäudes wird das Jahr der Bezugsfertigkeit nicht berücksichtigt. Die Restnutzungsdauer beträgt in der Regel mindestens 30% der Gesamtnutzungsdauer. Eine höhere Restnutzungsdauer führt im Ergebnis zu einem höheren Steuerwert.

Regelungen zum Liegenschaftszins ändern sich

Geändert werden auch die Regelungen zum Liegenschaftszinssatz. Zwar wird auch weiterhin grundsätzlich auf die von den Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze abgestellt. Sind solche aber nicht vorhanden, gelten die gesetzlich festgelegten Zinssätze. Diese wurden zur Anpassung an die ImmoWertV abgesenkt und betragen für Mietwohngrundstücke künftig 3,5% (statt 5%), für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50% künftig 4,5% (statt 5,5%), bei höhrem gewerblichen Anteil 5% (statt 6%) und bei Geschäftsgrundstücken 6% (statt 6,5%). Damit steigt der Vervielfältiger für die Berechnung des Gebäudereinertrags. In Kombination mit der ebenfalls angehobenen Restnutzungsdauer führt dies zu einem deutlich niedrigeren Abzugsposten und im Ergebnis zu einem höheren bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer anzusetzenden Wert.

Neuregelung beim Ansatz der Bewirtschaftungskosten

Änderungen ergeben sich im Rahmen des Ertragswertverfahrens ferner beim Ansatz der Bewirtschaftungskosten. Vom Rohertrag werden die Bewirtschaftungskosten in Abzug gebracht. Während bislang die Bewirtschaftungskosten nach Erfahrungssätzen der Gutachterausschüsse, oder, falls solche nicht vorhanden waren, die pauschalierten Bewirtschaftungskosten anzusetzen waren, sind nun stets die an den Bewertungsstichtag angepassten Bewirtschaftungskosten aus Anlage 23 anzusetzen. Statt eines prozentualen Anteils an der Jahresmiete sind demnach künftig fixe Beträge, u. a. je Wohnung 230 Euro oder je Garage 30 Euro anzusetzen und die Instandhaltungskosten werden mit 9 Euro je Quadratmeter Wohnfläche und 68 Euro je Garage angesetzt (jeweils ohne Berücksichtigung der Wertsicherung). Damit steigt zum einen der Bearbeitungsaufwand, weil künftig die Anzahl der Wohnungen und die Wohnfläche zu berücksichtigen sind. Je nach Lage des Objekts kann dies bei teuren Innenstadtlagen zu einem ggf. zu geringen Abzugsbetrag, bei niedrigeren Mieten ggf. zu einem überhöhten Abzugsbetrag führen. Die Neuregelung wird durch eine Wertsicherungsklausel ergänzt, sodass die Fixbeträge entsprechend anzupassen sind. Diese Inflationsbereinigung ist zwar günstig für den Steuerpflichtigen, aber der ggf. zu geringe Betrag der Bewirtschaftungskosten wirkt sich nachteilig für ihn aus.

Werthaltige bauliche Außenanlagen müssen nun gesondert bewertet werden

Für das Sachwertverfahren gilt weiterhin (wie auch für das Ertragswertverfahren), dass sonstige bauliche Anlagen, insbesondere Außenanlagen, mit dem Sachwert abgegolten sein sollen. Davon künftig ausgenommen sind aber besonders werthaltige bauliche Außenanlagen und sonstige Anlagen. Diese müssen im Rahmen des Sachwertverfahrens gesondert bewertet werden. Bisher waren diese mit dem Sachwert des Objektes abgegolten. Im Ergebnis führen damit derartige Anlagen zu einem höheren Sachwert als bisher. Künftig soll zudem den regional unterschiedlichen Baukosten Rechnung getragen werden und auch im Bereich der Alterswertminderung ergeben sich Änderungen.

Vergleichsfaktoren sind künftig drei Jahre lang anzuwenden

Für das Vergleichswertverfahren ist die wesentliche Änderung, dass die von den Gutachterausschüssen ermittelten Vergleichsfaktoren künftig anzusetzen und drei Jahre lang anwendbar sind (statt bisher zwei Jahre). Zudem werden außerhalb eines Verkehrswertgutachtens den Wert beeinflussende Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art nicht berücksichtigt. Auch für die Bewertung von Erbbaurechten, Erbbaugrundstücken und Gebäuden auf fremden Grund und Boden ergeben sich mit der Neuregelung Änderungen, auf die aber in diesem Artikel nicht näher eingegangen werden soll.

Fazit für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dies, dass die lebzeitige Übergabe oder die erbrechtliche Nachfolge gut und vorausschauend geplant und geregelt sein will. Denn auch weiterhin bleibt es zum Beispiel bei den Regelungen zur Steuerfreiheit des sogenannten Familienheims. Die lebzeitige Übertragung des Familienheims unter Ehegatten sowie die Vererbung unter Ehegatten bleibt unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Wert gänzlich steuerfrei. Auch bei der Vererbung eines Familienheims an Kinder gelten die bisherigen Regelungen zur (teilweisen) Steuerfreiheit weiter.

Zudem wird auch die längerfristige Planung in den Fokus rücken, um die persönlichen Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die alle zehn Jahre erneut ausgeschöpft werden können, optimal zu nutzen. So können zum Beispiel auch Teilübertragungen in Betracht kommen, um das Vermögen sukzessive auf die nächste Generation zu übertragen. Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich ferner insoweit, als zum Beispiel bei der Übergabe von Grundbesitz bestimmte Rechte wie Nießbrauch oder Zuwendungsnießbrauch sowie Wohnungsrechte vorbehalten werden können. Diese mindern den Wert der Zuwendung.

Gemeinsam ist aber allen Gestaltungsmöglichkeiten, dass stets nicht nur auf die Steuer geachtet werden sollte, da an anderer Stelle Nachteile entstehen können wie zum Beispiel im Hinblick auf Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die sorgfältige Planung unter Einbeziehung der erbrechtlichen, pflichtteilsrechtlichen, aber auch der steuerlichen Aspekte ist damit mehr denn je zu empfehlen.

Über die Autorin

Ulrike Specht berät Mandanten im Erbrecht zur Nachfolgegestaltung (Testamentsgestaltung und vorweggenommene Erbfolge) mit besonderem Schwerpunkt bei der Unternehmensnachfolge und landwirtschaftlichen Hofnachfolge. Ferner vertritt die Kanzlei Mandanten in sämtlichen erbrechtlichen Verfahren wie zum Beispiel Erbscheinsverfahren und Pflichtteilsstreitigkeiten.

Bild: © sommart – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Ulrike Specht