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20. April 2023
Entschädigungen durch Betriebsschließungsversicherung?
Entschädigungen durch Betriebsschließungsversicherung?

Entschädigungen durch Betriebsschließungsversicherung?

Während der Pandemie litten Betriebe unter Schließungen und Umsatzeinbußen. Viele zogen vor Gericht. Ein Gastronom scheiterte 2022 vor dem BGH. Nun entschied das Gericht teilweise zugunsten eines Hotels. Was war der Unterschied und welche Unternehmen haben noch Chancen auf Entschädigung?

Ein Artikel von Cäsar Czeremuga, LL.M., Rechtsanwalt und Partner bei NORDEN Rechtsanwälte

Im aktuellen Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hatte eine Hotelbetreiberin aus Niedersachsen gegen die ERGO Versicherung geklagt. Sie forderte Entschädigung aus ihrer Betriebsschließungsversicherung (BSV), da sie aufgrund behördlicher Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 ab dem 18.03.2020 und erneut ab dem 02.11.2020 keine Übernachtungen zu touristischen Zwecken anbieten konnte. Die BSV der ERGO basierte auf den „Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)“. Der Versicherer hatte sich verpflichtet, im Falle einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung den entgehenden Gewinn sowie die fortlaufenden Kosten bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit zu ersetzen. Die Hotelbetreiberin klagte auf Zahlung für die erste Schließung und auf Feststellung, dass der Versicherer auch verpflichtet sei, ihr den aus der erneuten Schließung ab dem 02.11.2020 entstandenen Schaden zu ersetzen. Der BGH entschied, dass die Hotelbetreiberin keine Entschädigung für die erste Schließung verlangen kann, jedoch besteht die Leistungspflicht des Versicherers dem Grunde nach für die zweite Schließung (Urteil vom 18.01.2023 (Az. IV ZR 465/21).

Wann ist Covid-19 als Ursache einer Betriebsschließung versichert und wann nicht?

Im Januar 2022 entschied der BGH zu Versicherungsbedingungen, die eine tabellarische Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern enthielten. Da Covid-19 zum Zeitpunkt der meisten Vertragsabschlüsse noch nicht bekannt war, ist es in solchen „Katalogklauseln“ nicht enthalten. Der BGH urteilte: Was nicht genannt ist, ist nicht versichert (Urteil vom 26.01.2022, ­­­Az.: IV ZR 144/21).

Im aktuellen Urteil entschied der BGH erstmals zu Versicherungsbedingungen ohne „Katalog“ von Krankheiten und Erregern. Die ERGO Versicherung hatte ihr Leistungsversprechen auf „die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ begrenzt.

Trotzdem erhält die Hotelbetreiberin für den ersten Lockdown kein Geld. Der BGH entschied: Wenn der Versicherer in seinen Bedingungen auf die §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verweist, dann sei für den Versicherungsnehmer ausreichend ersichtlich, dass nur die in diesen Vorschriften mit Namen bezeichneten Krankheiten und Krankheitserreger versichert seien. Zum Zeitpunkt der ersten behördlichen Schließungsanordnungen im März 2020 war das SARS-CoV-2-­Virus aber noch nicht namentlich im IfSG genannt. Das Virus wurde erst am 23.05.2020 in die §§ 6 und 7 IfSG aufgenommen. Nicht ausreichend sei, dass die Meldepflichten aufgrund der nach § 15 IfSG erlassenen Verordnung ab 01.02.2020 auf Covid-19 bzw. SARS-CoV-2 ausgedehnt worden waren. Deshalb sei es zum Zeitpunkt der ersten Schließung nicht versichert gewesen.

Für den zweiten Lockdown stellte sich nun die Frage, worauf es ankommt: auf die Fassung des IfSG bei Abschluss des Versicherungsvertrages oder auf die Fassung des IfSG im Zeitpunkt der behördlichen Schließungsanordnung. Der BGH entschied: Wenn die Bedingungen keine zeitliche Fassung des IfSG angeben, gilt im Zweifel die für den Versicherungsnehmer günstigste Auslegung, das heißt, der Zeitpunkt der Schließungsanordnung. Für den zweiten Lockdown war Covid-19 bzw. SARS-CoV-2 deshalb als Ursache einer Betriebsschließung versichert.

Ein Satz des BGH aus den Entscheidungsgründen lässt aber aufhorchen: Hätte der Versicherer den Versicherungsschutz auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses genannten Krankheiten und Krankheitserreger beschränken wollen, hätte er dies durch eine ihm ohne Weiteres mögliche und zumutbare Klarstellung in den Versicherungsbedingungen erreichen können. Entschieden ist es nicht, aber der BGH deutet an, dass für Betriebe, deren Versicherungsbedingungen auf eine konkrete Fassung des IfSG vor dem 23.05.2020 abstellen, kein Versicherungsschutz besteht.

Staatliches Handeln ist weitreichend versichert

Der BGH hat weitere umstrittene Rechtsfragen geklärt und vielen gängigen Argumenten der Versicherer eine Absage erteilt. So erfordert eine behördliche Schließungsanordnung keinen konkret-individuellen Verwaltungsakt gegenüber dem einzelnen versicherten Betrieb. Ausreichend ist eine Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung, die eine Schließung anordnet. Der Versicherungsschutz setzt auch nicht voraus, dass die behördliche Maßnahme rechtmäßig war, wenn die Bedingungen die Rechtmäßigkeit nicht ausdrücklich fordern. Der BGH hat zudem erneut bestätigt, dass nicht nur betriebsinterne (sogenannte „intrinsische“) Gefahren versichert sind, sondern auch Gefahren aus „generalpräventiven Gründen“.

Wichtige Rechtsfragen weiter offen

Andere wichtige Rechtsfragen sind weiter ungeklärt, weil sie der BGH nicht entscheiden musste: Gastro- und Hotelbetriebe versuchten, finanzielle Verluste durch den erlaubten Außer-Haus-Verkauf zu mildern. Geschäftsreisende durften weiterhin in Hotels übernachten. Umstritten ist daher die Frage, ob in diesen Fällen überhaupt eine „Schließung des versicherten Betriebs oder einer versicherten Betriebsstätte“ im Sinn der Versicherungsbedingungen vorliegt. Im BGH-Fall war dies nicht relevant, da die ERGO-­Bedingungen eine sogenannte Teilschließung explizit versicherten. Richtigerweise nimmt der BGH eine Teilschließung an, wenn lediglich die Beherbergung aus touristischen Zwecken untersagt werde und der Betrieb nur insoweit eingestellt werden musste. Die Mitversicherung von Teilschließungen ist jedoch in vielen auf dem Markt verbreiteten allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich vereinbart. Ob nach diesen AVB eine Betriebsschließung vorliegt, wird der BGH noch entscheiden müssen.

Da die Hotelbetreiberin hinsichtlich des zweiten Lockdowns nur auf Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers klagte, musste der BGH zur konkreten Höhe der Entschädigung nicht entscheiden. Auch bei der Frage der Entschädigungshöhe liegen Versicherer mit ihren Kunden über eine Reihe von Rechtsfragen im Clinch, beispielsweise, ob Kurzarbeitergeld oder die sogenannte Novemberhilfe Ansprüche mindern. Das sind wichtige Fragen. Ein Versicherungsanspruch dem Grunde nach hilft Unternehmen wenig, wenn kein Geld vom Versicherer fließt, weil staatliche Leistungen anzurechnen sind. Auch hierzu müssen wir künftige Entscheidungen des BGH abwarten.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Das Fazit nach zwei Grundsatzentscheidungen des BGH: Das Thema BSV beschäftigt Gerichte weiter. Im Dauerstreit mit ihren Versicherern haben Kunden weiter Chancen auf eine Entschädigung. Zumindest für Schäden im zweiten Lockdown, wenn sie Bedingungen ohne Auflistung von Krankheiten und Erregern haben und die Versicherungsbedingungen nicht auf eine konkrete Fassung des IfSG vor dem 23.05.2020 verweisen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2023, S. 110 f., und in unserem ePaper.

Bild: © kristina rütten – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Cäsar Czeremuga, LL.M.