Seit der Hochwasserkatastrophe durch Starkregen-Tief Bernd im Juli 2021 wird in der Versicherungsbranche und darüber hinaus wieder kontrovers über eine verbindliche Elementarversicherung für Hausbesitzer diskutiert. So befürwortet der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) in seinem Gutachten die Einführung einer solchen Versicherungspflicht, wie AssCompact bereits berichtete. Auf einer Online-Veranstaltung – organisiert vom Forum V des Nordbayerischen Instituts für Versicherungswissenschaft und -wirtschaft – hat der GDV nun ein Konzept zur Erhöhung der Versicherungsdichte vorgestellt – ohne Einführung einer Pflichtversicherung.
Pflichtversicherung: komplexe Ausgangslage
Die Diskussion um die Einführung einer staatlichen Pflichtversicherung gegen Elementarschäden wurzelt in einer recht komplexen Ausgangssituation. So ist das Risikobewusstsein für neue klimawandelbedingte Veränderungen unter den Hausbesitzern recht gering ausgeprägt – eine Beobachtung, die bereits im Zusammenhang mit dem SVRV-Gutachten analysiert worden war. Weiter ignorieren viele Immobilieneigentümer bereits bestehende, allgemeine Sorgfaltspflichten zur Prävention gegen Hochwasser, die sich aus § 5 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes ergeben. Auf der Seite von Bund, Ländern und Kommunen wird dagegen auch nicht weiter darauf verzichtet, die Entwicklung und Ausdehnung von Siedlungsfläche zugunsten eines verbesserten Hochwasserschutzes zu bremsen. So wurden nach GDV-Angaben seit dem Jahr 2000 insgesamt 32.000 Neubauten in behördlich ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten genehmigt. Aber auch die Versicherer sehen sich mit großen Aufgaben konfrontiert: Zum einen erreichen sie viele ihrer Bestandskunden nicht in einem erforderlichen Umfang. Zum anderen müssen sie aber vermehrt die Folgen des Klimawandels mitsamt den Schadenfällen kalkulieren und entsprechend in ihre Prämien einpreisen.
Was gegen eine Pflichtversicherung spricht
Ungeachtet verfassungsrechtlicher Bedenken sprechen aus Sicht des GDV gleich mehrere Punkte gegen die Einführung einer Pflichtversicherung. Zunächst bedeute die Versicherungspflicht gleichzeitig immer auch einen Kontrahierungszwang für die Versicherer. Damit würde der Staat erheblich in die Gewerbe- bzw. Vertragsfreiheit eingreifen. Möglicherweise könnten dann kleine Spezialversicherer oder nur regional tätige Versicherer im Schadenfall Probleme mit ihren Deckungskonzepten bekommen. Außerdem befürchtet der GDV infolge einer Pflicht einen ungleich größeren Bürokratieaufwand, beispielsweise bei Nachweispflichten, der Erstellung eines Elementarregisters, aber auch bei Androhung oder Durchsetzung von Sanktionierungen. Abschließend wäre nach GDV-Auffassung sogar eine sinkende Gesamtversicherungsdichte denkbar, da ohne Elementarbaustein auch keine Wohngebäudeversicherung mehr abgeschlossen werden könnte.
Nachhaltiges Gesamtkonzept statt Pflichtdebatte
Eine Versicherungspflicht gegen Elementarschutz führe also weder zu geringeren Schäden noch zu vermehrten Präventionsmaßnahmen im Gebäudebereich wie auch bei der Klimafolgenanpassung, stellt der GDV fest. Stattdessen befürwortet der oberste Branchenverband daher die Implementierung eines nachhaltigen Gesamtkonzepts statt einer Versicherungspflicht. Zentral darin sind drei Kernelemente:
- Versicherungsschutz für private Hauseigentümer,
- verbindliche Schritte zur Klimafolgenanpassung und
- Vorsorge für einen katastrophalen Kumulschadenfall.
Versicherungsschutz für private Hauseigentümer
Als erstes Element schlägt der GDV schlägt vor, dass die Versicherungswirtschaft allen Eigentümern, die bereits eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen haben, eine zusätzliche Naturgefahrendeckung anbietet, ihnen aber gleichzeitig ein Opt-out ermöglicht; dies allerdings nur Zug um Zug gegen eine Haftungsfreistellung von Versicherern und Staat für den Fall des Eintritts einer nicht versicherten Naturgefahr. Im Neugeschäft beabsichtigen die Versicherer allen privaten Hauseigentümern – unabhängig von der Gefährdung – nur noch eine vollintegrierte Wohngebäudeversicherung inklusive Elementarschadenabsicherung anzubieten.
Verbindliche Schritte zur Klimafolgenanpassung
Im Gegenzug für den optimierten Versicherungsschutz im Bereich der privaten Hausbesitzer fordert der GDV vom Gesetzgeber im zweiten Element verbindliche Schritte zur Klimafolgenanpassung. Dazu zählen nach GDV-Auffassung beispielsweise die Einführung einer verpflichtenden Gefährdungsbeurteilung für Bauwerke in Bezug auf Klimafolgen und Extremwetterereignisse oder die Verankerung der Anpassung an den Klimawandel im Bauordnungsrecht als allgemeines Schutzziel. Zugleich verlangt der GDV aber auch klare Bauverbote in exponierten Gebieten.
Vorsorge für den katastrophalen Kumulschadenfall
Da weder die Einflüsse des Klimawandels vollständig quantifiziert noch die Risikolagen auf absehbare Zeit wesentlich gesenkt werden können, sieht sich die Versicherungswirtschaft nach Auffassung ihres Gesamtverbandes bei der Risikomodellierung mit erheblichen Unbekannten konfrontiert. Daher fordert der GDV als drittes Element eine verbesserte Vorsorge für den katastrophalen Kumulschadenfall. Darin spricht sich der Verband für eine Begrenzung der Verluste – also eine sogenannte stopp-loss-Regelung – aus, die aber erst jenseits des heute bekannten 200-Jahres-Schadens eintreten soll. (as)
Bild: © Gajus – stock.adobe.com
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können