Ein Artikel von Dr. Anja Theis, Senior Economist beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V.
In den letzten Jahren sind zahlreiche InsurTech-Start-ups – das heißt neu gegründete Anbieter mit technologiegetriebenen Geschäftsmodellen – an den deutschen Versicherungsmarkt gekommen. Sie bereichern die Anbieterlandschaft und treiben zusammen mit den Strategieanpassungen der etablierten Versicherer die digitale Transformation des deutschen Versicherungssektors voran. Der Großteil der InsurTech-Start-ups beschränkt sich auf einzelne Bereiche der Wertschöpfungskette wie Vertrieb oder IT-Services und strebt keine Versicherer-Lizenz an.
Acht Neoversicherer mit BaFin-Lizenz
Seit 2017 haben jedoch immerhin acht InsurTech-Neugründungen von der Aufsichtsbehörde BaFin eine Zulassung als Versicherer erhalten: sieben Schaden-/Unfallversicherer und ein Krankenversicherer. Angesichts der sehr hohen regulatorischen Vorgaben und Markteintrittskosten für Versicherer – unter anderem hohe Kapitalanforderungen – ist das eine beachtliche Zahl, wie der Blick auf die Gesamtzahl der Versicherer-Neuzulassungen deutlich macht. Bei den Nicht-Lebensversicherern entfiel im Zeitraum 2017 bis 2022 die Hälfte der von der BaFin neu vergebenen Lizenzen auf InsurTech-Start-ups. Die Start-ups verfolgen dabei unterschiedliche Geschäftsstrategien, etwa im Hinblick auf Zielgruppen und die Kooperation mit anderen Anbietern. Zu ihren Anteilseignern gehören zum Teil auch traditionelle Versicherer.
Hohes Beitragswachstum
Die Gruppe der InsurTech-Startups zeichnet sich durch sehr hohe Wachstumsraten aus. Ihre aggregierten Beitragseinnahmen haben nach letztverfügbaren Daten der BaFin 2021 insgesamt 50 Mio. Euro erreicht. Der Anstieg gegenüber 2020 betrug gut 100%. Der Marktanteil der InsurTech-Start-ups bleibt aber mit 0,03% gemessen an den Gesamtbeitragseinnahmen der Nicht-Lebensversicherer unter BaFin-Aufsicht von über 140 Mrd. Euro noch sehr moderat.
Am deutschen Versicherungsmarkt bieten nicht nur Versicherer unter BaFin-Aufsicht ihre Produkte an. Im Rahmen des Europäischen Binnenmarkts sind in Deutschland auch Versicherer mit Sitz in einem anderen Land des Europäischen Wirtschaftsraums per Europäischen Pass tätig. Darunter sind auch einige prominente InsurTech-Start-ups, die in den BaFin-Daten nicht enthalten sind. Die größten dieser Start-ups können im Jahr 2021 Beitragseinnahmen in Deutschland im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich vorweisen – auch ihr Marktanteil ist damit bisher nur gering.
Ausbau des Marktanteils braucht Zeit
Auch wenn die InsurTech-Startups neuartige Geschäftsmodelle verfolgen: Bezogen auf die Beitragsentwicklung ähnelt ihre Marktwirkung bisher früheren Markteintritten. Erfahrungsgemäß benötigen selbst erfolgreiche Neugründungen einen längeren Zeitraum, um signifikante Marktanteile zu erlangen. Dies spiegelt unter anderem den Langfristcharakter des Versicherungsgeschäfts und den Zeitbedarf bei der Akquise eines Kundenstamms wider. Hinzu kommt: Der Markterfolg ist keineswegs gesichert.
Harter Wettbewerb
Neue Versicherer werden mit einem intensiven Wettbewerb konfrontiert. Auch die etablierten Versicherer sind kontinuierlich dabei, ihren Geschäftsbetrieb und ihr Angebot weiterzuentwickeln. Es ist daher nicht erstaunlich, dass auch bei den InsurTech-Start-ups mittlerweile erste Konsolidierungstendenzen zu erkennen sind. So hat 2022 ein Start-up seine Lizenz für das Versicherungsgeschäft wieder zurückgegeben.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2023, S. 90, und in unserem ePaper.
Bild: © Memed ÖZASLAN – stock.adobe.com
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