Der Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO stellt eines der wichtigsten Instrumente des Datenschutzrechts dar. Denn nur über die Geltendmachung dieses Anspruchs kann man sich Gewissheit über die Datenverarbeitung verschaffen. Das OLG München hatte nun zu entscheiden, ob ein Verbraucher auch einen Anspruch auf Kopien von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Gesprächsprotokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen hat (OLG München v. 04.10.2021 – 3 U 2906/20).
Der Sachverhalt vor dem OLG München
Die Klägerin begehrte Kopien von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Gesprächsprotokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen. Dass diese Unterlagen existierten, war zwischen den Parteien unstrittig. Vielmehr ging es in dem Rechtsstreit um den Folgeanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO, durch den der Datenberechtigte entsprechende Kopien verlangen kann. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass dem Art. 15 Abs. 3 DSGVO kein eigenständiger Anspruch auf Kopien zu entnehmen ist. Die Regelung regle lediglich die Art und Weise der Auskunftserteilung. Das OLG München gab jedoch der Klägerin Recht und erkannte einen eigenständigen Folgeanspruch (Annexanspruch) aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO an.
Rechtliche Bewertung: Bestimmtheit der Aufforderung
Die Klägerin begehrte Kopien von den bei der Beklagten vorhandenen Daten. Ihr Verlangen äußerte sie durch die Formulierung „[…] sämtliche Dokumente herauszugeben […]“. Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Begriff weit zu verstehen. Es werden sowohl alle objektiven als auch subjektiven Informationen in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen berücksichtigt – somit auch Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle und Telefonnotizen.
Das OLG München machte dieses Begehren zur Grundlage seiner rechtlichen Bewertung und wies die weitere Prüfung nicht aufgrund einer zu unbestimmten Aufforderung ab. Es liege in der Natur der Sache, dass der Gläubiger des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO im Regelfall keine Einsicht in die Unterlagen hat, die sich im Besitz des Auskunftspflichtigen befinden. Dies deckt sich mit der rechtlichen Bewertung des BGH vom 15.06.2021 (Az.: VI ZR 576/19), wonach eine Bezeichnung der genauen und begehrten Daten nicht erforderlich ist (AssCompact berichtete).
Besteht ein eigenständiger Anspruch?
Streitwesentlich war die rechtliche Bewertung der Anspruchswirkung. Nämlich dahingehend, ob dieser einen eigenständigen Folgeanspruch (Annexanspruch) oder eine Konkretisierung der Art des ursprünglichen Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO darstellt und somit die Erstellung der Kopie nicht gesondert einklagbar sei. Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO sei dann erfüllt, wenn der Auskunftsberechtigte eine abstrakte Aufzählung der vorhandenen Informationen erhalte. Hieran orientiert sich eine Ansicht, welche den weitergehenden Anspruch auf Kopien mit der Begründung verneint, dass der Auskunftsanspruch nur den Zweck verfolgt, der betroffenen Person zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen. Somit sei es – zumindest nach dieser Ansicht – nicht erforderlich, Kopien der vorhandenen Daten zu erhalten. Zur Überprüfung der rechtmäßigen Datenverarbeitung reiche es aus, wenn der Berechtigte eine Kopie der abstrakten Aufzählung erhalte.
Dieser Ansicht konnte das OLG München jedoch nicht folgen. Es erkannte einen weitergehenden Schutzbedarf der Auskunftsgläubiger an, wonach diese einen Anspruch auf Überlassung der Informationen haben, und zwar in der Form, wie sie dem Verantwortlichen vorliegen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Abs. 3 gesondert im Gesetz normiert ist und eben nicht als Zusatz des Abs. 1 formuliert wurde.
Dem Auskunftspflichtigen steht demgegenüber das Recht auf Schwärzung gemäß Art. 15 Abs. 4 DSGVO zu, sodass dieser alle nicht mit dem Datenberechtigten in Verbindung zu bringenden Informationen unkenntlich machen kann. Hierdurch wird der Auskunftsschuldner hinreichend geschützt.
Demnach enthält der Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen eigenständigen weitergehenden Anspruch als den des Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Der Auskunftsgläubiger soll nicht nur eine abstrakte Aufzählung der verarbeiteten Daten erhalten können, sondern Kopien der konkret vorliegenden Informationen.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Um vollständige Auskunft über die verarbeiteten Daten zu erhalten, muss dem Betroffenen die Möglichkeit auf Erhalt vollständiger Kopien der Datensätze eröffnet werden. Formuliert der Betroffene sein Begehren derart, dass er „sämtliche Dokumente herauszugeben“ wünscht, so ist der Anspruch durch den Verantwortlichen auch vollständig und wahrheitsgemäß zu erfüllen.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist nachvollziehbar und überzeugt im Ergebnis. Sie steht ihm Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zu eben dieser Rechtsfrage (siehe: BGH v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19). Die Rechtsprechung des BGH steht wiederum im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs bei mittelbarem Personenbezug (vgl. EuGH, 17.07.2014 – C-141/12 und C-372/12; EuGH, 20.12.2017 – C-434/16).
Dass die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung den Unternehmen – gerade auch Versicherungsgesellschaften – nicht gelegen kommt, dürfte auf der Hand liegen. Dennoch zeigt auch diese Entscheidung, dass dem Datenschutz in der Rechtsprechung ein hoher Stellenwert zugewiesen wird. Datenschutz sollte deswegen sowohl von Versicherungsunternehmen als auch von Versicherungsvermittlern nicht vernachlässigt werden.
Weiterführende Informationen
Weitere datenschutzrechtliche Themen und Rechtsfälle können hier auf der Seite der Kanzlei Jöhnke & Reichow nachgelesen werden.
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