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27. August 2023
Drei Jahre BINL – eine Standortbestimmung

Drei Jahre BINL – eine Standortbestimmung

Die Branchen-Initiative Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung ist nun bereits seit drei Jahren im Markt aktiv. Sie richtet sich gezielt an den Vertrieb und bietet Hilfestellungen rund um das Thema nachhaltige Lebensversicherungen. Ein Rück- und Ausblick.

Ein Artikel von Dr. Jörg Schulz, Geschäftsführer der infinma GmbH

Im Herbst 2020 hat die infinma GmbH die Branchen-Initiative Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung (BINL) initiiert. Mit tatkräftiger Unterstützung der BNP Paribas wurden bis zum Jahresende Barmenia, Canada Life, ERGO Life, Generali Deutschland, HDI Leben, Merkur Versicherung, neue leben, Nürnberger Leben, PB Leben, SIGNAL IDUNA, Stuttgarter, Swiss Life, TARGO, uniVersa, VOLKSWOHL BUND und WWK als Gründungsmitglieder gewonnen. Inzwischen haben sich insgesamt 35 Unternehmen der Initiative angeschlossen. Anders als andere Organisationen hat sich die BINL von Anfang an bewusst nicht auf ein einzelnes Thema, bspw. Klimaschutz, fokussiert, sondern die Altersvorsorge in den Mittelpunkt gestellt. Damit wurde die Thematik von der anderen Seite her aufgerollt.

„Wir wollten ganz bewusst keine weitere Initiative ins Leben rufen, die ihren Mitgliedern bestimmte Geschäftspraktiken vorschreibt, Kapitalanlagen ausschließt oder in anderer Weise regulierend eingreift“, erinnert sich infinma-­Geschäftsführer Marc Glissmann an die Gründungsphase. Viel wichtiger war es für die infinma GmbH stattdessen, eine Plattform zu schaffen, die sich gezielt an den Vertrieb richtet und Hilfestellung zu den Themen gibt, die gerade aktuell sind und die den Vertrieb in der täglichen Arbeit unterstützen.

Sammlung der Nachhaltigkeitsberichte von Mitgliedsunternehmen

Dieses Konzept ist offensichtlich am Markt gut angekommen, hebt es sich doch deutlich von vielen anderen Nachhaltigkeitszusammenschlüssen ab. Die Internet-Seite www.branchen-initiative.de wurde zu einer breiten Informationsplattform ausgebaut. Darauf haben einerseits die Mitgliedsunternehmen die Möglichkeit, sich selbst, ihre Nachhaltigkeitsstrategien und ihre Produktlösungen zu präsentieren. Andererseits achten die Betreiber darauf, gezielt vertriebsrelevante Informationen zu verbreiten. Kürzlich erst wurde eine eigene Seite zu dem aktuell viel diskutierten Thema „Kontroverse Unternehmen“ unter branchen-initiative.de/kontroverse-unternehmen/ veröffentlicht.

Besonderer Beliebtheit erfreut sich der kostenlos und ohne Registrierung nutzbare ESG-Finder, ein interaktives Tool, um nachhaltige Versicherungsprodukte und Investmentfonds zu identifizieren.

Daneben besteht die Möglichkeit, gezielt Produktunterlagen zur Verfügung zu stellen bzw. auf hauseigene Websites und/oder Portale zu verlinken. In diesem Zusammenhang spielen die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen eine besondere Rolle, die auf der BINL-­Seite nicht nur eingestellt, sondern auch kommentiert werden können.

BINL news als zentrales Kommunikationsmittel

Ein zentrales Organ der Initia­tive sind die sogenannten BINL news, ein Newsletter, der einmal monatlich erscheint und für jeden Interessenten kostenlos verteilt und bereitgestellt wird. Alle bisherigen Ausgaben des Newsletters finden sich hier: https://www.branchen-initiative.de/binl-news/ Dort gibt es die Möglichkeit, sich für den unverbindlichen Bezug des Newsletters anzumelden. Die Redaktion berichtet regelmäßig über aktuelle Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit, Investment und Versicherungsprodukte in Form von Kurzmeldungen und mehrseitigen Artikeln. Ergänzt werden die BINL news durch regelmäßige Interviews mit Entscheidungsträgern.

Am 14.09.2023 veranstaltet die BINL ihren 3. Kongress, der sich wieder vor allem an Vertriebler und Mitarbeiter aus vertriebsnahen Bereichen richtet. Auch diese Veranstaltung wird wieder online durchgeführt und natürlich ist die Teilnahme kostenlos.

Ein wichtiger Grundsatz der BINL war und ist von Anfang an, dass alle Leistungen, die sich nach außen / an die Öffentlichkeit richten, kostenlos angeboten werden. Die Initiative finanziert sich ausschließlich aus den – moderaten – Mitgliedsbeiträgen.

Ausweitung auf weitere Versicherungszweige aktuell nicht geplant

Was die Mitglieder der Initiative angeht, so richtet sich diese zwar an die Lebensversicherungsbranche; allerdings ist man keineswegs auf sie beschränkt. Vielmehr sind alle Gesellschaften und Unternehmen angesprochen, die in irgendeiner Art und Weise im Markt der Altersvorsorge tätig sind und/oder mit ihm verbunden sind. Neben Fondsgesellschaften und Ratingagenturen richtet sich der Zusammenschluss auch an Rückversicherer und Wirtschaftsprüfer.

Ob die Initiative auf Kranken- und Sachversicherer ausgedehnt wird, lassen die Initiatoren derzeit noch offen. Zwar gibt es bereits erste Anfragen dazu, aber momentan ist schon allein in der Lebensversicherung noch so viel im Fluss, dass eine Konzentration auf diese eine Branche derzeit (noch) vernünftig erscheint. Regulatorik und Gesetzgebung, vor allem aber immer neue Auslegungsverordnungen und technische Richtlinien machen Nachhaltigkeit schon jetzt sehr komplex. Eine Ausweitung auf weitere Versicherungszweige würde daher zu noch mehr Komplexität führen, ohne die nötige Detailtiefe darstellen zu können.

Nachhaltigkeit geht weit über Klimaschutz hinaus

Inhaltlich ist es der Initiative ein großes Anliegen, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Nachhaltigkeit weit mehr als „nur“ Klimaschutz und Reduzierung von CO2 ist. So sind bspw. die 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen – siehe bspw. hier: https://www.branchen-initiative.de/die-17-ziele-sdgs/ – gut geeignet, um die Vielfältigkeit des Themas zu unterlegen. Insbesondere kann man mithilfe der SDGs Menschen ansprechen, die inzwischen möglicherweise von „Net Zero“ und anhaltenden Diskussionen um Wärmepumpen, E-Autos oder Windräder nur noch genervt sind. Gerade nach Corona lassen sich bspw. mit dem Ziel 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ viele Interessenten adressieren. Auch Ziel 4 „Hochwertige Bildung“ und Ziel 6 „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“ sind für viele wichtig und nachvollziehbar.

In der Lebensversicherungsbranche herrscht immer noch viel Unsicherheit bezüglich des „richtigen“ Umgangs mit dem Thema Nachhaltigkeit. Viele Unternehmen fühlen sich durch die überbordende Regulierung bei gleichzeitigem Fehlen von konkreten Vorgaben, überfordert. Vor allem für kleinere und mittlere Gesellschaften stellt Nachhaltigkeit zudem eine komplexe und finanziell recht aufwendige Herausforderung dar.

Mehr noch als in der Vergangenheit wird sich die Initiative der vertrieblichen Umsetzung widmen. Für die Versicherer wird es dabei vor allem darauf ankommen, digitale Unterstützungsleistungen für den Beratungsprozess bereitzustellen. Zudem müssen Transparenz und Nachvollziehbarkeit auf der Produktseite dazu beitragen, Nachhaltigkeit für den Berater und den Kunden glaubwürdig zu machen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Eigens – stock.abode.com

 
Ein Artikel von
Dr. Jörg Schulz