Es gibt Neuigkeiten rund um den Wirecard-Skandal. Ausnahmsweise geht es darin aber einmal nicht um Aufsichtspflichtverletzungen oder vorgebrachte Schadensersatzansprüche gegenüber Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Stattdessen hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main nun entschieden, dass die Managerhaftpflichtversicherung von Markus Braun, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG einstweilen Versicherungsschutz gewähren muss.
Wirecard schloss D&O-Versicherung ab
Die Wirecard AG hatte die D&O-Versicherung für ihre Organmitglieder und leitende Angestellte abgeschlossen. Markus Braun befindet sich aktuell aufgrund des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz in Untersuchungshaft. Des Weiteren wird er auch zusammen mit Wirecard vor dem Landgericht (LG) München auf Schadensersatz von über 1 Million Euro in Anspruch genommen.
Versicherer lehnt Leistungspflicht ab
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende hatte von seinem D&O-Versicherer gefordert, die Kosten zur Abwehr der Schadensersatzansprüche zu übernehmen. Der Versicherer erachtete sich als nicht leistungspflichtig und lehnte die Forderung ab.
Prozessverlauf
Nachdem das Versicherungsunternehmen die Übernahme von Kosten zur Abwehr der Schadensersatzansprüche abgelehnt hatte, erhob Braun eine vorweggenommene Deckungsklage vor dem LG Frankfurt und beantragte zugleich die streitgegenständliche Leistungsverfügung. Das LG gab dem Antrag weitgehend durch Urteil vom 18.01.2021 statt. Gegen diese Entscheidung legte der Versicherer Berufung ein.
Braun genießt weiterhin Versicherungsschutz
Das OLG Frankfurt entschied nun jedoch erneut zugunsten von Braun. Nach Ansicht des OLG stehe im Zentrum der Entscheidung die Frage, ob sich das Versicherungsunternehmen auf Leistungsausschlüsse wegen einer arglistigen Täuschung bei Vertragsverlängerung berufen könne. Oder aber, ob die Zusage von vorläufigen Verteidigungskosten dem entgegenstehe. Die einschlägige Passage in den Versicherungsbedingungen lautet:
„Im Zweifel über das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung oder vorsätzlichen Pflichtverletzung wird der Versicherer Verteidigungskosten gewähren. Dies gilt auch, wenn der Anspruch auf Schadensersatz oder das Verfahren auf eine Rechtsnorm gestützt wird, deren Voraussetzungen nur bei Vorsatz erfüllt sein können. Steht das Vorliegen einer wissentlichen oder einer vorsätzlichen Pflichtverletzung fest, entfällt der Versicherungsschutz. Als Feststellung gilt eine rechtskräftige Entscheidung oder ein Eingeständnis der versicherten Person, aus der/dem sich die Tatsachen ergeben, welche die wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung belegen.“
Rechtsschutzverpflichtung zur Abwehr unberechtigter Ansprüche
Nach Überzeugung des Gerichts, komme dieser Rechtsschutzverpflichtung zur Abwehr unberechtigter Ansprüche Dritter existenzielle Bedeutung für den Versicherten zu. Andernfalls könnte eine Situation entstehen, in der dem Versicherten gegenüber ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht wird, der eine wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung beinhaltet und die Folge wäre, dass der womöglich zu Unrecht bezichtigte im Falle einer Deckungsablehnung ohne Rechtsschutz dastünde und sich auf einen langwierigen (vorweggenommenen) Deckungsprozess gegen den Versicherer einlassen müsste.
Geständnis oder rechtskräftiges Urteil nötig
Aktuell fehle es sowohl an einem Geständnis des Ex-Wirecard-Chefs – der bestreitet die Vorwürfe aktuell – als auch an einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, aus der sich Umstände ergäben, welche die vorsätzliche bzw. wissentliche Pflichtverletzung belegten.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar. Der Versicherer muss dementsprechend vorläufig Versicherungsschutz gewähren. (tku)
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 07.07.2021 – 7 U 19/21
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