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19. Februar 2025
D&O-Versicherung: Managerregress für Kartellbußgelder ungeklärt
D&O-Versicherung: Managerregress für Kartellbußgelder ungeklärt

D&O-Versicherung: Managerregress für Kartellbußgelder ungeklärt

Dürfen Manager für Bußgelder in Regress genommen werden? Und müssen deren D&O-Versicherer derartige Strafzahlungen erstatten? Diese heiß diskutierten Fragen sollte das BGH in einem Kartellverstoß beantworten. Hat es aber nicht, sondern die Fragen dem EuGH vorgelegt.

Die Ruhephasen in der D&O-Versicherung sind meist nicht von langer Dauer. Nach einer Periode ausreichender Kapazitäten und nachvollziehbarer Prämien steht sie wieder unter Beobachtung. So könnten Prämien bald wieder steigen, heißt es am Markt. Auch vor Gerichten steht die D&O-Versicherung immer wieder zur Verhandlung – zuletzt wieder vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

In dem viel beachteten Fall ging es um eine Geschäftsführerhaftung für Kartellbußgelder. Zu einer Entscheidung kam es allerdings nicht, denn der Kartellsenat des BGH hat die Frage, ob Art. 101 AEUV einer Regelung im nationalen Recht entgegensteht, nach der ein Unternehmen, gegen das ein Bußgeld wegen eines Kartellrechtsverstoßes verhängt worden ist, seine Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder dafür in Regress nehmen kann, an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verwiesen.

Bußgelder in Milliardenhöhe

Die Klage führte eine GmbH und eine Aktiengesellschaft, beide Teil einer Unternehmensgruppe in der Edelstahlproduktion. Der Beklagte war Geschäftsführer der GmbH und Vorstandsmitglied der AG. Dieser beteiligte sich von 2002 bis 2015 an einem Preiskartell unter Unternehmen der Stahlindustrie. Die Kartellbeteiligten vereinbarten ein branchenweit einheitliches Preissystem und stimmten Schrott- und Legierungszuschläge ab. Deswegen verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder gegen die GmbH in Höhe von 4,1 Mio. Euro und gegen den Beklagten in Höhe von 126.000 Euro.

Die Unternehmen wollten das Geld von der Führungskraft zurück und klagten mit der Begründung, sie habe durch ihre Beteiligung an den Kartellabsprachen ihre Pflichten als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied verletzt. Die Klägerinnen verlangten vom Beklagten die Erstattung des Bußgelds sowie Ersatz für entstandene IT- und Anwaltskosten.

Entscheidung vertagt: EuGH muss sich mit dem Fall befassen

Das zunächst mit der Sachlage befasste Landgericht wies die Klagen auf Erstattung des Bußgelds und der Verteidigungskosten ab, stellte aber die Ersatzpflicht des Beklagten für weitere Kartellschäden fest. Die Berufungen beider Seiten blieben erfolglos. Das als nächstes angerufene Oberlandesgericht entschied, dass Geschäftsführer nicht für Kartellbußgelder haften, da sonst deren Zweck unterlaufen würde. Mit der Unternehmensgeldbuße solle gerade das Vermögen der Gesellschaft nachhaltig getroffen werden. Daher muss der Beklagte auch keine IT- und Anwaltskosten der Gesellschaft übernehmen. Die Unternehmensgruppe verfolgte ihre Zahlungsanträge in der Revision weiter, während der Beklagte seine Ersatzpflicht zeitlich begrenzen will.

Darüber sollte nun der BGH entscheiden, hat nun aber ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. „Die Frage, ob Bußgelder regressiert werden dürfen, bleibt daher weiterhin offen und die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten. Mit einer schnellen Antwort ist hierbei allerdings nicht zu rechnen“, kommentiert Dr. Marcel Straub, Head of Legal & Claims der Finlex GmbH, einem Spezialmakler für Cyber- und Financial Lines-Versicherungen: „Die Antwort des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren dauert im Schnitt ca. 1,5 Jahre.“

Weiterhin unklar, ob verhängte Bußgelder versicherbar sind

„Nach bisher vorherrschender juristischer Meinung ist ein verhängtes Bußgeld in Deutschland nicht versicherbar, weil der Versicherungsschutz den gesetzlichen Präventionszweck vereiteln würde“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Mark Wilhelm. „Es wird in der versicherungsrechtlichen Literatur jedoch auch vertreten, dass hier differenzierter vorzugehen sei.“ Danach müsse etwa nach der Art des Bußgeldes unterschieden werden und es käme insbesondere darauf an, welcher Verschuldensgrad für die Verletzung einschlägig ist. Insgesamt dürfte das Bußgeldrisiko deutscher Unternehmen laut Wilhelm potenziell im Milliardenbereich liegen.

Folge: Mehr Fälle für die D&O-Versicherung

Dr. Marcel Straub von Finlex geht davon aus, dass, würden Bußgeldregresse gegen Manager zugelassen, hätte dies zur Folge, dass auch D&O-Policen vermehrt mit der Abwehr oder Freistellung von Bußgeldregressen belastet würden. Der noch immer schwelende Streit, ob die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder, die im Innenverhältnis gegen Organe regressiert werden, in der D&O versicherbar sind, könnte dadurch neue Fahrt aufnehmen, so Straub.

BGH, Beschluss vom 11.02.2025 – Az: KZR 74/23