„The system is rigged.“ Das propagierte Donald Trump in seinem Wahlkampf 2016 immer wieder. Man fühlt sich an das englische Wort erinnert, wenn man einen Blick auf das Kürzel des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum Risikoreduzierungsgesetz (RiG) wirft. Und auch der Vorwurf, den der umstrittene US-Präsident äußerte, kommt einen in den Sinn. Denn in einem Gesetzesentwurf mit dem Namen „Gesetz zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor“, würde man wahrscheinlich keine umfassenden Änderungen für das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vermuten. Und dennoch beinhaltet das RiG auch Gesetzesänderungen für die Einrichtung von Sicherungsfonds. Die Änderungen sind jedoch nicht gänzlich neu.
Zweiter Anlauf für die Änderungen
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte die vorgesehenen Änderungen bereits 2019 vorgelegt. Damals jedoch im Zuge des geplanten Provisionsdeckels für Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen sowie Restschuldversicherungen (LVRG II). Während der Gesetzgeber dieses Vorhaben aktuell scheinbar nicht weiterverfolgt, erfahren einige Punkte zur Reform des Sicherungsfonds in der Lebensversicherung (Protektor) sowie der Krankenversicherung (Medicator) eine Wiederbelebung im RiG.
Effektivere Aufsicht über Sicherungsfonds
Die recycelten Punkte sollen laut BMF die Vorschriften zur gesetzlichen Einrichtung von Sicherungsfonds im Versicherungssektor konkretisieren und klarstellen und damit die Beaufsichtigung des Sicherungsfonds effektiver gestalten. Doch warum wird dieses Vorhaben an ein Gesetz gezurrt, das die Risiken im Bankensektor reduzieren soll und warum gerade jetzt?
Verfahrenssicherheit für den ersten Fall
Die Antwort wirft ein pessimistisches Licht auf den Bereich der Kranken- und im Besonderen auf den der Lebensversicherer. So ist dem Gesetzgeber daran gelegen, einen verfahrenssicheren Prozess für den Fall zu gewährleisten, „dass erstmalig der Bestand eines Lebens- oder Krankenversicherers auf einen Sicherungsfonds übertragen werden müsste“, wie dem Gesetzesentwurf zu entnehmen ist. (Die Übernahme des Versicherungsbestands der Mannheimer Lebensversicherungs-AG fand statt, bevor Protektor zum gesetzlich vorgeschriebenen Sicherungsfonds für die Lebensversicherer wurde.) Wie schlimm steht es also um die Lebens- und Krankenversicherer?
Situation hat sich gewandelt
Die gesetzlichen Sicherungseinrichtungen für die Lebens- und Krankenversicherer wurden 2004 geschaffen und seitdem noch nie in Anspruch genommen. Das Ziel der Einrichtung von Protektor und Medicator war, die Ansprüche von Versicherten zu schützen und das komplette System der privaten Altersvorsorge vor Reputationsschäden zu bewahren. Doch 2004 ist lange her. So lag beispielsweise der vom BMF festgesetzte Höchstrechnungszins für die Lebensversicherer damals noch bei 2,75%. Aktuell liegt er bei 0,9% und nach Ansicht der Deutschen Aktuarvereinigung ist das immer noch zu hoch. Die DAV fordert eine Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 0,5%.
Erschwerte Bedingungen für Lebensversicherer
Im Zuge des Niedrigzinsumfelds stehen viele Lebensversicherer unter Druck. Die einst in den Versicherungsverträgen vereinbarten Zinsen können teilweise nur noch schwer erwirtschaftet werden. Einige Versicherer begnügen sich damit das Neugeschäft einzustellen, andere übertragen ihre Bestände in eine Run-Off-Gesellschaft. Wie sich die aktuelle Lage unter den Lebensversicherern darstellt, ist der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zu entnehmen.
Über 20 Lebensversicherer auf der Intensivstation
Der Antwort zufolge stehen aktuell ungefähr 20 Lebensversicherer unter intensivierter Aufsicht durch die BaFin. Nach Ansicht des BdV sind es 22. Einer intensivierten Aufsicht müssen sich diejenigen Unternehmen unterwerfen, aus deren jährlicher Prognoserechnung hervorgeht, dass sie mittel- bis langfristig in finanzielle Schwierigkeiten gelangen könnten. In diesen Fällen ist die BaFin verpflichtet, genauer hinzusehen und fordert von den Unternehmen Sachstandsberichte zur wirtschaftlichen Entwicklung ein.
Ausweichende Antwort auf Krisenfestigkeit
Auf die Frage, ob Protektor auch eine etwaige stark eingeschränkte Zahlungsfähigkeit mehrerer mittelgroßer Lebensversicherer auffangen könnte, erhielt die Oppositionspartei eine ausweichende Antwort. Das Sicherungsvermögen von Protektor umfasse aktuell knapp über 1 Mrd. Euro und könne über verschiedene Mechanismen im Sicherungsfall auf insgesamt rund 10,4 Mrd. Euro erhöht werden, so die Bundesregierung. Punktuelle Präzisierungen seien aber nötig. Mit dem zuvor genannten RiG habe die Regierung diese Präzisierungen jedoch angestoßen.
Drei Änderungen durch das RiG
Doch welche Änderungen für das Versicherungsaufsichtsgesetz bringt das RiG nun mit sich? Drei Änderungen stehen dabei im Fokus.
Mitgliedschaft im Sicherungsfonds
Zum einen geht es um die Pflichtmitgliedschaft im Sicherungsfonds. Ein Versicherungsunternehmen, das Pflichtmitglied in einem Sicherungsfonds wie Protektor oder Medicator ist, bleibt aktuell so lange Mitglied, bis die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb widerrufen wird. Zukünftig soll das Unternehmen auch dann noch Mitglied im Sicherungsfonds bleiben, sofern es über einen Versicherungsbestand verfügt, der unter den Schutzzweck des Sicherungsfonds fällt.
Handlungsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörde
Eine zweite Änderung umfasst die Eingriffsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörde, wenn ein Unternehmen seinen Verpflichtungen gegenüber den Versicherten nicht mehr nachkommen kann. Für so einen Fall kann entweder die Bestandsübertragung auf den Sicherungsfonds oder auch die Kürzung von Leistungen angeordnet werden. Beide Maßnahmen stehen zukünftig gleichwertig nebeneinander. Welches Instrument im Einzelfall eingesetzt wird, entscheiden die Behörden abhängig von den Belangen der Versicherten.
Doppeltes Trennungsgebot
Eine dritte Änderung bezieht sich auf das Trennungsgebot des Sicherungsfonds. Der Fonds muss übernommene Sicherungsfälle getrennt von seinem restlichen Vermögen verwalten. Im Zuge der Änderung wurde präzisiert, dass es sich dabei um ein doppeltes Trennungsgebot handelt. Jeder Versicherungsbestand, der im Rahmen eines Sicherungsfalls übernommen wird, muss einzeln verwaltet werden und ist weiterhin vom restlichen Vermögen zu trennen.
Weitere kleinere Änderungen sind dem Gesetzesentwurf des BMF direkt zu entnehmen. Ab Seite 129 werden die Änderungen des VAG behandelt.
Separates Gesetzgebungsverfahren gefordert
Und wie kommt es nun dazu, dass eine Reform des gesetzlichen Sicherungsfonds einfach an ein Gesetz zur Stabilisierung des Bankensektors gehängt wird? Diese Frage wirft auch die Stellungnahme des Normenkontrollrats (NKR) auf. Der NKR hätte ein separates Gesetzgebungsverfahren allein schon aus Transparenzgründen bevorzugt. Das BMF hatte sein Vorgehen dem NKR gegenüber damit begründet, die beiden Gesetzesvorhaben stünden in einem hinreichenden sachlichen Zusammenhang.
GDV übt Kritik ...
Das sehen der Bund der Versicherten (BdV) und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einer seltenen Einigkeit jedoch anders. Der GDV fordert, dass Änderungen des VAG zukünftig nicht mehr zusammenhanglos in Bankgesetzen abgehandelt werden.
... ebenso wie der BdV
Auch der Vorstandssprecher des BdV, Axel Kleinlein, stimmt in diese Kritik mit ein. Wichtige Änderungen dürften nicht in themenfremden Gesetzen versteckt werden, fordert Kleinlein. Des Weiteren bemängelt der Verband, dass er nicht erneut die Gelegenheit erhielt, Stellung zu beziehen. Im Rahmen des Gesetzesvorhabens rund um den Provisionsdeckel hatte der Verband bereits eine Stellungnahme abgegeben. Innerhalb von 18 Monaten habe sich die Situation für die Lebensversicherer jedoch weiter dramatisch verschlechtert, so Kleinlein. „Die Regierung wäre gut beraten, sich nicht nur auf veraltete Stellungnahmen zu stützen, sondern neue Stellungnahmen einzuholen, um die grundlegenden ökonomischen Erschütterungen der letzten sechs Monate angemessen zu berücksichtigen.“ (tku)
Bild: © Butch – stock.adobe.com
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