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20. März 2025
Die Bedeutung von Ratings für Makler
Die Bedeutung von Ratings für Makler

Die Bedeutung von Ratings für Makler

Finanzstärkeratings und Produktratings spielen bei der Auswahl von Versicherern und Versicherungsverträgen in der Praxis eine zunehmende Rolle. Worauf Makler beim Umgang mit Ratings achten sollten, weiß Hans-Ludger Sandkühler.

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Versicherer gehen nicht pleite, so ein gerne bemühtes Klischee. Aber das gehört in die Rubrik „es war einmal“. Die Fakten: Der ehemals drittgrößte Versicherer, Gerling, stand bereits 2003 kurz vor der Pleite. Die Turbulenzen um die Mannheimer Leben führten ebenfalls 2003 zur Gründung von Protektor. Die AIG konnte 2009 nur mithilfe der US-Regierung in Höhe von mehr als 180 Mrd. US-Dollar vor der Pleite gerettet werden. Und nun: Cogitanda, Element, FWU sind insolvent. Die üblichen Verdächtigen reflektieren erwartungsgemäß als Erstes das Thema Maklerhaftung. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob und wie Makler die Finanzstärke von Versicherern beurteilen können oder müssen.

Versicherungsmakler sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihrem Rat an den Versicherungsnehmer eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrunde zu legen, sodass sie nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben können, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 VVG). Dazu ist eine objektive, ausgewogene Marktuntersuchung erforderlich.

Objektive, ausgewogene Marktuntersuchung

Welche Anforderungen im Einzelnen an die Durchführung und Intensität der objektiven, ausgewogenen Marktuntersuchung bestehen, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach den Marktverhältnissen in dem Versicherungsbereich, in dem der Makler für seinen Kunden tätig wird. Im überwiegend standardisierten Breitengeschäft wird es als ausreichend angesehen, wenn regelmäßige Marktuntersuchungen durchgeführt werden, die nicht für jeden einzelnen Kunden wiederholt werden.

Ist dagegen abzusehen, dass Versicherer die Deckung für den nachgefragten Versicherungsschutz individuell tarifieren, wird der Makler eine Ausschreibung nicht vermeiden können. Maßgeblich kommt es aber darauf an, dass es dem Makler gelingt, dem Kunden einen sachgerechten, individuell passenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Das ist für Makler im Grunde genommen nichts Neues; der BGH hat schon in der Sachwalterentscheidung von 1985 eine derartige Verpflichtung des Versicherungsmaklers gesehen.

Risikoanalyse und Auswahlkriterien

Damit der zu vermittelnde Versicherungsschutz auf den individuellen Bedarf des Kunden zugeschnitten werden kann, muss der Makler vor der Marktuntersuchung zunächst die Kundenrisiken erfassen und analysieren. Bei der anschließenden Marktuntersuchung geht es darum, für die vorgefundenen Risiken passende Versicherungsverträge auszuwählen. Dabei stellt sich die Frage, welche (fachlichen) Kriterien der Makler bei der Auswahl von Versicherern und Versicherungsverträgen berücksichtigen muss, damit der Versicherungsschutz „passt“. In Betracht kommen unter anderem etwa Finanzstärke, Bedingungen, Preis, Antragsgestaltung, Tarifmerkmale, Schadenregulierung und Service.

Notwendigkeit externer Informationen

Während die Beurteilung und Auswahl angemessener Versicherungsbedingungen, Tarife und Preise für das Kundenrisiko sowie die Einschätzung der Servicefähigkeit der Versicherer von jeher zu den Kernkompetenzen der Versicherungsmakler zählt, ist die Beurteilung insbesondere der Finanzstärke von Versicherungsunternehmen von den meisten Maklern ohne externe Informationen in der Regel nicht zu leisten. Gleichzeitig trifft der Makler hierbei auf ein reichhaltiges Angebot.

Ratings, Gütesiegel & Co.

Das Angebot an Ratings und anderen „Qualitätssiegeln“ wächst täglich und wird immer unübersichtlicher. Fast drängt sich der Eindruck auf, dass im Maklermarkt ohne Rating gar nichts mehr geht. Leider ist die Entwicklung durch einen inflationären Gebrauch des Begriffs „Rating“ gekennzeichnet, der wenig bis gar nicht zwischen Unternehmensratings, Produktratings und sonstigen Ratings (Kennzahlenvergleiche, Stresstests, „Spontanratings“ in der Regenbogenpresse u. Ä.) unterscheidet.

Finanzstärkerating

Ursprünglich meint Rating die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit eines Schuldners. Für die Auswahlentscheidung des Maklers zwischen verschiedenen Anbietern ist die Beurteilung der Finanzstärke eines Versicherungsunternehmens angesichts der Entwicklung in den vergangenen Jahren (Mannheimer, AIG u. a.) immer wichtiger geworden. Für Makler kommt es dabei vor allem auf die Fähigkeit des Versicherungsunternehmens an, seine versicherungsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Kleine und mittelständische Makler können dies ohne externe Hilfe kaum einschätzen. Insoweit sind Finanzkraft-ratings von Versicherern (Insurer Financial Strength Ratings, IFSR) im Maklermarkt grundsätzlich unverzichtbar. In der Praxis haben sich zum Teil schon Usancen gebildet, nach denen Versicherer mit Ratings unter „A“ bei der Auswahlentscheidung unberücksichtigt bleiben.

Produktratings

Neben den Finanzstärkeratings spielen Produktratings in der Praxis eine zunehmende Rolle. Sie bewerten die Qualität eines Versicherungsprodukts in Form eines Vergleichs konkurrierender Produkte und berühren so die Kernkompetenz des Maklers, nämlich Markt-, Preis- und Produktkenntnis. Die bei Produktratings verwendeten Kriterien sind allerdings je nach Ratingunternehmen „individuell“. Das bedeutet, dass die Ergebnisse verschiedener Anbieter in der Regel nicht vergleichbar sind, und der Makler sich so mit einer Vielfalt von Produktratings auseinandersetzen muss, die sich zum Teil sogar widersprechen. Ein kritischer Umgang mit Produktratings ist daher grundsätzlich angezeigt. Bei komplexen Produkten können sie aber als Instrument der Vorauswahl die Arbeit des Maklers unterstützen, wenn auch nicht die individuelle Auswahlentscheidung des Maklers ersetzen.

Sonstige Ratings, Gütesiegel, Kennzahlenvergleiche

Neben Produktratings stehen dem Makler bei seiner Auswahlentscheidung zahlreiche weitere „Hilfsmittel“ zur Verfügung. Gleichgültig, ob es sich um Umfrageergebnisse oder neue „Qualitätskoeffizienten“ handelt: Die enthaltenen Informationswerte sollte jeder Makler kritisch hinterfragen.

Fazit für Makler

Das Hauptproblem für Makler im Umgang mit Ratings besteht darin, dass die Aussagekraft von Ratings und die Art ihrer Verwendung im Markt oft auseinanderlaufen. Es ist deshalb notwendig, dass Makler ein eigenes Bewertungsraster für den Umgang mit Ratings entwickeln. Finanzstärkeratings spielen dabei eine herausragende Rolle, weil Makler die Beurteilung der Finanzstärke mit Ausnahme der internationalen Maklerhäuser selber nicht leisten können. Der unreflektierte Umgang mit Produktratings birgt die Gefahr, dass Makler pauschale Urteile adaptieren und deswegen auf eine individuelle Beratung verzichten. Produktratings haben aber lediglich Indizwirkung und können deshalb den Makler nur bei der Vorauswahl der Produkte unterstützen, nicht aber seine Auswahlentscheidung ersetzen bzw. begründen. Sonstige Ratings und Gütesiegel können zusätzlichen Informationswert enthalten. Generell gilt aber: Produktratings und sonstige Ratings entlassen den Makler nicht aus seiner Pflicht zur individuellen Beratung seiner Kunden.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2025 und in unserem ePaper.