Interview mit Ulrike Knauer, Expertin für Vertriebs- und Verhandlungspsychologie
Frau Knauer, es herrscht allgemein der Eindruck, dass sich viele Kunden bereits vor dem Beratungsgespräch mit ihrem Makler genau über das Risiko, um das es gehen soll, informieren. Können Sie das bestätigen?
Ja, das kann ich tatsächlich bestätigen. Durch die Vielzahl an digitalen Informationsquellen beschäftigen sich viele Kunden bereits vor einem Gespräch intensiv mit Themen wie Berufsunfähigkeit oder Altersvorsorge. Sie kommen mit einer gewissen Grundkenntnis und oft auch mit spezifischen Fragen in die Beratung. Allerdings zeigt unsere Erfahrung, dass diese Informationen nicht immer vollständig oder richtig sind. Oft sind sie stark standardisiert und berücksichtigen nicht die individuellen Bedürfnisse oder finanziellen Rahmenbedingungen des Einzelnen. Deshalb bleibt die persönliche Beratung durch einen Versicherungsmakler weiterhin essenziell.
Warum tun sich Menschen diese Selbstinformierung an?
Es gibt mehrere Gründe, warum sich viele Menschen vor einem Beratungsgespräch intensiv selbst informieren. Da ist der Wunsch nach Selbstbestimmung: Sie möchten sich nicht ausschließlich auf Experten verlassen. Doch oft führt diese Informationsflut nicht zu mehr Klarheit, sondern zu Verunsicherung. Nicht zuletzt gibt es auch ein gewisses Misstrauen gegenüber der Finanz- und Versicherungsbranche. Kunden möchten sicherstellen, dass sie das beste Angebot erhalten, und glauben, dies durch eigene Recherchen absichern zu können. Doch genau hier liegt die Gefahr: Viele der gefundenen Informationen sind entweder verallgemeinert, unvollständig oder sogar irreführend. Der Makler ist dann nicht nur Berater, sondern auch Lotse im Informationsdschungel.
Unterscheiden sich da die Generationen?
Jüngere Generationen, insbesondere Millennials und Gen Z, sind es gewohnt, sich vor jeder wichtigen Entscheidung online zu informieren – etwa beim Kauf eines neuen Smartphones oder bei finanziellen Themen. Sie nutzen Vergleichsportale, Blogs, YouTube etc. Die Generation X ist eine Brückengeneration zwischen analoger und digitaler Welt. Sie sind oft kritisch gegenüber reinen Online-Informationen, neigen aber dennoch dazu, sich intensiv einzulesen, bevor sie eine Beratung in Anspruch nehmen. Die Babyboomer haben lange Zeit klassische Beratungskanäle bevorzugt. Doch auch hier steigt das Interesse an Online-Informationen – insbesondere über etablierte Medien, Verbraucherportale oder persönliche Empfehlungen. Allerdings unterscheiden sie sich von jüngeren Generationen durch eine stärkere Tendenz, Expertenmeinungen zu vertrauen.
Wie kann ein Makler denn auf unterschiedliche Kunden reagieren?
Ein Makler sollte vor allem individuell auf seine Kunden eingehen und sie dort abholen, wo sie stehen. Ein informierter Kunde erwartet eine andere Beratung als jemand, der sich unsicher fühlt oder wenig Vorkenntnisse hat. Entscheidend ist, den Kunden ernst zu nehmen und seine Eigenrecherche nicht als störend zu betrachten, sondern als Ausgangspunkt für einen konstruktiven Dialog. Wer skeptische Kunden mit Transparenz, fundierten Analysen und einer nachvollziehbaren Argumentation überzeugt, baut Vertrauen auf und stärkt langfristig die Kundenbindung. Statt Online-Quellen schlechtzureden, ist es klüger, sie sachlich einzuordnen und zu zeigen, warum eine professionelle Beratung über bloße Preisvergleiche hinausgeht.
Und was sollte er besser nicht tun?
Ein häufiger Fehler ist, zu schnell in den Verkaufsmodus zu wechseln, anstatt sich die Zeit zu nehmen, die individuellen Bedürfnisse des Kunden wirklich zu verstehen. Ebenso problematisch ist, mit zu viel Fachjargon zu arbeiten, ohne verständliche Erklärungen zu liefern.
Aber ein informierter Kunde hat ja vielleicht auch Vorteile …
Das ist absolut richtig. Ein gut informierter Kunde kann das Beratungsgespräch auf eine fundiertere Ebene heben, da er bereits ein Grundverständnis für das Thema mitbringt. Das ermöglicht es dem Makler, schneller in die Tiefe zu gehen, individuelle Feinheiten zu besprechen und maßgeschneiderte Lösungen auszuarbeiten, anstatt erst einmal Grundlagen zu erklären. Letztlich kann eine informierte Kundschaft ein echter Gewinn sein – solange der Makler es schafft, das Gespräch auf Augenhöhe zu führen, zusätzliche Expertise einzubringen und den Mehrwert einer individuellen Beratung aufzuzeigen.
Seite 1 Der Umgang mit informierten Kunden im Maklerbüro
Seite 2 Wie kann ein Makler den selbstinformierten Kunden also einen echten Mehrwert bieten?

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