Ende April verkündete die EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness, dass – zumindest vorerst – auf ein umfassendes Provisionsverbot in der Finanzberatung verzichtet wird (AssCompact berichtete). Für weite Teile der Provisionsdebatte auf politischer Ebene war die sogenannte EU-Kleinanlegerstudie wegweisend – und groß die Sorge in der Finanz- und Versicherungswirtschaft, was die EU-Kommission mit ihrer Strategie vorhat.
Ziel der EU-Kleinanlegerstrategie
Erklärtes Ziel der Strategie zur Verbesserung des Kleinanlegerschutzes ist es, mehr Menschen in der EU Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen – im Sinne des Verbraucherschutzes. Die geplanten Maßnahmen liegen seit dem 24.05.2023 vor (AssCompact berichtete) und stießen in der Finanz- und Versicherungswirtschaft auf ein geteiltes Echo (mehr dazu hier).
Demnach sollen potenzielle Interessenkonflikte beim Vertrieb von Anlageprodukten dennoch angegangen werden. Als erster Schritt sollen Provisionen im beratungsfreien Vertrieb verboten werden. Damit will die EU-Kommission die Produktkosten senken. Die Kommission geht davon aus, dass sich dadurch die Rendite des Geldvermögens also die Portfoliorendite der Anleger erhöht.
Keine höheren Renditen für Privatanleger durch Provisionsverbot
Dem deutschen Fondsverband BVI zufolge trifft diese Annahme nicht zu. Ein Provisionsverbot führt nicht zu höheren Renditen für Privatanleger, wie der Fondsverband in einer Studie ermittelt hat. Hierfür hat der BVI Daten der Europäischen Zentralbank und der englischen Statistikbehörde ausgewertet. Herangezogen wurden öffentlich verfügbare Daten zu Bankeinlagen, Versicherungen, Pensionsfonds, Anleihen, Aktien und Investmentfonds für den Zeitraum von Anfang 1999 bis Ende März 2023.
Demnach hätte sich in England und in den Niederlanden, wo vor rund zehn Jahren ein Provisionsverbot eingeführt wurde, nichts verändert. Laut BVI hätten offenbar andere Effekte die geringeren Kosten der provisionsfreien Produkte ausgeglichen. Für die unveränderte Portfoliorendite der Anleger gebe es mehrere mögliche Erklärungen, so der Fondsverband weiter. Beispielsweise würden Vertriebskosten durch ein Provisionsverbot typischerweise nicht verringert, sondern nur gesondert gezahlt.
Geringere Beteiligung an Kapitalmärkten
Zudem könnten sich private Haushalte durch fehlende Beratung infolge der Verbote weniger an den Kapitalmärkten beteiligen, etwa über Fonds. Somit würden den Menschen wiederum Renditechancen entgehen.
Wie die Auswertung zeigt, legen private Haushalte in England und den Niederlanden aufgrund des Provisionsverbots tatsächlich weniger in Fonds an. Laut BVI beläuft sich der Rückgang auf im Schnitt knapp 340 Euro pro Jahr und Kopf. Für den Zeitraum von 30 Jahren bei einer angenommenen Wertsteigerung von 6% jährlich wäre dies eine Renditeeinbuße von rund 20.000 Euro, wenn das Geld stattdessen unverzinst auf dem Konto liegt.
Provisionsverbot untergräbt Kleinanlegerstrategie
„Bei Fonds verhindern also Verbote – nicht die Provisionsberatung – eine stärkere Beteiligung privater Anleger an den Kapitalmärkten. Das widerspricht allem, was die EU erreichen will“, erklärt Thomas Richter, BVI-Hauptgeschäftsführer. „Die EU-Kommission untergräbt mit dem Vorschlag eines Provisionsverbots ihre eigenen Ziele“, so Richter. (tk)
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Bild: © Hafiez Razali – stock.adobe.com
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