Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) nimmt zweifelsohne eine wichtige gesellschaftliche Rolle bei der Absicherung der Arbeitskraft ein. Nicht zuletzt deshalb ist neben der Qualität der angebotenen Produkte auch deren langfristige Stabilität ein sehr wichtiges Kriterium. Im aktuellen BU-Stabilitätsrating von map report, das in diesem Jahr in seine dritte Runde geht, achten die Analysten der Franke und Bornberg Research GmbH daher nicht nur auf den bisherigen Geschäftsverlauf, sondern es werden auch Parameter berücksichtigt, die einen Ausblick auf die zukünftige Stabilität des BU-Geschäfts erlauben.
Untersuchungskriterien Beitrag, Stabilität und Finanzstärke
Das Untersuchungskriterium „Beitrag“ betrachtet Kalkulation, Dynamik und Scoring eines BU-Produkts, im Kriterium „Stabilität“ werden die BU-Überschüsse der Versicherer und deren Stabilität angeschaut. Sie stehen zusammen mit der hier ebenfalls näher betrachteten Schadenquote im Zentrum der Untersuchung und haben mit etwas über 30% die höchste Gewichtung und somit den größten Anteil am Endergebnis. Das Kriterium „Finanzstärke“ widmet sich den durchschnittlichen Unternehmenskennzahlen der Anbietergesellschaften aus den Jahren 2016 bis 2020. Konkret werden ein Dutzend Unternehmenskennzahlen bewertet. Fünf Gesellschaften erreichen in diesem Kriterium dem aktuellen BU-Stabilitätsrating zufolge mindestens 85%, weitere 14 mindestens 75%. Die Bilanzwertung kann die Allianz mit erreichten 91,3% für sich entscheiden. Die bilanzielle Stärke muss dabei aber nicht zwangsweise größenabhängig sein, wie die Analysten betonen: Die Silbermedaille in Sachen Finanzstärke geht an die Hannoversche, Bronze an die EUROPA. Nach verdienten Bruttobeiträgen 2020 landen diese beiden Versicherer auf den Plätzen 24 und 42 und kommen auf Marktanteile von 1,1% bzw. 0,4%.
Das BU-Stabilitätsrating ermittelt für jedes genannte Wertungskriterium eine Kennzahl im Bereich zwischen 0 und 100 (100 = Maximalerfüllung) als Maßstab für die Fähigkeit eines Unternehmens, sein BU-Geschäft langfristig stabil betreiben zu können. Die Ergebnisse der Teilbereiche werden dann gewichtet und zu einem Gesamtindex zusammengeführt.
LV 1871, Hannoversche, VOLKSWOHL BUND und Allianz erhalten Höchstbewertung
Aktuell erhalten 42 Gesellschaften eine Gesamtbewertung. Davon erreichen vier Anbieter die Höchstbewertung mmm+, es sind LV 1871 (91,6%), Hannoversche (87,5%), VOLKSWOHL BUND (85,9%) und Allianz (85,2%). 25 Versicherer erhalten die zweithöchste Bewertung mmm, sieben bekommen ein mm und zwei noch ein m. An 21 Versicherer konnten nur Teilbewertungen vergeben werden, weil wesentliche Daten nicht verfügbar waren.
Die vier Versicherer Nürnberger, Generali, ERGO Vorsorge und HDI hingegen stellten sich dem umfangreicheren BU-Unternehmensrating von Franke und Bornberg, in dessen Rahmen auch Einblick in interne Kennzahlen und Prozesse genommen wird. Alle vier erreichen hier die Höchstnote FFF+ mit Gesamtwertungen zwischen 85,3 und 86,3%.
Weiterhin aggressive Kalkulation
Dem aktuellen BU-Stabilitätsrating des map report zufolge stellen die BU-Versicherer zwar ihre Stärke und hohe Qualität unter Beweis, allerdings stehen sie auch unter einem starken Margendruck. Die Analyse der Prämiengestaltung zeigt, dass im Markt weiterhin sehr aggressiv kalkuliert wird. Die jeweilige Durchschnittsprämie wird um bis zu ca. 40% unterschritten. Dies sei, so die Analysten des map report, nicht allein mit einer strengen Risikoselektion zu rechtfertigen. Es zeige deutliche Tendenzen einer Unterkalkulation. Auch die immer weiter zunehmende Unterteilung der Berufsgruppen stütze diesen Trend.
Keine steigenden Tendenzen bei den Prämien zu beobachten
So zeigten sich im Zeitverlauf trotz wiederholter Senkungen des Rechnungszinses kaum steigende Tendenzen bei den Prämien: Im ersten BU-Stabilitätsrating aus dem Jahr 2015 habe die durchschnittliche Bruttoprämie für die Beispielrechnung des Bankkaufmanns bei 107,99 Euro gelegen, für den Maschinenbauingenieur bei 103,34 Euro und für den Tischler bei 228,94 Euro. Für die gleichen Musterkunden betragen die durchschnittlichen Brutto-Monatsbeiträge im Jahr 2022 dem Rating zufolge 121,94 Euro für den Bankkaufmann, 98,57 Euro für den Ingenieur und 238,25 Euro für den Tischler. Auch bei den Nettoprämien zeigt sich dieses Bild: Für den Banker stieg der Beitrag von 75,19 Euro auf 85,86 Euro. Beim Ingenieur hingegen fiel die Prämie von 69,97 Euro auf 64,75 Euro, der Beitrag des Tischlers erhöhte sich marginal von 162,86 Euro auf 164,25 Euro. Michael Franke, Geschäftsführer der Franke und Bornberg GmbH, sieht diese Entwicklung skeptisch: „Bei den günstigen Berufsgruppen wird weiterhin verstärkt selektiert, um immer noch ein bisschen billiger zu sein als der Wettbewerb. Ob diese Rechnung langfristig aufgehen kann, ist fraglich. Sind doch gerade diese Berufe von dem Anstieg psychischer Gesundheitsprobleme betroffen.“
BU-auslösende Faktoren verschieben sich
Die Berufsunfähigkeit sei ein noch immer vielfach unterschätztes Risiko, das sich auch in Zeiten der Digitalisierung und automatisierten Arbeitsprozesse auf hohem Niveau halte. Denn mit sich ändernden Arbeitsbedingungen verschwinde das BU-Risiko nicht, sondern es käme eben immer wieder zu Verschiebungen bei den BU-auslösenden Faktoren. Dies sollten Versicherungsnehmer, Vermittler und Produktanbieter gleichermaßen im Fokus haben, so die map-report-Analysten. Zudem gewinne die Absicherung der Arbeitskraft angesichts steigender Erwerbstätigkeit – zum Jahresende 2022 gab es rund 45 Millionen Erwerbstätige mit Wohnsitz in Deutschland – zunehmend an Gewicht.
Der map-report 923 – „Stabilitätsrating der Berufsunfähigkeitsversicherer“ kann hier bestellt werden. (ad)
Bild: © Coloures-Pic – stock.adobe.com
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