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6. Dezember 2023
BU: Die rechtlichen Folgen der konkreten Verweisungsmöglichkeit

BU: Die rechtlichen Folgen der konkreten Verweisungsmöglichkeit

In Fällen der Berufsunfähigkeit kann es zu Verweisungen des Versicherten durch den Versicherer kommen. Eine Grundlage der Verweisung kann die konkrete Verweisungsklausel des Versicherers sein. Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke erklärt in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne, welche Auswirkungen eine konkrete Verweisung in den Versicherungsbedingungen einer BU hat.

Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Versicherungsbedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung enthalten grundsätzlich eine konkrete Verweisungsmöglichkeit für die Versicherung. Im Falle einer Berufsunfähigkeit kann eine solche Verweisung erhebliche Auswirkungen auf die Ansprüche des Versicherungsnehmers haben. Denn selbst wenn der Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, könnte eine Leistung verweigert werden, wenn er tatsächlich bereits einer anderen Tätigkeit nachgeht. Doch woran erkennt man eine konkrete Verweisungsklausel in den Versicherungsbedingungen? In welchen Fällen ist sie einschlägig und was muss der Versicherungsnehmer gegebenenfalls beweisen? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden beantwortet.

Die typische konkrete Verweisungsklausel

Konkrete Verweisungsklauseln sind in fast allen Versicherungsverträgen zu finden. Die Formulierungen unterscheiden sich oftmals in ihren Details voneinander, im Kern findet sich jedoch die folgende Formulierung:

„Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person […] keiner anderen, ihrer Ausbildung, ihren Fähigkeiten und ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechenden beruflichen Tätigkeit nachgeht.“

Durch die konkrete Verweisung erfolgt also die Definition der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit und damit die wesentliche Voraussetzung, um Versicherungsleistungen beanspruchen zu können. Gemäß der Klausel ist der Versicherungsnehmer nicht bedingungsgemäß berufsunfähig, wenn er tatsächlich – also konkret – einer neuen Tätigkeit nachgeht, die mit seiner bisherigen Lebensstellung vergleichbar ist.

Anforderungen und Probleme der konkreten Verweisung

Voraussetzung für die Verweisung des Versicherungsnehmers auf eine andere Tätigkeit ist, dass er diese tatsächlich bereits aufgenommen hat. Die Tätigkeit muss indes inhaltlich „anders“ sein als der bisherige ausgeübte Beruf, darf also nicht deckungsgleich sein. Denn wird nach außen ein anderer Beruf ausgeübt, der inhaltlich mit dem bisherigen Beruf übereinstimmt, kann sich die berechtigte Frage stellen, ob grundsätzlich überhaupt eine Berufsunfähigkeit vorliegt.

Entscheidend ist weiterhin die Frage, ob die neu ausgeübte Tätigkeit mit der bisherigen Lebensstellung vergleichbar ist. Es kommt hierbei darauf an, ob die notwendige Qualifikation für den neu ausgeübten Beruf mit derjenigen des alten Berufes vergleichbar ist und ob wesentliche Merkmale des alten Berufes auch in dem neuen Beruf vorausgesetzt werden. Die bloße Ausübung der neuen Tätigkeit lässt noch nicht darauf schließen, dass diese Anforderungen gewahrt sind, sie kann jedoch ein Indiz dafür darstellen. Generell kommt es bei der Vergleichbarkeit der Lebensstellung auch darauf an, ob das Einkommen im Vergleich mögliche andere abweichende Gesichtspunkte der Lebensstellung ausgleichen kann.

Dauerhaftigkeit der Verweisungstätigkeit

Um die Lebensstellung des Versicherten überhaupt prägen zu können, muss die neu aufgenommene Tätigkeit zudem eine gewisse Dauer aufweisen. Wann eine neu aufgenommene Tätigkeit nicht mehr kurzfristig ist, wird im Einzelfall betrachtet. Jedenfalls wird grundsätzlich keine Kurzfristigkeit mehr angenommen, wenn die Schwelle einer sechsmonatigen Probezeit überwunden ist. Zu betrachten ist also, ob die Tätigkeit, für die sich der Versicherte entschieden hat, tatsächlich dazu geeignet ist, die bisherige Lebensstellung zu wahren oder nicht. Ob es ihm dabei möglich wäre, die Tätigkeit so zu gestalten, dass dies der Fall ist, ist nicht maßgeblich. Vielmehr ist der Versicherer an die Entscheidung des Versicherten hinsichtlich Art und Umfang der neu ausgeübten Tätigkeit gebunden.

Darlegungs- und Beweislast bei der konkreten Verweisung

Sollte sich der Versicherer auf die konkrete Verweisungsklausel berufen, stellt sich die Frage, hinsichtlich welcher Tatsachen die Parteien beweispflichtig sind. Wird bereits eine andere Tätigkeit ausgeübt, obliegt es dem Versicherten zu beweisen, dass diese keine bedingungsgemäße Vergleichstätigkeit darstellt. Dies ergibt sich daraus, dass der Versicherer im Gegensatz zum Versicherten nicht weiß, welche konkreten Anforderungen die neue Tätigkeit mit sich bringt. Der Versicherte muss detailliert vortragen, weshalb die neue Tätigkeit die bisherige Lebensstellung nicht wahrt. Gelingt ihm der Beweis der fehlenden Vergleichbarkeit der Lebensstellung, muss wiederum der Versicherer beweisen, dass eine Vergleichbarkeit der Lebensstellung eben doch vorliegt. Die Beweislast trifft den Versicherten demnach um einiges „härter“, wenn er bereits eine neue Tätigkeit aufgenommen hat und sich auf die fehlende Vergleichbarkeit der Lebensstellungen berufen will.

Fazit und Hinweise für Versicherungsnehmer

Im Falle des Eintritts einer Berufsunfähigkeit gilt es angesichts der konkreten Verweisung für den Versicherungsnehmer einiges zu beachten. Zunächst muss auf die genaue Formulierung der Klausel geachtet werden. Denn diese gibt vor, unter welchen Voraussetzungen noch keine Tätigkeit im Sinne der Berufsunfähigkeitsklausel vorliegt. Generell ist immer darauf zu achten, ob die neue Tätigkeit eine vergleichbare Lebensstellung mit sich bringt oder nicht. Dieses wird jedoch immer im Einzelfall zu prüfen sein.

Weitere wissenswerte Beiträge zum Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung sind hier auf der Website der Kanzlei Jöhnke & Reichow zu finden.

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Bild: © Studio_East – stock.adobe.com; © Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte