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7. Oktober 2022
bKV: So können sich Unternehmen positionieren
bKV: So können sich Unternehmen positionieren

bKV: So können sich Unternehmen positionieren

Bei der betrieblichen Versorgung haben Unternehmen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Auch die betriebliche Krankenversicherung ist immer mehr gefragt. Was kann eine bKV leisten? Und welche Benefits bietet sie zum Beispiel beim Recruiting?

Interview mit Uwe Jüttner, Product and Carrier Manager bei Aon
Die betriebliche Krankenversicherung rückt immer mehr in den Fokus. Wie entwickelt sich der Bereich bei Aon?

Auch bei Aon merken wir, dass die betriebliche Krankenversicherung bei unseren Geschäftspartnern immer stärker in den Mittelpunkt rückt. Wie Friedrich Wilhelm Raiffeisen schon sagte: „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das schaffen viele“ – so haben wir die Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Wealthbereich (bAV) weiter steigern können. Dieses Zusammenspiel ermöglicht uns, die bKV den HR-Verantwortlichen vorzustellen, und das ist der Schlüssel des Erfolges für unser erfreu­liches bKV-Wachstum.

Mit welchen Firmenkunden und Branchen setzen Sie vor allem bKV-Konzepte um?

Generell kann man sagen, dass eine große Nachfrage in allen Branchen und Bereichen festzustellen ist. Waren es vor drei, vier Jahren fast ausschließlich kleine und mittelständische Unternehmen, die sich für eine bKV interessiert haben, so wächst die Aufmerksamkeit seit den letzten Jahren auch bei Unternehmen mit einer zum Teil hohen vierstelligen Mitarbeiterzahl.

Wir stellen dabei die Vorteile und Mehrwerte von Gesundheitsleistungen einer bKV in Kombination mit einer betrieblichen Altersversorgung in den Mittelpunkt. Der Ansatz und das Ziel sind es, die Vorteile einer bKV mit einem auf das Unternehmen abgestimmten Gesundheitskonzept so zu verknüpfen, dass die Mitarbeiter mit Eintritt in den Ruhestand ihre betriebliche Altersversorgung bei bester Gesundheit genießen können.

Wo sehen Sie das meiste Potenzial?

Neben den klassischen Gesundheitsleistungen im Rahmen einer betrieblichen Krankenversicherung sollten sich Unternehmen aufgrund des demografischen Wandels zunehmend mit den Themen rund um die Pflegeabsicherung auseinandersetzen. Hier sehen wir ein großes Potenzial, denn bereits in einer Umfrage des „DGB-Index Gute Arbeit“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus dem Jahr 2017 gaben 71% der Beschäftigten an, Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege von Angehörigen zu haben. Der „TK-Meinungsimpuls Pflege“ der Techniker Krankenkasse aus 2018 zeigte auf, dass 61% der Erwerbstätigen ihre Arbeitszeit reduzieren würden, um einen Angehörigen zu pflegen. Zugleich erhoffen sich 62% der Beschäftigten, die bereits heute eine Pflegeverantwortung haben, eine finanzielle Unterstützung durch ihren Arbeitgeber. Es stellt sich also die Frage, was diese Entwicklung zukünftig für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeuten wird, wenn sich die Anzahl der Pflegefälle stetig erhöht. Und genau mit diesem Fokus müssen wir Unternehmen beraten und ihnen Lösungsmöglichkeiten aufzeigen – nicht nur, um die Arbeitnehmer langfristig zu entlasten, sondern vor allem auch, um für Arbeitgeber sicherzustellen, dass sie ihren Betrieb am Laufen halten können.

Welche Umsetzungsmodelle empfehlen Sie? Eine bKV für alle Mitarbeiter oder nur auf Wunsch?

Das hängt unter anderem von den konkreten Wünschen und Vorstellungen des jeweiligen Unternehmens ab. Für eine Empfehlung spielen neben personalpolitischen Zielen wie beispielsweise der Mitarbeiterbindung und -gewinnung, der Reduzierung von krankheitsbedingten Fehlzeiten oder auch der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität auch finanzielle Möglichkeiten sowie der Leistungsumfang einer bKV eine wichtige Rolle.

Wann bietet sich eine verbindliche bKV für ein Unternehmen denn an?

Beabsichtigt ein Unternehmen, seinen Beschäftigten alle Pluspunkte einer bKV zur Verfügung zu stellen, also zum Beispiel die Mitversicherung von Vorerkrankungen, den Einstieg in laufende Behandlungen, kein Erheben von Risikozuschlägen und den damit einhergehenden Verzicht auf eine Gesundheitsprüfung, bietet sich ausnahmslos die obligatorische und somit arbeitgeberfinanzierte bKV an.

Anders verhält es sich bei einer arbeitnehmerfinanzierten (fakultativen) bKV. Hier gibt ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden den vertraglichen Rahmen vor und schließt mit einem Versicherer einen Rahmenvertrag. Es tritt somit als Vorteilsbeschaffer auf und ermöglicht auf diese Art und Weise den Zugang zu einem Versicherungsschutz, den seine Mitarbeiter unter Umständen auf dem freien Versicherungsmarkt nicht bekommen hätten. Die Entscheidung, ob und welcher Versicherungsumfang beantragt wird, obliegt ausschließlich dem Mitarbeiter.

Welche Unterschiede gibt es zwischen den Hierarchie-Ebenen, also Angebote für Führungskräfte oder Mitarbeiter?

Die Frage, wer – also alle Mitarbeiter oder nur Führungskräfte – welche Leistungen bekommt, kann jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden. Wichtig ist, dass Mindestkriterien, zum Beispiel Anzahl der Personen, erfüllt werden. Möglich ist, dass alle Mitarbeiter zum Beispiel eine stationäre Zusatzversicherung erhalten, die Führungskräfte jedoch noch zusätzlich einen Vorsorgetarif bekommen. Wichtig ist, dass die Zusammensetzung des anspruchsberechtigten Personenkreises nach objektiven, mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) konformen Kriterien erfolgt. Ein solches kann zum Beispiel eine Unterscheidung von Mitarbeitern und Führungskräften, aber auch die Betriebszugehörigkeit sein.

Sind Führungskräfte nicht schon mit einer guten PKV ausgestattet?

Nein, der Status „Führungskraft“ bedeutet nicht, dass die Person gleichzeitig mit einer privaten Vollkosten- oder Zusatzversicherung ausgestattet ist. Zudem sollte man hier auch die Grundsatzfrage stellen: „Was definiert eigentlich ‚gut‘“? Vielleicht wollte sich eine Führungskraft privat versichern, wurde aber wegen bestehender Vorerkrankungen abgelehnt oder der Antrag konnte nur mit einem Ausschluss von Vorerkrankungen angenommen werden und kam deswegen nicht zustande. Eine bKV kommt durch die Vorteile des speziell auf die Gruppe zugeschnittenen Leistungsumfangs genau hier zum Tragen – eine private Krankenversicherung kann ein solches Bedürfnis nicht abdecken.

Sind Budgettarife für Sie interessant?

Ja, Budgettarife sind sogar sehr interessant. Diese werden immer dann nachgefragt, wenn Unternehmen in die flexible Erlebniswelt einer bKV einsteigen und den Mitarbeitern ein direktes Nutzererlebnis ermöglichen wollen. Jeder Mitarbeiter erhält hier ein vom Arbeitgeber definiertes Budget, das er frei für alle ausgewählten möglichen Benefits einsetzen kann – dies ermutigt viele Mitarbeiter dazu, sich aktiv mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen und für sich selbst mit Unterstützung des eigenen Arbeitgebers vorzubeugen. Ich denke, insbesondere hier hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass das Bewusstsein für die eigene Gesundheit gestiegen ist und somit auch zukünftig immer stärker in den Fokus der Arbeitnehmer rücken wird.

Bei der bKV ist vor allem das komplette Gesundheitspaket interessant. Wie sieht ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) aus?

Ein „gutes“ BGM sollte immer bedarfsgerecht gestaltet sein. Da sich mit zunehmendem Alter auch der Gesundheitszustand von uns Menschen verändert, zeichnet sich ein erfolgreiches BGM dadurch aus, dass es sich ebenfalls an der biologischen Uhr der Mitarbeiter orientiert und damit die Bereiche Arbeits- und Gesundheitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung und betriebliches Eingliederungsmanagement abrundet. Hierbei sollten zum Beispiel Faktoren wie Geschlecht, Alter, kulturelle Hintergründe und die Tätigkeit der Beschäftigten berücksichtigt werden.

Und welche Assistance-Leistungen stehen im Fokus?

Assistance-Leistungen sind das Plus einer bKV, mit deren Unterstützung die Mitarbeitenden schnelle und kompetente Unterstützung erhalten. Je nach Umfang sind diese bereits als ein Add-on enthalten und bei einigen Anbietern auch für Familienangehörige zugänglich. Damit hat das Unternehmen ein Instrument, um sich gezielt als familienfreundlicher Betrieb zu positionieren. Assistance-Leistungen sind zum Beispiel

  • Facharzt-Terminservice 365/24/7
  • Videosprechstunde ohne zeitliche Begrenzung 365/24/7
  • Gesundheitstelefon in mehreren Sprachen 365/24/7
  • Pflege-Assistance-Leistungen 365/24/7
  • Familien-Assistance-Leistungen
Die bKV wird auch immer genannt im sogenannten „War of Talents“. Ist sie wirklich so gefragt?

Aufgrund des Fachkräftemangels befinden sich viele Arbeitnehmer derzeit in der Situation, frei entscheiden zu können, für welchen Arbeitgeber sie zukünftig tätig sein wollen. Dabei stellen die mittlerweile klassischen Zusatzleistungen wie zum Beispiel ein Firmenwagen keine wirklichen Entscheidungskriterien mehr für die Wahl des Arbeitgebers dar. Vielmehr orientieren sich die Menschen heute an den für sie „echten“ Mehrwerten wie einem klaren Unternehmenssinn, mit dem sich der Arbeitnehmer identifizieren kann, einer Positionierung des künftigen Arbeitgebers im Kontext ESG (Environmental, Social, Governance) oder aber die Wertschätzung des Wohlbefindens des Einzelnen. Und gerade bei Letzterem sind die Gesundheitsleistungen ein wichtiger Baustein, der ein ausschlaggebendes Kriterium darstellen kann.

Dieses Interview lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Betriebliche Versorgung (09/2022), S. 30 ff., und in unserem ePaper.

Bild: © Cozine – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Uwe Jüttner