Ein Betreuer in Fragen der Gesundheitsfürsorge, hat grundsätzlich weitreichende Kompetenzen über die zu betreuende Person. In vielen Belangen kann der Betreuer seinen hilfsbedürftigen Mandaten vertreten und an seiner statt für ihn entscheiden. Bei der Änderung des Bezugsrechts für eine Lebensversicherung ist dies jedoch nicht der Fall – zumindest dann, wenn der zukünftige Begünstigte der Betreuer selbst sein soll.
Sohn wird Betreuer
Im konkreten Fall ging es um einen Mann, der aufgrund eines Unfalls 1993 ins Koma gefallen war. Zuvor hatte er eine Lebensversicherung abgeschlossen und seine damalige Freundin, später Ehefrau, als Bezugsberechtigte benannt. Betreuer wurde der Sohn des Mannes. Dieser wurde unter anderem auch mit der Vermögenssorge seines Vaters betraut. Die Ehe wurde 1994 geschieden.
Betreuer versucht Bezugsberechtigter zu werden
Der Sohn des Mannes bat daraufhin das Versicherungsunternehmen, sie mögen die Geschiedene als bezugsberechtigte Person austragen und ihn selbst als Begünstigten eintragen. In seiner Eigenschaft als Betreuer, habe er schließlich die Kompetenz dazu. Des Weiteren solle die Tochter des Koma-Patienten bezugsberechtigt werden, sobald sie das 18. Lebensjahr vollendet hat. Der Versicherer bestätigte, dass er die Änderung bis auf Widerruf vorgemerkt habe.
Lebensversicherung fließt an Sohn
Ende 2011 verstarb der Mann schließlich. Alleinerbin war seine Tochter. Der Sohn beantragte daraufhin bei der Versicherung die Auszahlung der Versicherungsleistung. Teilweise floss diese direkt an ihn, teilweise wurde sie an das Bestattungsunternehmen überwiesen. Insgesamt erhielt der betreuende Sohn über 70.000 Euro.
Geschiedene Ehefrau stellt Forderung
Im Jahr 2013 gab jedoch nun die ehemalige Ehefrau des Verstorbenen an, dass die Zahlung ihr zustehe. Sie beantragte die Auszahlung der Versicherungsleistung und der Versicherer kam dem nach. Nun forderte das Versicherungsunternehmen den Sohn auf, er solle die zu Unrecht an ihn gezahlten Beträge zurückzahlen. Dieser Forderung kam er nicht nach, woraufhin der Versicherer den Sohn anklagte.
Vater habe seinem Sohn den Auftrag erteilt
Der betreuende Sohn rechtfertigte sein Verhalten im Verfahren damit, dass sein Vater am sogenannten Locked-In-Syndrom litt. Somit habe er mit der Außenwelt kommunizieren können und seinem Sohn den Auftrag gegeben, dass dieser die Bezugsberechtigung abändern solle.
Verfahrensverlauf
Vor dem Landgericht Braunschweig hatte die Klage keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig wurde der Beklagte jedoch zur Rückzahlung der Gelder verurteilt. Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erhoffte der Beklagte nun die Wiederherstellung des ursprünglichen Urteils vor dem Landgericht Braunschweig.
Bezugsrechtsänderung hat nicht wirksam stattgefunden
Diese Hoffnung wurde jedoch nicht erfüllt. Der BGH entschied, dass die Leistungen der Lebensversicherung zu seinen Gunsten ungerechtfertigt waren. Eine Änderung des Bezugsrechts habe nie wirksam stattgefunden, da er nicht die Vertretungsbefugnis für seinen Vater gehabt habe. Einerseits habe er nie das Betreuungsgericht angerufen, welches eine Bezugsrechtsänderung erwirken hätte können. Auch habe keine wirksame Vollmacht bestanden, die entweder schriftlich hätte erfolgen müssen oder – wenn der Betreute körperlich nicht dazu in der Lage ist – notariell beurkundet hätte werden müssen. Sich nachträglich auf eine nicht nachzuprüfende Willensäußerung des Vaters zu beziehen, sei nicht ausreichend, um eine Bezugsrechtsänderung zu erwirken.
Versicherer hat keine Schutzpflichten verletzt
Der Versicherer habe laut Urteilsspruch gegenüber dem Betreuer keine Verpflichtung gehabt darauf hinzuweisen, wie eine vormundschaftliche Genehmigung auszusehen habe oder, dass überhaupt eine für eine derartige Bezugsrechtsänderung nötig sei. Dementsprechend habe dieser keine Schutzpflichten verletzt. (tku)
BGH, Urteil vom 25.09.2019, Az.: IV ZR 99/18
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