Am gestrigen Montag, dem 31.05.2021 war es soweit. Der Bundesfinanzhof (BFH) verkündete seine beiden Urteile zur umstrittenen Rentenbesteuerung. Im Raum stand der Verdacht, dass es während der Umstellungsphase hin zu einer nachgelagerten Rentenbesteuerung dazu kommen könnte, dass die Renten doppelt versteuert würden. Die Bundesrichter entschieden nun aber in beiden Fällen, dass keine verfassungswidrige Doppelbesteuerung vorliegt. In Zukunft wird sich das jedoch ändern, machte das Gericht deutlich. Der Gesetzgeber sei gefragt.
BFH stellt Berechnungsparameter vor
Im Zuge der Urteilsverkündung hat der BFH auch erstmals genaue Berechnungsparameter vorgestellt, mit deren Hilfe ermittelt werden kann, ob eine Doppelbesteuerung von Renten vorliegt. Auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben ergibt sich, dass in den beiden verhandelten Fällen zwar keine Doppelbesteuerung vorliegt, spätere Rentnerjahrgänge jedoch sehr wohl von einer doppelten Besteuerung betroffen sein könnten.
Alterseinkünftegesetz 2005 ursächlich
Wie es im Zuge der Übergangsregelung hin zu einer nachgelagerten Besteuerung der Renten rechnerisch zu einer doppelten Besteuerung kommen kann, hat AssCompact hier in einem Übersichtsartikel zusammengetragen. Kurz gesagt, liegt der Grundstein für die problematische Situation im Jahre 2005. Damals trat das Alterseinkünftegesetz in Kraft. Bis dahin wurden die Rentenbeiträge aus versteuertem Lohn gezahlt, die Rentenbezüge mussten dafür aber nicht mehr versteuert werden. Seit 2005 läuft der Übergang hin zu einer nachgelagerten Besteuerung der Rente. Das heißt, die Rentenbeiträge werden vor Steuern bezahlt, die Rentenbezüge müssen jedoch versteuert werden. Zunächst nur anteilig, aber der zu versteuernde Anteil steigt stetig (aktuell 81%) und soll 2040 voraussichtlich 100% betragen.
Rentenfreibeträge schrumpfen
Eine verbotene Doppelbesteuerung könne laut BFH künftig dadurch entstehen, dass der Rentenfreibetrag jährlich kleiner werde. In vielen Fällen wird dieser Freibetrag dann nicht mehr ausreichen, um die Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren, die aus bereits versteuertem Einkommen geleistet wurden.
Übergangsphase grundsätzlich verfassungsgemäß
Der BFH stellte mit seinen Urteilen klar, dass der eingeleitete Systemwechsel selbst zwar grundsätzlich verfassungskonform sei, es jedoch im Einzelfall nicht zu einer doppelten Besteuerung kommen dürfe. Eine solche doppelte Besteuerung würde nach Ansicht der Bundesrichter dadurch vermieden, dass die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch sei, wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge.
Berechnung des steuerfreien Anteils
Die Bundesrichter stellten des Weiteren klar, dass weder der Grundfreibetrag noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rente mit einbezogen werden dürften.
Hinterbliebenenrente
Außerdem machte der BFH deutlich, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch jene eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.
Basisversorgung
Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder Rürup-Rente sind nach Ansicht des BFH auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen.
Private Kapitalanlageprodukte
Bei der Betrachtung der privaten Kapitalanlageprodukte eines der Kläger – außerhalb der Basisversorgung – konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen. Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann nach Ansicht der Bundesrichter bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.
Mindereinnahmen in Milliardenhöhe vorerst vermieden
Im Bundesfinanzministerium dürften die Klageabweisungen für Erleichterung gesorgt haben. Das Ministerium war den beiden Klagen als Drittpartei beigetreten – unter anderem, um Akteneinsicht zu erlangen. Hätte der BFH zugunsten der klagenden Rentner geurteilt, wäre die existierende Übergangsregelung der Rentenbesteuerung auf der Kippe gestanden, was Mindereinnahmen in Milliardenhöhe nach sich gezogen hätte.
Bund der Steuerzahler sieht weiteren Klärungsbedarf
Die Politik dürfe sich jedoch jetzt nicht auf dem Urteil des BFH ausruhen, findet der Bund der Steuerzahler (BdSt). Schließlich haben die Bundesrichter deutlich gemacht, dass eine zukünftige Doppelbesteuerung der Rentner absehbar ist. Dementsprechend fordert der BdSt den Gesetzgeber zum Handeln auf und behält sich auch vor, unter Umständen doch noch bis vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen, da in einigen Punkten weiterhin Klärungsbedarf bestehe.
Gesetzgeber nun in der Pflicht
Ähnlich bewertet das die amtierende Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Sie empfindet das Urteil als „Ohrfeige für die Politik“. Immerhin habe der BFH klar gemacht, dass es künftig zu Fällen von Doppelbesteuerung kommen kann. Deshalb sei nun die Politik gefordert, schnellstmöglich eine Neuregelung zu finden, die eine Doppelbesteuerung künftig ausschließt. Positiv bewertet sie, dass der BFH klar festgelegt hat, was bei der Berechnung des steuerfreien Rentenbezugs berücksichtigt werden darf und was nicht. „Das schafft ein Stück Klarheit für die Rentnerinnen und Rentner“, so Bentele.
Rentenbesteuerung ist noch nicht verfassungswidrig
Bert Rürup, der bereits 2007 in einem Brandbrief an die damalige Bundesregierung darauf hingewiesen hatte, dass es durch das Alterseinkünftegesetz zu einer Doppelbesteuerung kommen werde, drückte es gegenüber dem Handelsblatt so aus: „Die Rentenbesteuerung ist nicht verfassungswidrig – noch nicht.“ (tku)
BFH, Urteil vom 19.05.2021 – X R 20/19;X R 33/19
Bild: © Gehkah – stock.adobe.com
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