Im Mittelpunkt eines Streitfalls stand eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die eine Versicherungsnehmerin im Jahr 2003 gemeinsam mit einer Kapitallebensversicherung abgeschlossen hatte. Im Juli 2019 zeigte die Frau gegenüber ihrer Versicherungsgesellschaft eine eingetretene Berufsunfähigkeit an, die der Versicherer auch akzeptierte und entsprechende Leistungen übernahm.
Zuvor gestaltete sich die Lebenssituation der Versicherungsnehmerin derart, dass sie hauptsächlich mit der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege ihrer Schwiegermutter beschäftigt war. Daneben übte sie Nebentätigkeiten als Reinigungskraft in einem Kindergarten und als Kurierfahrerin für eine Bank aus.
Aufgrund Nachprüfung stellt Versicherer Leistungen ein
Bei der Nachprüfung stellte der Versicherer fest, dass die Versicherungsnehmerin wieder eine Berufstätigkeit aufgenommen hatte. Sie arbeitete in Vollzeit als Produktionsmitarbeiterin bei einer Firma und übernahm dort Scan- und Dokumentationsarbeiten. Der Versicherer stellte seine Leistungen ein und vertrat die Ansicht, dass die Tätigkeit der Qualifikation und der bisherigen Lebensstellung der Frau entspreche. Die Frau reichte deshalb Klage ein, weil sie sich weiter als berufsunfähig ansah, verlor aber vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) und schließlich auch in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg (OLG).
Versicherer darf auf neue Tätigkeit verweisen
Die Gerichte konnten sich dabei unter anderem auf die vereinbarten Bedingungen der beiden Vertragsparteien berufen. Dort heißt es:
„Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen mindestens zu 50% außerstande ist, ihren Beruf auszuüben. Dies gilt nicht, wenn die versicherte Person eine andere, ihrer Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausübt.
Die in den Bedingungen für die …Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung enthaltenen Regelungen zur Verweisbarkeit auf eine nicht tatsächlich ausgeübte Tätigkeit finden keine Anwendung, insbesondere gelten § 2 Ziffer 2 und 4 der Bedingungen für die …-Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht.
Bei der Nachprüfung der Berufsunfähigkeit (§ 7 Ziffer 1) werden neuerworbene Fähigkeiten in einem tatsächlich ausgeübten Beruf berücksichtigt.“
Sowohl die Richter des LG als auch des OLG vertraten die Ansicht, dass der versicherte Beruf im Sinne der abweichend von § 2 Nr. 1 BB-BUZ getroffenen Vereinbarung hier die in Teilzeit ausgeübten Tätigkeiten als Reinigungskraft und Kurierfahrerin waren. Die häusliche Pflege der Schwiegermutter der Klägerin sei hingegen nicht maßgebend, auch darauf hatte sich die Klägerin berufen. Laut Gericht handelte sich dabei um eine Tätigkeit als Pflegeperson i. S. v. § 19 Satz 1 SGB XI. Dem Urteil vorausgegangen war hierzu bereits ein Hinweisbeschluss des OLG (Az. 8 U 1646/23) im Dezember 2023.
Pflege eines Angehörigen ist keine erwerbsmäßige Tätigkeit
Dort heißt es, dass die aufopfernde Pflege durch Angehörige sich – auch bei Weiterleitung von Pflegegeld als Anerkennungsleistung – regelmäßig als nicht erwerbsmäßig, also als ehrenamtlich darstelle. Dass hierfür eine gesonderte, über das Pflegegeld hinausgehende Vergütung gezahlt worden ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dies lässt den Schluss zu, dass die Pflege ausschließlich aus persönlichen Gründen und nicht zur Erwirtschaftung eines dauerhaften Lebensunterhaltes geleistet wurde.
Auch der Umstand, dass die Verpflichtung zur Pflege in einem bäuerlichen Hofübergabevertrag geregelt wurde, macht die Pflegetätigkeit des Angehörigen noch nicht zu einer „erwerbsmäßigen“ Pflege.
Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließe sich zudem, dass ehrenamtliche Tätigkeiten im privaten Bereich in Ermangelung einer gesonderten Vereinbarung nicht als „Beruf“ im Sinne der abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung gelten. (bh)
OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.01.2024 – Az. 8 U 1646/23
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