Ein Mann war im Lauf seines Berufslebens bei verschiedenen Arbeitgebern als Kfz-Mechaniker, Filmvorführer und Bauarbeiter tätig. In den Jahren 2016 und 2017 arbeitete er für einen Offshore-Helikopterservice in Ostfriesland als Bodenabfertiger.
Tinnitus aufgrund unzureichenden Gehörschutzes?
Als bei ihm ein starker Tinnitus auftrat, äußerte sein behandelnder HNO-Arzt gegenüber der Berufsgenossenschaft den Verdacht auf eine Berufskrankheit. Er argumentierte, dass sein Patient in den ersten Monaten seiner Arbeit nur mit unzureichendem Gehörschutz versorgt gewesen sei.
Berufsgenossenschaft: Lärmpegel nicht hoch genug
Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Tinnitus als Berufskrankheit jedoch ab. Die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen seien nicht gegeben, da der errechnete Lärmpegel nicht hoch genug gewesen sei. Die beruflichen Belastungen seien nicht ausreichend um eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit zu verursachen.
Arbeitnehmer: Hörbeschwerden erst beim Helikopterservice
Der Arbeitnehmer hielt dem entgegen, dass er erheblichem Dauerlärm ausgesetzt gewesen sei und seine Hörbeschwerden erstmalig bei dem Helikopterservice aufgetreten seien. Davor habe er keine Beeinträchtigungen gehabt.
LSG: Gutachterwerte reichen nicht für Anerkennung als Berufskrankheit aus
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat im konkreten Fall mehrere Gutachten eingeholt, in deren Folge eine Lärmmessung am Arbeitsplatz vorgenommen wurde. Aber auch deren Werte reichten nicht für die Anerkennung einer Berufskrankheit aus. Hierzu hat sich das Gericht auf die fachmedizinischen „Königsteiner Empfehlungen“ gestützt, wonach sich eine Lärmschwerhörigkeit nur bei einer hohen und langen Dauerbelastung (mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte ≥ 85 db(A)) entwickeln könne. Zwar habe der Lärmpegel am Arbeitsplatz des Mannes ca. 90 db (A) betragen, jedoch habe die Belastung nur 14 Monate gedauert und er habe in dieser Zeit einen Gehörschutz getragen. Außerdem erreichten auch Einzel-Schallspitzen nicht den maßgeblichen Grenzwert von 150 bis 165 db (C).
Zum Hintergrund
Für die Beurteilung einer Schallquelle im Hinblick auf das menschliche Hörvermögen wird die Lautstärke in dB (A) angegeben. Der A-bewertete Schalldruckpegel berücksichtigt die natürliche frequenzabhängige Gehörempfindung des Menschen. Es handelt sich also dabei um eine ergänzende Information, eine sogenannte Frequenzbewertungskurve (A).
Um hohe Schallpegel richtig bewerten zu können, wird im Arbeitsschutz bei der Messung eines Spitzen-Schallpegels die sogenannte C-Bewertung verwendet. Der Spitzenpegel wird also in dB (C) angegeben. (ad)
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.01.2022 – L 14 U 107/20
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