Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch in der Altersvorsorge eine immer größere Rolle. Produktgeber sehen sich mit einer überbordenden Regulierung seitens der EU konfrontiert, Nachhaltigkeitsratings bieten noch keinen in sich stimmigen Marktüberblick und die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen beim Kunden gestaltet sich für Vermittler alles andere als einfach. Und über allen Marktteilnehmern schwebt zudem die Furcht, sich allzu schnell den Vorwurf von Greenwashing einzuhandeln. All diese Themen wurden beim „3. Kongress der Branchen-Initiative Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung“ (BINL) diskutiert, der am Donnerstag, 14.09.2023, im Rahmen einer Online-Veranstaltung stattgefunden hat.
Abfragepflicht gilt nun seit etwas mehr als einem Jahr
Ein Schwerpunkt der Veranstaltung behandelte die Abfragepflicht der Kundenpräferenzen beim Thema Nachhaltigkeit. Diese regulatorische Vorgabe gilt nun bereits seit etwas mehr als einem Jahr, war sie doch zum 02.08.2022 für alle Vermittler in der Beratung zu Versicherungsanlageprodukten verpflichtend eingeführt worden. Ziel des EU-Gesetzgebers war eine Verbesserung des Verbraucherschutzes und eine Erhöhung der Beratungsqualität.
Doch gehen mit den neuen regulatorischen Vorschriften immer auch neue Haftungsrisiken einher, erinnerte Dr. Stefan Segger, Geschäftsführer bei Segger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, in seinem Vortrag während des Kongresses. Denn ein Kunde, der nicht richtig zur Nachhaltigkeit beraten werde, kann durch die regulatorische Vorgabe grundsätzlich Schadenersatzforderungen stellen. Im Übrigen, ergänzte der Rechtsexperte, betreffe das auch die Beratung in der Ausschließlichkeit. Nur dass sich in diesem Vertriebskanal die Risiken zusätzlich auf den angeschlossenen Versicherer erstrecken würden.
Alles steht und fällt mit einer Definition von Nachhaltigkeit
Doch warum überhaupt kommt es zu Schwierigkeiten bei der Beratung zur Nachhaltigkeit? Alles fange schon damit an, dass Nachhaltigkeit grundsätzlich nicht eindeutig definiert sei, gibt Dr. Segger zu bedenken. Die Beurteilung, ob nun ein Unternehmen oder eben eine Vermögensanlage als nachhaltig gelten kann, unterliege damit großen Unsicherheiten. Zudem seien die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (AssCompact berichtete: 17 Ziele für eine nachhaltige Welt – und für die Kundenansprache) nicht alle gleichzeitig – sprich mit einer einzelnen Vorsorgelösung – zu erreichen. Erschwerend hinzu komme, dass der Kunde möglicherweise einen ganz eigenen Begriff von Nachhaltigkeit habe bzw. sich noch kaum Gedanken über diesen Themenkomplex gemacht habe, sagt der Rechtsexperte.
Dokumentation der Beratung ist das A und O
Summa summarum folgen aus dieser Gemengelage an Unklarheiten für die Beratung bei nachhaltigen Vorsorgelösungen zwei zentrale Haftungsrisiken: nämlich Beratungsfehler und Dokumentationsfehler. Doch wie lassen sich die Risiken für Vermittler eindämmen? Oberstes Gebot hat laut Dr. Segger eine saubere Dokumentation des gesamten Beratungsprozesses. Checklisten und andere Anleitungen seitens der Vermittlerverbände helfen ebenfalls weiter. In der Beratung selbst sei zuerst die Nachhaltigkeitspräferenz beim Kunden zu klären. Erst dann sollte die Auswahl eines geeigneten Produkts erfolgen. Und falls der Kunde selbst keine Vorstellung zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen habe, empfiehlt Dr. Segger die Orientierung an einer eigenen Klassifikation, die einer logischen, anerkannten Bewertung folgt. (as)
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